Die schwachen Verben
Eine Arbeit von
Bettina Frieske
Fidan Öz
Larissa Lorenz
Inhaltsverzeichnis:
Die schwachen Verben 1
1 Kennzeichen schwacher Verben und der Unterschied zu den starken Verben 3
2 Aufbau von schwachen Verben 4
3 Übungsaufgabe 12
4 Lösungen 15
5 Literaturverzeichnis 17
1Kennzeichen schwacher Verben und der Unterschied zu den starken Verben
In der Linguistik unterscheidet man zwischen den starken und den schwachen Verben. Die starken Verben werden auch Primärverben genannt, im Sinne von ursprünglich und nicht abgeleitet. Sprachhistorisch stammen sie aus dem alten indogermanischen Sprachstand. Die schwachen Verben werden auch als Sekundärverben bezeichnet, die „nominale oder verbale Ableitungen jüngerer Zeit“ sind.1 Der Unterschied zwischen den starken und den schwachen Verben liegt in der Bildung des Präteritums 2, sodass die starken und schwachen Verben zwei Flexionsklassen bilden (in denen alle Lexeme aufgeführt werden, „die ihr Paradigma nach dem gleichen Bildungsprinzip aufbauen“3), die unterschiedliche Flexionsregeln beinhalten. Bei den schwachen Verben wird die “additive Flexionsregel“ angewandt, die „zu einer Vermehrung der phonologischen Substanz“ führt.4 D.h., dass die schwachen Verben die Präteritalform vor allem durch die Suffixflexion in Form eines Dentalsuffixes (-t-) bilden, während die starken Verben die Präteritalform durch die Wurzelflexion mit einem Ablaut hervorbringen.5
Die Bezeichnung „schwache“ Verben geht auf Jakob Grimm zurück, der sie so nannte, „weil sie in ihrer Überzahl aus starken Verben oder Nomina hergeleitet sind“6 und weil sie ihre „Tempusstämme nicht aus sich selbst bilden“7 können, wie es die starken Verben tun. Das Germanische teilt die schwachen Verben in vier Klassen auf, denen eine bestimmte Aktionsart zugeordnet ist und die regelmäßig ein Dentalpräteritum und Dentalpartizip des Präteritums bilden.8
Inhaltsverzeichnis
Schwache Verben
|
Starke Verben
|
„gleichbleibender (oder umgelauteter, nicht ablautender!) Stammvokal“9
|
„verwenden zu ihrer Formbildung den Ablaut des Wurzelvokals“10
|
„drei Tempus-Stammformen: Präsens – Präteritum – Partizip Präteritum“11, „bilden damit einen Verbalstamm, der durch alle Formen hindurchgeht“12
|
„haben keinen durchgehenden Verbalstamm, lediglich die Wurzel ist allen Formen gemeinsam.“13
|
„Bildung des Präteritums und des Partizip Präteritum durch Dentalsuffix (nicht durch Ablaut)“14
|
„bilden ihr Präteritum mit Hilfe des Wurzelvokalablautes ohne ein besonderes Präteritalsuffix“15 und „benutzen zur Bildung des Partizip Präteritums ein n-Suffix“16
|
sehr produktiv aufgrund des additiven Bildungsprinzipes17
|
eher unproduktive Flexionsklasse18
|
2Aufbau von schwachen Verben
Anhand der Präteritumformen lassen sich die Verben antlingōn, fastēn, hungiren und araugen als Beispiel vergleichen. Die Flexionsendung der Verben ist bei allen Formen -ta. „Die zum Teil durch Präfixe erweiterten Grundmorpheme heißen antling-, fast-, hungir- und araug-„19. Zwischen dem Grundmorphem und der Flexionsendung befindet sich jeweils ein anderes Element.
