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2.3. Infrastruktur
In den meisten Ländern steht den Parlamentariern ein persönliches Büro im Par-
lamentsgebäude zur Verfügung, in einigen Ländern zusätzlich auch eines in ihrem
Wahlkreis.
2.3.
Administrative und inhaltliche Unterstützung
Während sich die Parlamente noch vor 15 Jahren vor allem auf die Parlaments-
dienste abstützten, ermöglichen die meisten nationalen Parlamente ihren Mitglie-
dern heute die Anstellung von persönlichen AssistentInnen.
Ein Vorteil ist dabei, dass diese AssistentInnen nicht neutral sein müssen, sondern,
auch aufgrund ihrer politischen Ausrichtung, individuell ausgewählt werden kön-
nen. So hat z.B. in Australien jeder Parlamentarier Anrecht auf drei AssistentInnen,
die ausdrücklich nicht für die Partei arbeiten dürfen, sondern ausschliesslich dem
betreffenden Parlamentsmitglied zur Verfügung stehen.
In Deutschland gibt es vier Gruppen von AssistentInnen: StenotypistInnen, Sekre-
tärInnen, SachbearbeiterInnen und wissenschaftliche MitarbeiterInnen. Sie werden
etwa zur Hälfte im Wahrkreis und in der Hauptstadt eingesetzt.
16
3.
AssistentInnen, admin. SekretärInnen - Vergleich mit
Österreich
Interessant ist der Vergleich mit unserem Nachbarland Österreich. Während die
Arbeitsbedingungen der österreichischen Nationalratsabgeordneten bis Ende der
80er Jahre in etwa denjenigen ihrer KollegInnen in der Schweiz entsprachen, habe
sich ihre Arbeitsbedingungen seither stetig verbessert.
17
Zu den Neuerungen gehö-
ren der Ausbau des Informationssystems der Parlamentsdirektion, die für alle Ab-
geordneten und Fraktionen tätig ist, und die Bereitstellung von Büros für alle Man-
datsinhaberInnen. Seit 1992 können Österreichs Nationalratsabgeordnete auch
persönliche MitarbeiterInnen anstellen, deren Gehalt aus Budgetmitteln bezahlt
wird. Das entsprechende „Parlamentsmitarbeitergesetz“ wurde einstimmig von
allen Fraktionen beschlossen.
Eine im Jahr 2000 erfolgte schriftliche Befragung der Parlamentsmitglieder zeigte,
dass die politische Nähe zu den Abgeordneten Ausgangspunkt für die Rekrutie-
rung und generell eine Voraussetzung für die Tätigkeit als Parlamentsmitglieder ist.
Der Grossteil der parlamentarischen MitarbeiterInnen wird primär für Sekretari-
atsaufgaben eingesetzt. Generell entlasten sie somit Abgeordnete im administrati-
ven Bereich, sind aber nicht direkt in legislative Arbeiten involviert. Rund ein Drittel
der ParlamentsmitarbeiterInnen kann als „ExpertInnen“ bezeichnet werden, da sie
die Abgeordneten auch im inhaltlichen Bereich bei parlamentarischen Aufgaben
unterstützen.
Die Installierung der ParlamentsmitarbeiterInnen hatte zum Ziel, die Qualität der
parlamentarischen Arbeit zu heben. Konnte dieses Ziel in Österreich erreicht wer-
den? Die Daten der zitierten Befragung zeigen, dass die Abgeordneten ihre Mitar-
beiterInnen in erster Linie für organisatorische Arbeiten benötigen. Hier können die
ParlamentsmitarbeiterInnen die Abgeordneten entlasten. Im inhaltlichen Bereich
wird die Unterstützung als geringer eingeschätzt, weshalb die diesbezüglichen
Vorteile der privilegierten Abgeordneten vielleicht geschmälert, aber nicht aufge-
hoben sind. Eindeutig gestiegen seit der Einführung der ParlamentsmitarbeiterIn-
16
Burmeister Kerstin, „Die Professionalisierung der Politik“, Berlin, Duncker und Humlot, 1993
17
Dolezal Martin, „ExpertInnen oder SekretärInnen ? Die Rolle der parlamentarischen MitarbeiterInnen der Nati-
onalratsabgeordneten“ in „Österreichische Zeitschrift für Politikwissenschaft“, Vol. 29, Nr. 2 , Wien, 2000
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nen ist die Anzahl der Presseaussendungen: die Parlamentsmitglieder nutzen die
neue Ressource somit auch für eine verstärkte Öffentlichkeitsarbeit.
