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G.
Wert und Vergleichbarkeit der Parlamentarischen Arbeit
1.
Wahl eines Vergleichslohnes
Durch die vorhergehenden Kapitel haben wir ein analytisches Profil der Auf-
gaben der Parlamentsarbeit und der Anforderungen, die für deren Erfüllung
notwendig sind, erhalten. Dieses vom Stelleninhaber unabhängige Profil gibt
Aufschluss über die den Arbeitswert bestimmenden Faktoren. Aufgrund dieser
Elemente haben wir als Vergleichswert folgende Grösse aus der Eidg. Lohn-
statistik beigezogen:
Bezeichnung
Minimalentschädigung
für diese Kategorie
Maximalentschädigung
für diese Kategorie
Zentralwert
(Median)
Ziel- und Strategiedefi-
nition von Unterneh-
men,
„Verrichtung höchst
anspruchsvoller und
schwierigster Arbeiten“
8’215.- 15’322.-
10'952.-
Die folgende Grafik vergleicht die aktuelle Entschädigung, hochgerechnet auf
eine 100%-Anstellung mit dem Zentralwert der gewählten Vergleichskategorie
und mit den aktuellen Durchschnittseinkommen der National- und Ständeräte.
Zu beachten sind aber zudem folgenden Tatsachen (vgl. Umfrageresultate)
die Parlamentsmitglieder haben nicht die 42-Stundenwoche, die dieser
Berechnung zugrunde liegt (vgl. empirisches Kapitel zum Aufwand):
wir müssen die Abgaben an die Parteien und Fraktionen aus der Ent-
schädigung berücksichtigen.
Vergleich Entschädigung und Einkommen (Durchschnitt)
Jahresentschädigung
Zahlungen an Säule 3a
Taggeld
SFr. 0
SFr. 40'000
SFr. 80'000
SFr. 120'000
SFr. 160'000
1
31
61
91
121
151
181
211
241
271
301
331
361
Kalendertage
Einkommen in Franken
aktuelle Durchschnittsenschädigung Ständerat (bei 117 Taggeldern)
aktuelle Durchschnittsenschädigung Nationalrat (bei 96 Taggeldern)
Vergleichslohn Eidg. Lohnstatistik: Fr. 131'424.- (d.h. 12 x Fr. 10'952.-)
50% - Stelle = 1/2 - Jah
r
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In der Bewertung der parlamentarischen Arbeit müssen wir der Tatsache
Rechnung tragen, dass das aktuelle Tätigkeitsprofil der Ratsmitglieder auch
aus Arbeiten der unteren Anforderungsstufen besteht. (Sekretariatsarbeiten,
Aufgaben der Stufe „wissenschaftl. MitarbeiterIn“). Für diese Stufen müssen
andere Vergleichswerte beigezogen werden, z.B. folgende Kategorien der
Eidg. Lohnstatistik:
Bezeichnung
Minimalentschädigung
für diese Kategorie
Maximalentschädigung
für diese Kategorie
Zentralwert
(Median)
Begutachten, beraten,
beurkunden,
„Verrichtung selbstän-
diger und qualifizierter
Arbeiten“
6’667.- 10’635.-
8’133.-
Sekretariats- und Kanz-
leiarbeiten,
„Berufs- und Fach-
kenntnisse vorausge-
setzt“
4’009.- 5’400.-
4’766.-
Die derzeitige Entschädigung entspricht in diesem Sinne vielleicht den Anforde-
rungen, die ja auch aus der administrativen Arbeit bestehen, welche den
Grossteil der Parlamentsmitglieder stark absorbiert. Ein Verlust entsteht jedoch
dadurch, dass die Parlamentsmitglieder nicht stufengerecht eingesetzt wer-
den, und ihr Potential und ihre Kompetenz daher nicht sinnvoll verwertet wird.
Die Delegation der unteren Stufen an AssistentInnen und SekretärInnen würde
die Qualität der parlamentarischen Arbeit durch den stufengerechten Einsatz der
spezifischen Kompetenz der Ratsmitglieder verbessern.