Die einzelnen Bestandteile der Wortformen werden folgendermaßen bezeichnet:
Inhaltsverzeichnis
Wurzel
( = Grundmorphem, z.T. mit Präfix
|
Stammvokal
Bindevokal
Themavokal
(= Wortbildungsmorphem)
|
Dental-Suffix
|
Flexionsendung
( = Flexionsmorphem)
|
Stamm
|
|
|
ant-ling-
|
-ō-
|
-t-
|
-a
|
fast-
|
-é-
|
-t-
|
-a
|
hungir-
|
-i-
|
-t-
|
-a
|
ar-aug-
|
-ø-
|
-t-
|
-a
|
(Quelle: Rolf Bergmann und Peter Pauly: Alt- und Mittelhochdeutsch. S. 35)
„Die auf die Grundmorpheme folgenden Vokale sind die Suffixe (Ableitungsmittel) der schwachen Verben“20. Vom Substantiv fasta ist mit Hilfe des ē-Suffixes das schwache Verb fastēn abgeleitet worden. Vom Substantiv wuntar ist mit Hilfe des ó-Suffixes das schwache Verb wuntarōn abgeleitet. Im Hinblick auf ihre Infinitivendung bezeichnet man sie als ōn- und -ēn- Verben. Die Suffixvokale ō und ē werden auch als Bindevokale, Themavokale oder Stammvokale bezeichnet. Sie sind in sämtlichen Flexionsformen dieser Verben enthalten, wodurch sich diese Formen zu den –ōn- und -ēn- Verben zuordnen lassen. Die Infinitivformen von hungirita und araugta lauten hungiren und araugen. Aufgrund dieser Endungsgleichheit im Infinitiv werden die Verben im Präteritum –i- und -ø-(= Nullelement) einer Klasse zugewiesen. Die Infinitivendung –en ist durch Abschwächung aus voralthochdeutsch -ja-n entstanden. Nach dieser Endung des Suffixes wird diese Klasse der schwachen Verben als –jan- Verben bezeichnet. „Das j des Suffixes erscheint zwischen Konsonanten als i und ist in dieser Form bei einer Gruppe der -jan- Verben im Präteritum erhalten (hungir-i-ta), bei einer anderen Gruppe dagegen weggefallen (araug-ta)“21. Das Fehlen eines vorhandenen Elements wird durch das Nullzeichen ausgedrückt, wie z.B. araug-ø-ta. Die –jan-Verben werden nach diesen zwei Formen des i im Präteritum in zwei Unterklassen unterteilt, danach ob das i im Präteritum erhalten ist oder nicht. Der Vokal i ist in der Regel nach kurzer Wurzelsilbe erhalten (z.B. ahd. nerian - nerita) und nach langer Wurzelsilbe weggefallen (z.B. vorahd. hôrjan/ ahd hôren – hôrta) Wurzelsilben gelten als lang, wenn sie einen Langvokal oder Diphthong enthalten, auf mehrfache Konsonanz ausgehen oder mehrsilbige Wurzeln haben.
Inhaltsverzeichnis
Es lassen sich somit drei Verbklassen der schwachen Verben unterscheiden, die -jan-, -ōn-, und -ēn-Verben.
2.1Flexionsformen der schwachen Verben im Althochdeutschen
Die Flexion der –jan-Verben stimmt im Präsens Indikativ und Konjunktiv mit der Flexion der starken Verben überein. Es heißt beispielsweise: ih zellu, dū zelis, er zelit ...
„Die –ōn- und -ēn- Verben haben außer in der 1. Person Singular Indikativ Präsens ebenfalls dieselben Endungen, denen jeweils die charakteristischen Suffixvokale ō und ē vorausgehen“22. Es heißt z.B. dū salbōs, habēs. Die 1. Person besitzt dagegen eine eigene Endung auf –n, wo ebenfalls der Suffixvokal vorausgeht. Im Präsens Konjunktiv haben alle schwachen Verben den charakteristischen Vokal ē, der aber nach den Suffixvokalen ē oder ō wegfallen kann. Es heißt beispielsweise salbōs statt salbōēs oder habēs statt habēēs. Die drei schwachen Verbklassen haben im Präteritum Indikativ und Konjunktiv die gleichen Endungen. Im Indikativ Präteritum lauten sie: ta, -tōs, -ta, tun, -tut –tun. „Im Konjunktiv Präteritum steht als Moduskennzeichen durchgehend der Endungsvokal ī, der im Auslaut zu i gekürzt wird: -ti, tīs, tīmés, -tīt, - tīn“23.