Eine Anstellung als ParlamentsmitarbeiterIn könnte in gewissen Fällen auch zu
einem Sprungbrett für eine politische Karriere werden, wie dies in den U.S.A. be-
reits der Fall ist (1980 waren 14% der Kongressabgeordneten ehemalige persönli-
che MitarbeiterInnen von Abgeordneten).
4.
Weitere Anrechte von Parlamentsmitgliedern
Einige Länder stellen den nicht in der Hauptstadt ansässigen Parlamentsmitglie-
dern weitere Einrichtungen zur Verfügung:
Dienstwohnungen (z.B. Norwegen, Türkei), Dienstwagen (Australien), Leibwächter
(meist jedoch auf die Ratspräsidenten beschränkt).
Weitere Anrechte umfassen Sprach- und Informatikkurse, Kinderkrippen (Skandi-
navische Länder), oder eine Abgangsentschädigung.
5. Unvereinbarkeiten
Obwohl in manchen Ländern Unvereinbarkeiten zwischen gewissen privaten Ge-
schäftstätigkeiten und der Parlamentsfunktion bestehen, bleibt dies bis heute die
Ausnahme. Man geht davon aus, dass eine private Geschäftstätigkeit die Unab-
hängigkeit der Parlamentsmitglieder wenig beeinträchtigt.
Die Interparliamentary Union beobachtet jedoch eine Tendenz zur „Moralisierung“
des politischen Lebens im allgemeinen und des parlamentarischen Lebens im Be-
sonderen: Auf den Vertrauensverlust der Bevölkerung gegenüber den Parlamenten
stellt die Verbreitung von Vermögensdeklarationen, Verhaltenskodexen, die obliga-
torische Offenlegung der Interessenbindungen und die Kontrolle der Parteinfinan-
zierung eine Antwort dar.
6.
Stellung der Schweiz im internationalen Umfeld
Den Schlussfolgerungen der Studie von Brändle und Wiesli
18
gemäss kann grund-
sätzlich festgestellt werden, dass...
die Schweiz das einzige Land ist, in dem die Parlamentsmitglieder weder in
einem Gemeinschaftsraum noch einem separaten Büro über einen eigenen
ständigen Arbeitsplatz verfügen.
in der Schweiz im internationalen Vergleich am
wenigsten individuelle und
kollektive personelle Ressourcen zur Verfügung stehen. Dies gilt für staat-
lich finanzierte persönliche MitarbeiterInnen der Parlamentsmitglieder und
für das Fraktionspersonal.
Die Konsequenz besteht darin, dass die Anstellung von persönlichen Mitar-
beitern umso stärker von den Möglichkeiten des einzelnen Parlamentsmit-
glieds abhängt (Einkommen, Finanzierung durch Drittquellen, wie Verbän-
de, etc.), wodurch die individuellen Ressourcen der Parlamentsmitglieder
ungleich verteilt sind.
Die Entschädigungen der Parlamentsmitglieder sind im internationalen
Vergleich
im Mittelfeld anzusiedeln, wenn man von einem teilzeitlichen
Mandat bzw. einem Arbeitsaufwand von 50 Prozent ausgeht. Die Bewer-
tung hängt allerdings alleine vom veranschlagten Arbeitsaufwand ab (vgl.
den diesbezüglichen Abschnitt im empirischen Teil des vorliegenden Gut-
achtens).
18
Brändle, Michael und Wiesli, Reto: „Professionalisierung der Parlemente im internationalen Vergleich“. Bern
2001.S. 39