Der Vergleich zwischen Arbeitsaufwand und Einkommen ergibt folgende
Resultate: Während die Opportunitätskosten der parlamentarischen Arbeit im
engeren Sinn (Vorbereitung auf und Teilnahme an Plenar-, Kommissions-, Frak-
tionssitzungen, pers. Vorstösse, etc.) durch die derzeitige Entschädigung beina-
he gedeckt werden, lassen sie die Arbeit in weiterem Zusammenhang mit dem
Mandat ausser Acht. Diese besteht z.B. aus der Mitarbeit in Parteien, Verbän-
den, Vereinen, Wahl- und Abstimmungskämpfen (letztere besonders wichtig und
aufwendig in der direkten Demokratie), Medienarbeit, Korrespondenz, Vorträgen,
Kongressen, etc. Das Einkommen, das die Parlamentsmitglieder aus Ihrer nicht-
parlamentarischen politischen und v.a. aus der nicht-politischen Berufstätigkeit
beziehen, wird mit weniger Aufwand erzielt, als das Einkommen aus der parla-
mentarischen Tätigkeit.
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Arbeitsaufwand und Einkommen
44,9%
11,9%
10,2%
33,0%
40,6%
3,2%
11,8%
44,4%
0%
10%
20%
30%
40%
50%
Parl. Arbeit in engem Zusammenhang mit dem Mandat
Parl. Arbeit in w eiterem Zusammenhang mit dem Mandat
Nichtparlamentarische politische Arbeit
Nichtpolitische Berufsarbeit
Durchschnittliche Anzahl Arbeitsw ochen pro Jahr (in %)
Anteil am Gesamteinkommen (in %)
Die indirekten Vorteile des Parlamentsmandates sind, den Umfrageresultaten
zufolge, sehr ungleich verteilt. Es wäre daher nicht korrekt zu sagen, dass die
Parlamentsmitglieder allesamt einen grossen indirekten Nutzen aus ihrem Man-
dat ziehen, obwohl dies bei einigen sicherlich der Fall ist. Dieser indirekte Nutzen
sollte daher die Festsetzung der parlamentarischen Entschädigung nicht beein-
flussen.
2. Internationale
Vergleichselemente
Es ist nicht die Aufgabe der vorliegenden Arbeit, einen systematischen internatio-
nalen Vergleich anzustellen. Wir beschränken uns hier darauf, einige Schlussfolge-
rungen der Fachliteratur zur parlamentarischen Entschädigung, zu den Arbeitsbe-
dingungen und zum Status des Parlamentsmitgliedes wiederzugeben.
2.1. Aufwandentschädigung
In den meisten Ländern wird die Entschädigung der Parlamentsmitglieder auf der
Grundlage der Entlöhnung anderer Staatsfunktionen berechnet. Als Vergleichswert
dient der Lohn von Chefbeamten, der Durchschnittslohn aller Staatsangestellten
oder der Ansatz einer bestimmten Funktion im Staat. In einigen Ländern verwendet
man den landesweiten Durchschnittslohn als Berechnungsgrundlage.
Das durch die Entschädigung begründete Anreizsystem besteht, abweichend von
der schweizerischen Regelung, meist aus einem Normallohn, der im Falle von un-
begründeten Absenzen bei Plenums- oder Kommissionssitzungen entsprechende
Kürzungen erfährt.
15
2.2. Spesenentschädigungen
Spesenvergütungen werden in den meisten Ländern (wie auch in der Schweiz für
die meisten Entschädigungen) als Pauschalbetrag direkt an den Parlamentarier
entrichtet. Davon abweichende Regelungen bestehen z.B. in Belgien, wo die Frak-
tionen über die Verwendung der Aufwandentschädigung entscheiden, oder in Ös-
terreich (Vergütung nur auf Grundlage der effektiven Ausgaben).
15
Van der Hulst, Marc: „Le mandat parlementaire“, Union Interparlementaire, Genève, 2000