2.2Semantische Funktionen der Suffixe –jan, -ōn, -ēn
Ein Vergleich zwischen den Bedeutungen von schwachen Verben mit den Bedeutungen der Wörter, von denen sie abgeleitet sind, führt zu folgendem Ergebnis:
trenken
|
´tränken´
|
trinkan
|
´trinken´
|
leiten
|
´führen´
|
līdan
|
´fahren´
|
fuoren
|
´führen´
|
faran
|
´gehen´
|
tuomen
|
´urteilen´
|
tuom
|
´Úrteil´
|
heilen
|
´heilen´
|
heil
|
´gesund´
|
salbōn
|
´salben´
|
salba
|
´Salbe`
|
lobōn´
|
´loben´
|
lob
|
´Lob`
|
dankōn
|
´danken´
|
dank
|
´Dank´
|
mihhilōn
|
´preisen´
|
mihhil
|
´groß´
|
heilēn
|
´heil werden´
|
heil
|
´gesund´
|
fūlēn
|
´faulen´
|
fūl
|
´faul
|
(Quelle: Rolf Bergmann und Peter Pauly: Alt- und Mittelhochdeutsch. S. 38)
Inhaltsverzeichnis
„Die Umschreibung der Bedeutung der abgeleiteten Wörter unter Verwendung der Bedeutung der zugrundeliegenden Wörtern“24 führt zu drei Bedeutungsspektren der schwachen Verben:
1. Die -jan-Verben ersetzen in vielen Fällen eine Umschreibung mit „machen“.
Beispiel: „tränken“ = trinken machen.
Verben mit dieser Bedeutungsverschiebung bezeichnet man als Faktitiva oder auch
Kausativa. Faktitiva kommt vom lateinischen Wort „facere“, was machen bedeutet.
2. Die –ōn-Verben können häufig durch „versehen mit“ wiedergegeben werden.
Beispiel: „loben“ = mit Lob versehen.
Diese Verben bezeichnet man als Ornativa, was vom lateinischen Wort „ornare“ abgeleitet ist, und schmücken bedeutet.
3. Die -ēn-Verben werden oft mit „werden“ umschrieben.
Beispiel: „heil werden“ = gesund
werden.
Diese Verben nennt man Inchoativa, das vom lateinischen „inchoare“ abgeleitet ist.
Dieses Wort wird mit anfangen übersetzt, und bezeichnet den Beginn eines Prozesses.
2.3Unterschied zwischen den schwachen Verben im Althochdeutschen und im Mittelhochdeutschen
Der Vergleich zwischen den althochdeutschen und mittelhochdeutschen Flexionsformen der schwachen Verben „zeigt Abschwächungen der Nebensilbenvokale und Verkürzungen von Endungen“25. Diese Abschwächungen sind besonders bei den althochdeutschen Verben auf -ōn und auf -ēn der durchgehenden Langvokale –ō und –ē in den Endungen deutlich.
Beispiel:
salbōn
|
salben
|
lebēn
|
leben
|
er salbōt
|
salbet
|
er lebēt
|
leb(e)t
|
er salbōta
|
salb(e)te
|
er lebēta
|
leb(e)te
|
Inhaltsverzeichnis
Abgeschwächt hat sich auch das -j- der jan-Verben zum zurückgehenden -i-. Das -j- ist bei den -jan-Verben zwar im Mhd. nicht mehr vorhanden, hat jedoch bei den umlautfähigen Stämmen im Infinitiv und Präsens einen Umlaut bewirkt. Im Präteritum hat die Stammform /j/ keinen Begleitvokal und wird im Germanischen zu -i- vokalisiert. „Diese Stammform –i- bleibt im Präteritum der kurzwurzligen jan-Verben zwischen der Wurzel und Dentalsuffix erhalten, und bewirkt dadurch einen Umlaut“26
Da bereits im Althochdeutschen das Suffix germ. –ja zu ahd. –e geworden ist und infolge der allgemeinen Endsilbenabschwächung im Mittelhochdeutschen auch ahd. –ô und –ê im Mhd. zum farblosen –e abgeschwächt sind, lässt sich die Einordnung der schwachen Verbklassen kaum noch unterscheiden.
