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Die schweizerischen Parlamentsdienste sind im internationalen Vergleich
personell und finanziell bescheiden ausgestattet.
In der Schweiz sind ferner die Fraktionen finanziell und personell ver-
gleichsweise am schwächsten dotiert. Fraktionsbeiträge in der Schweiz (>1
Mio. Fr. für die stärkste Partei) stehen in keinem Verhältnis zur Parteienfi-
nanzierung in anderen Ländern (z.B. Deutschland: bis zu 200 Mio. pro Par-
tei)
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Tages-Anzeiger, 26.9.2000
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H. Erkenntnisse
Die vorliegenden Aussagen in dieser Untersuchung zeigen folgende Sachzwänge
und Gegebenheiten auf:
1. Generelle
Feststellungen
Der Handlungsbedarf im Bereich der Verbesserung der parlamentari-
schen Entschädigungen und Arbeitsbedingungen ist ausgewiesen.
Die Erwartungen an die Parlamentsmitglieder bezüglich ihrer Kompetenz
und Leistung sind weiter im Steigen begriffen. Eine Stabilisierung dieser
Dynamik ist nicht erkennbar.
Verbesserungen werden primär im Bereich der nicht materiellen Unter-
stützung gefordert. Primär geht es dabei um die administrative Unterstüt-
zung mit dem Ziel, die Parlamentsmitglieder von nicht stufengerechter Ar-
beit zu entlasten.
Neu und von der absoluten Mehrheit der Befragten gewünscht wird eine in-
haltliche Unterstützung der parlamentarischen Arbeit. Dabei geht es um
den Zugang des Parlamentsmitgliedes zu hochqualifizierten, von der Ver-
waltung und Exekutive in fachlicher Hinsicht unabhängigen Personen gene-
ralistisch-wissenschaftlicher Ausprägung.
2. Bestehende
Werte
Parlamentsdienste
Die Leistungsfähigkeit der Parlamentsdienste ist eine der Stärken des heutigen
Systems parlamentarischer Unterstützung. Ein Weiterausbau hat folglich auf die-
sen Werten aufzubauen.
Reformwille
Das Bekenntnis zu Reformen, beziehungsweise die Einsicht, dass die heutigen
Arbeitsbedingungen in Zukunft nicht mehr tolerabel sind, wird von über 80% der
Befragten geteilt und stellen einen weiteren Wert für die Abstützung zukünftiger
Veränderungsstrategien dar.
Schwachstellen des heutigen Systems
Ebenso verbreitet ist aber die Skepsis über die Durchsetzung moderner Lösun-
gen in absehbarer Zeit.
Es ist deshalb zu untersuchen, wie diese Diskrepanz zwischen sachlich begründe-
ter Notwendigkeit und fehlender politischer Verträglichkeit eliminiert werden kann.
Veränderungen
Folgende Bereiche der Veränderung werden von einer grossen Mehrheit der
befragten Parlamentsmitglieder als Schwäche des heutigen Systems bezeichnet:
Mängel der direkten, materiellen Entschädigung
Die Gesamtentschädigung (Grund- und Sachaufwandsentschädigung)
eines Par-
lamentsmitgliedes ist, primär gemessen am Aufwand, aber auch aus der Sicht der
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Opportunitätskosten, im Vergleich zu ähnlichen Tätigkeiten in der Privatwirtschaft
und Verwaltung, nicht angemessen.
Die heutige Entschädigung hat für Personen mit kleineren Einkommen auf
ein mögliches politisches Engagement eine abhaltende Wirkung.
Die heutige ungenügende Entschädigung wirkt sich nachteilig auf eine
breite und unabhängige, nicht interessengebundene Volksvertretung
aus.
Die heutige undifferenzierte Entschädigung ist nicht sozial, die einen
haben diese nicht nötig und kümmern sich dementsprechend wenig
darum, andere sind existenziell darauf angewiesen.
Das aktuelle Entschädigungssystem ist relativ unflexibel und kann der
Geschwindigkeit, der Komplexität und des Volumens der gesellschaftli-
chen und politischen Veränderungen nur ungenügend folgen.
Mängel der organisatorischen Unterstützung
Die nachfolgend beschriebenen Vorschläge zielen darauf ab, das Parlaments-
mitglied von nicht stufengerechter Arbeit zu entlasten und sind im Sinne
eines Weiterausbaus der bestehenden Organisation der Parlaments-
dienste,
der Verstärkung der Fraktionssekretariate sowie
von neu zu schaffendem, den Parlamentsmitgliedern direkt zur Verfü-
gung stehendem, administrativem Sekretariatspersonal
zu verstehen.
Mängel der inhaltlichen, fachdienstlichen Unterstützung
Als grösstes Bedürfnis wird jedoch das Fehlen einer inhaltlich-fachdienstli-
chen Unterstützung der Parlamentsarbeit durch unabhängiges, hochqualifi-
ziertes Personal bezeichnet. Dies mit dem Ziel, durch eine qualitativ hoch ste-
hende wissenschaftliche Unterstützung die Beitragsleistung des Einzelnen zur
parlamentarischen Entscheidfindung zu verbessern (Effizienzsteigerung).
Parlamentarische Prozesse
Die volksdemokratischen und parlamentarischen Prozesse sind mit der heuti-
gen, steigenden Belastung der Parlamentsmitglieder aufs engste verbunden.
Zitat
Parlamentsmitglied:
Das Parlaments-
büro könnte die
Arbeit durch bes-
sere Steuerung
und Terminierung
der Geschäfte er-
leichtern.
Eine Analyse der Problematik der heutigen parlamentarischen Tätigkeit im
Hinblick auf eine Effizienzsteigerung bedarf jedoch einer sorgfältigen Untersu-
chung der bisherigen Entwicklung wie auch der komplexen formellen und in-
formellen Prozesse.
Das Bedürfnis nach einer Verbesserung der Ablaufplanung und des Zeitmana-
gements, nach - mittels modernen, methodisch-didaktischen Methoden organi-
sierten Sitzungen - und einer besseren Vorbereitung der Geschäfte ist jedoch
unbestritten. Dies zeigt sich auch in einer grossen Zahl eingegangener Vorstel-
lungen über die Straffung der parlamentarischen Prozesse.
Strategisches Gesamtkonzept
Das Umfeld parlamentarischer Veränderungen wird geprägt durch
die unterschiedliche, nicht sichtbare und nicht wirklich definierte Vorstel-
lung über die Form des schweizerischen Milizparlamentes,