Diese Endsilbenabschwächung führt außerdem zu einer Veränderung der Klasseneinteilung. Die drei althochdeutschen schwachen Verbklassen auf –en, -ōn und –ēn fallen in einem Verbtyp mit –en im Infinitiv zusammen. Nur die rückumlautenden –jan- Verben, d.h. eine Unterklasse der ahd. schwachen Verben auf –en, bleiben im Mittelhochdeutschen von den übrigen Verben getrennt. Diese Untergruppe der -jan-Verben hat sich im Verhältnis zum Althochdeutschen durch die Durchsetzung des Umlautes im Präsens bei allen umlautfähigen Vokalen vergrößert. Dadurch gibt es im Mittelhochdeutschen bei relativ vielen Verben eine Parallele:
-
kuste
|
küssen
|
hôrte
|
hoeren
|
wânte
|
waenen
|
gruozte
|
grüezen
|
troumte
|
tröumen
|
Im Neuhochdeutschen sind die Parallelen umgelauteter (tröumen) und nicht-umgelauteter Formen (troumte) vom Typ träumen – träumte in den meisten Fällen zugunsten des Umlautes ausgeglichen worden: träumen – träumte. „Nur bei einer kleinen Gruppe von Verben ist ein Nebeneinander von Umlaut -e im Präsens und nicht- umlautenden Vokal a im Präteritum im Neuhochdeutschen erhalten: kennen- kannte, rennen, wenden, senden“27.
Inhaltsverzeichnis
Die erste Âventiure des Nibelungenlied enthält eine Vielzahl von Präteritumsformen, die in der Zuordnung zu ihren Infinitiven zwei Klassen besitzt, von denen eine wiederum zwei Unterklassen hat.
„Klasse I der schwachen Verben hat im Präteritum denselben Wurzelvokal wie im Infinitiv und im Präsens“28:
wonten gehört zu wonen
diente gehört zu dienen
sagete gehört zu sagen
lebte gehört zu leben
(Quelle: Rolf Bergmann und Peter Pauly: Alt- und Mittelhochdeutsch. S.85)
Die beiden Unterklassen dieser Klasse unterscheiden sich voneinander, „ob zwischen dem Grundmorphem des Verbs und der Präteritalendung ein Bindevokal –e- steht oder nicht“29. Eine strenge Verteilungsregel gibt es nicht, allenfalls eine Tendenz: Demnach tritt nach kurzer Wurzelsilbe häufig der Bindevokal auf, während er nach langer Wurzelsilbe häufig fehlt.
Beispiel: sag-e-te oder dien-te.
Lange Wurzelsilben kommen vor, wenn der Vokal in der Wurzelsilbe ein Langvokal oder auch ein Diphthong ist (wie z.B. bei diente), und wenn die Wurzelsilbe auf mehrfache Konsonanz endet oder mehrsilbig ist. Die Formen lebeten oder woneten30 passen beispielsweise nicht zu dieser Regel, da man auch die besonderen Verhältnisse einer Versdichtung berücksichtigen muss.
Die Klasse II der schwachen Verben hat im Präteritum einen umlautlosen Wurzelvokal, während hingegen im Infinitiv und im Präsens ein Umlaut vorkommt: tröumen – troumte.
Diese Verben treten immer ohne Bindevokal auf. „Das Nichtauftreten des Umlautes im Präteritum umlautender schwacher Verben heißt Rückumlaut“31. Die schwachen Verben der Klasse II werden deshalb rückumlautende Verben genannt.
Inhaltsverzeichnis
|
Klasse I
ohne Rückumlaut
|
Klasse II
mit Rückumlaut
|
mit Bindevokal
|
ohne Bindevokal
|
Ohne Bindevokal
|
Infinitiv
Präteritum
|
sagen
sag-e-te
|
dienen
dien-te
|
tröumen
troum-te
|
(Quelle: Rolf Bergmann und Peter Pauly: Alt- und Mittelhochdeutsch. S. 86)
2.5Die Flexionsformen der schwachen Verben im Mittelhochdeutschen
Die Flexion der schwachen Verben im Mhd. ist in beiden Klassen gleich. „Die Endungen des Indikativ Präsens stimmen mit den Endungen der starken Verben überein: -e, -est, -et, -en, -et, -ent“32.
„Im Konjunktiv Präsens unterscheiden sich nur die Formen der 3. Person im Singular und im Plural vom Indikativ“33:
3. Pers. Sing. Ind. Präs. er leb(e)t - Konj. er lebe
3. Pers. Plur. Ind. Präs. sie lebent - Konj. sie leben
Im Präteritum sind die Endungen der schwachen Verbformen im Indikativ und im Konjunktiv gleich: -te, -test, -te, -ten, -tet, -ten.
2.6Bildung des Präsens der schwachen Verben
Das Präsens der schwachen Verben wird, genau wie das der starken Verben, im Indikativ mit Primärendungen und im Optativ mit Sekundärendungen gebildet. „Ihrer Präsensbildung nach zerfallen die schwachen Verben ursprünglich in drei Klassen, der jan, ôn und ên-Verben, wobei dieser Unterschied im Mhd. größtenteils beseitigt ist“34. „Bei den -jan-Verben hat das j des stammbildenden Suffix´ bzw. das i einen Umlaut des Wurzelvokals im ganzen Präsens bewirkt,
Inhaltsverzeichnis
z.B. ich hoere, wir hoeren“35. Die ôn-, ên-Verben haben immer unumgelautete Formen, wie z.B.
ich salbe, wir salben. Das Partizip Präsens und der Infinitiv sind dem starken Verb entsprechend gebildet.
Präteritum:
Indikativ: Konjunktiv:
mhd. ahd. mhd.
Sg. 1. salb-e-te salb-ô-ta Sg. 1. salb-e-te
2. salb-e-test salb-ô-tôst 2. salb-e-test
3. salb-e-te salb-ô-ta (usw. = Indikativ)
Pl. 1. salb-e-ten salb-ô-tum ahd.
2. salb-e-tet salb-ô-tut Sg. 1. salb-ô-ti
3. salb-e-ten salb-ô-tun 2. salb- ô-tîst usw.
(Quelle: Dr. Helmut de Boor/ Roswitha Wisniewski: Mittelhochdeutsche Grammatik. S.134)
„Die Bildung des schwachen Präteritums mit einem Dentalsuffix ist eine Neuschöpfung des Germanischen“36. Damit wird das Dentalsuffix kennzeichnend für die Präteritalformen der schwachen Verben. Seine Entstehung ist nicht eindeutig geklärt, aber der Indogermanist Franz Bopp nahm bereits vor über 100 Jahren an, dass sich der präsentische Verbstamm mit der Präteritalform des idg. Verbs „tun“ zusammensetzt37 und durch die Enklise zum Präteritalsuffix geworden ist.38 Diese Annahme gilt auch heute noch als sehr wahrscheinlich.
Inhaltsverzeichnis
3Übungsaufgabe 3.1Übungsaufgabe zu althochdeutschen Texten
Bestimmen Sie die Klassen der schwachen Verben im Text Tatian 12,1-9 [Semi-
narmaterial 4-3(Ü)] mithilfe der Übersicht über die schwachen Verben [Seminarmaterial 4-2].
3.2Tatian 12,1-9
1. Ther kneht uuārlīcho 4. Uuard thō, after thrīn tagun
vvuohs inti strangēta fol spāhi- fundun inan in themo temple
du, inti gotes geba uuas in imo, sizzantan untar mittēn thēn lērārin,
inti fuorun sīne eldiron giiāro in hōrantan thie inti frāgēntan.
Hierusalem in itmālemo tage
ōstrōno. 5. Arquāmun thō alle thie inan
gihōrtun ubar sīnan uuīstuom
2. Inti mit thiu her uuard gi- inti sīn antvvurti, inti sehente vvuntorōtun.
uuortan zuelif iāro, in ūfstīgan-
tēn zi Hierusalem after thero 6. Thō quad sīn muoter zi imo:
giuuonu thes itmālen tages, “sun, ziu tāti thū uns sō? ih inti
gifultēn tagun mit thiu sie heim thīn fater sērēnte suohtumēs thih.“
vvurbun, uuonēta ther kneht
Heilant in Hierusalme, inti ni 7. Inti her quad zi in: “ uuaz ist
forstuontun thaz sīne eldiron. thaz ir mih suohtut?
3. Uuāntun in uuesan in thero
samantferti, quāmun eines tages
uueg inti suohtun inan untar
sīnen māgun inti sīnen kundon
inti inan ni findanti fuorun
uuidar zi Hierusalem inan suo-
chenti.
Inhaltsverzeichnis
3.3Übersicht über die schwachen Verben im Althochdeutschen
-jan
|
-ōn
|
-ēn
|
Infi-
nite
For-
men
|
Inf.
Part.
Präs.
Part.
Prät.
|
zellen
zellenti
gizelit
|
suochen
suochenti
gisuochit
|
salbōn
salbōnti
gisalbōt
|
habēn
habēnti
gihabēt
|
Finite
For-
men:
Präs.
Ind.
|
Sing.
|
1. ih zellu
2. dū zelis
3. er zelit
|
suochu
suochis
suochit
|
salbōn
salbōs
salbōt
|
habēn
habēs
habēt
|
Plur.
|
1. wir zellemēs
2. ir zellet
3. sie zellent
|
suochemēs
suochet
suochent
|
salbōmēs
salbōt
salbōnt
|
habēmēs
habēt
habēnt
|
Präs.
Konj.
|
Sing.
|
1. ih zelle
2. dū zellēs
3. er zelle
|
suoche
suochēs
suoche
|
salbōe
salbōēs
salbōe
|
habēe
habēēs
habēe
|
Plur.
|
1. wir zellemēs
2. ir zellēt
3. sie zellēn
|
suochemēs
suochēt
suochēn
|
salbōēmēs
salbōēt
salbōēn
|
habēēmēs
habēēt
habēēn
|
Prät.
Ind.
|
Sing.
|
1. ih zelita
2. dū zelitōs
3. er zelita
|
suohta
suohtōs
suohta
|
salbōta
salbōtōs
salbōta
|
habēta
habētōs
habēta
|
Plur.
|
1. wir zelitun
2. ir zelitut
3. sie zelitun
|
suohtun
suohtut
suohtun
|
salbōtun
salbōtut
salbōtun
|
habētun
habētut
habētun
|
Prät.
Konj.
|
Sing.
|
1. ih zeliti
2. dū zelitīs
3. er zeliti
|
suohti
suohtis
suohti
|
salbōti
salbōtis
salbōti
|
habēti
habētis
habēti
|
|
Plur.
|
1. wir zelitīmēs
2. ir zelitīt
3. sie zelitīn
|
suohtīmes
suohtīt
suohtīn
|
salbōtīmēs
salbōtīt
salbōtīn
|
habētīmēs
habētīt
habētīn
|
Imp.
|
Sing.
| -
zeli
|
suochi
|
salbo
|
habe
|
UebungTatian
Inhaltsverzeichnis
3.4Das Nibelungenlied, 1. Âventiure39
Bestimmen Sie die Klassen der schwachen Verben im Textabschnitt aus dem Nibelungenlied mithilfe der Übersicht zu den schwachen Verben im Mittelhochdeutschen.
1. Uns ist in alten mæren wunders vil geseit
von heleden lobebæren, von grôzer arebeit,
von fröuden, hôchgezîten, von weinen und von klagen,
von küener recken strîten muget ir nu wunder hœren sagen.
[…]
3. Der minneclîchen meide triuten wol gezam.
ir muoten küene recken, niemen was ir gram
âne mâzen schœne sô was ir edel lîp.
der juncvrouwen tugende zierten ándériu wîp.
4. Ir pflâgen drîe künege edel unde rîch,
Gunther unde Gêrnôt, die recken lobelîch,
und Gîselher der junge, ein ûz erwelter degen.
diu frouwe was ir swester, die fürsten hetens40 in ir pflegen.
5. Die herren wâren milte, von arde hôhe erborn,
mit kraft unmâzen küene, die recken ûz erkorn.
dâ zen Búrgónden sô was ir lant genant.
si frumten starkiu wunder sît in Étzélen lant.
[...]
8. Die drîe künege wâren, als ich gesaget hân,
von vil hôhem ellen. in wâren undertân
ouch die besten recken, von den man hât gesaget,
stárk únd vil küene, in scarpfen strîten unverzaget.
9. Daz was von Tronege Hagene und ouch der brouder sîn,
Dancwart der vil snelle, von Metzen Ortwîn,
die zwêne marcgrâven Gêre und Ekkewart,
Volkêr von Alzeye, mit ganzem ellen wol bewart.
[...]
13. In disen hôhen êren tróumte Kriemhíldè,
wie si züge einen valken, starc,scœ´n’ und wíldè,
den ir zwêne arn erkrummen. daz si daz muoste sehen,
ir enkúnde in dirre werlde leider nímmér gescehen.
Inhaltsverzeichnis
14. Den troum si dô sagete ir muoter Úotén.
sine kúndes41 niht besceiden baz der gúotèn:
“der valke, den du ziuhest, daz ist ein edel man.
in welle got behüeten42, du muost in sciere vloren hân.”
[...]
18. Kriemhilt in ir muote sich minne gar bewac.
sît lebte diu vil guote vil manegen lieben tac,
daz sine wesse niemen, den minnen wolde ir lîp.
sît wart si mit êren eins vil küenen recken wîp.
3.5Übersicht zu den schwachen Verben im Mittelhochdeutschen Infinitiv: hoeren
Präsens
|
Präteritum
|
Indikativ
| -
Sg.ich hoere Pl.wir hoeren
-
Sg.du hoerest Pl.ihr hoeret
-
Sg.er hoeret Pl.sie hoerent
|
hôrte hôrten
hôrtest hôrtet
hôrte hôrten
|
Konjunktiv
| -
Sg.ich hoere Pl.wir hoeren
-
Sg.du hoerest Pl.ihr hoeret
-
Sg.er hoere Pl.sie hoeren
|
hôrte hôrten
hôrtest hôrtet
hôrte hôrten
|
Partizip
|
hoerende
|
gehoeret, gehôrter
|
Imperativ
|
Singular: hoere
Plural: hoeret
|
4Lösungen 4.1Zu Tatian 12, 1-9
Strophe 1,2: strangēta - 3. Person Singular Indikativ Präteritum des schwachen Verbs strangēn; Verbklasse: -ēn-Verben (wegen des Bindevokals ē).
Strophe 2,6: uuonēta - 3. Person Singular Indikativ Präteritum des schwachen Verbs wonēn; Verbklasse: -ēn-Verben (wegen des Bindevokals ē).
Strophe 3,1: uuāntun - 3. Person Plural Indikativ Präteritum des schwachen Verbs wānen; Verbklasse: -jan-Verben mit langer Wurzelsilbe (ohne Bindevokal).
Strophe 3,3: suohtun - 3. Person Plural Indikativ Präteritum des schwachen Verbs suohhen; Verbklasse: -jan-Verben mit langer Wurzelsilbe (ohne Bindevokal).
Inhaltsverzeichnis
Strophe 5,2: gihōrtun – 3. Person Plural Indikativ Präteritum des schwachen Verbs gihōren ; Verbklasse: -jan-Verben (ohne Bindevokale ).
Strophe 5,3: vvuntorōtun – 3. Person Plural Indikativ Präteritum; Verbklasse: -ōn-Verben (wegen des Bindevokals ō).
Strophe 7,2: suohtut – 2. Person Plural Indikativ Präteritum des schwachen Verbs suohhen; Verbklasse: -jan-Verben (ohne Bindevokal).
UebungTatian
4.2Zum Nibelungenlied 1. Âventiure
Strophe 1,1: geseit - Partizip Präteritum des schwachen Verbs sagen: gesaget > kontrahiert zu geseit..
Strophe 1, 4: sagen – Infinitiv.
Strophe 3,1: muoten – 3. Person Plural Indikativ Präteritum des schwachen Verbs muoten (begehren); verkürzt aus muo[te]ten.
Strophe 3,4: zierten – 3. Person Plural Konjunktiv Präteritum des schwachen Verbs zieren (sich preisen, schmücken, verzieren), Bestimmung als Konjunktiv nicht an der Form erkennbar, aber aus dem Kontext zu entnehmen (,hätten [auch] andere Frauen geschmückt`).
Strophe 5,3: genant – Partizip Präteritum des schwachen Verbs nennen (nennen, erwähnen).
Strophe 8,1 u. 3: gesaget – Partizip Präteritum des schwachen Verbs sagen.
Strophe 9,4: bewart – 3. Person Singular Präsens des schwachen Verbs bewarnen (acht geben auf, sorgen für, bewahren). Partizip Präteritum bewern
Strophe 13,1: tróumte –3. Person Singular Indikativ Präteritum des schwachen Verbs troumen, tröumen (träumen).
Strophe 13,3: muoste -3. Person Singular Indikativ Präteritum des schwachen Verbs müezen (müssen).
Strophe 14,1: sagete – 3. Person Singular Indikativ Präteritum des schwachen Verbs sagen.
Strophe 18,2: lebte – 3. Person Singular Indikativ Präteritum des schwachen Verbs leben (leben, erleben, sich benehmen).
UebungNibelungenlied
Inhaltsverzeichnis
5Literaturverzeichnis
Bartsch, Karl, Boor, Dr. Helmut de (Hg): Das Nibelungenlied. 22. Auflage. F.A. Brockhaus. Mannheim. 1988.
Bergmann, Rolf; Pauly, Peter: Alt- und Mittelhochdeutsch. Arbeitsbuch zur Grammatik der älteren deutschen Sprachstufen und zur deutschen Sprachgeschichte. 4. Auflage/ bearbeitet von Rolf Bergmann und Claudine Moulin-Frankhänel. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1993.
Boor, Dr. Helmut de; Wisniewski, Dr. Roswitha: Mittelhochdeutsche Grammatik. 10. Auflage in Zusammenarbeit mit Helmut Beifuss. Berlin/ New York: Walter de Grugter 1998.
Helm, Karl: Abriß der mittelhochdeutschen Grammatik. 3. Auflage. Bearbeitet von Ernst A. Ebbinghaus. Tübingen: Max Niemeyer Verlag 1966.
Schweikle, Günther: Germanisch-deutsche Sprachgeschichte im Überblick. J.B. Metzlersche Verlagsbuchhandlung. Stuttgart.
Sonderegger, Stefan: Grundzüge deutscher Sprachgeschichte. Diachronie des Sprachsystems. Band I Einführung – Genealogie – Konstanten. Walter de Gruyter Verlag. Berlin, New York. 1979.
Theobald, Elke: Sprachwandel bei deutschen Verben. Flexionsklassenschwankungen starker und schwacher Verben.Gunter Narr Verlag. Tübingen. 1992.
Tschirch, Fritz: Grundlagen der Germanistik. Geschichte der deutschen Sprache. I. Die Entfaltung der deutschen Sprachgestalt in der Vor- und Frühzeit. Erich Schmidt Verlag.
Weddige, Hilkert: Mittelhochdeutsch. Eine Einführung. München: C.H: Beck 1996.
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