Seminar für allgemeine pädagogik


„Beraten will gelernt sein“ (Bachmair et al.)



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7.3 „Beraten will gelernt sein“ (Bachmair et al.)


Literatur

Bachmair, S./J. Faber/C. Hennig/R. Kolb/W. Willig: Beraten will gelernt sein. 4. Aufl. München 1989. (zitiert als Bachmair et al.)


7.3.1 Überblick


Das Buch gliedert sich in vier Hauptkapitel:

  1. Gesprächsführung,

  2. Gespräche in Familien,

  3. Kommunikation,

  4. Rolle des Beraters und Funktion von Beratung

  5. Supervision

Im folgenden wird nur auf das erste Kapitel, „Gesprächsführung“ eingegangen. Das Beratungskonzept der Autoren ist verpflichtet

  • der Kommunikationstheorie von Paul Watzlawick;

  • der Praxis des aktiven Zuhörens und der Ausräumung von "falschen" Reaktionen im Sinne von Thomas Gordon;

  • dem Konzept der indirekten (klientenzentrierten) Gesprächsführung nach Rogers.

Wir sollten uns noch einmal klar machen, daß Beratung heute ein weites Feld von Aktivitäten umfaßt, das keiner Vordefinition des Klienten im Sinne von "psychisch krank" oder "abhängig" bedarf, vielmehr etwas mit Orientierung, Information, Problemlösung zu tun hat. Beratung ist ein Entlastungsvorgang, ein Kommunikationsvorgang, der oft nur deshalb notwendig ist, weil der oder die Ratsuchende keine anderen kompetenten Gesprächspartner hat.

Bevor Beratung im eigentlichen Sinne beginnen kann, geht es zunächst darum, ein Vertrauensklima zu schaffen, Zugang zum Ratsuchenden zu gewinnen, damit er sich öffnen kann. Doch können im Prozeß der ersten Annäherungen auch Störungen auftreten, die in jedem Falle vermieden werden sollen.



Mögliche Störungen und negative Formen von Kommunikation und Beratung: In der Beratungssituation sitzen dem Berater Menschen gegenüber, die sich in ihrem Temperament, in ihrer Herkunft in ihrem Denken und Urteilen unterscheiden. Diese unterschiedlichen Einflüsse können den Beratungsprozeß stören und werden auf der Beziehungsebene zwischen Berater und Klient spürbar. Deshalb sind Fragen zu beachten wie die folgenden:

  • Welche Rolle spielt die Räumlichkeit in der Beratungssituation?

  • Welchen Einfluß haben die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukuft auf den Klienten und den Berater?

  • Wie sieht der Berater das Problem des Klienten unter Berücksichtigung des gesamten Umfeldes?

Der Ratsuchende ist in der Situation, sich einem Unbekannten, dem Berater, anzuvertrauen, um ein Problem zu lösen, das er allein nicht glaubt lösen zu können. Der Klient ist bei der Beschreibung seines Problems oft auch genötigt, eigene Schwächen und Fehler einzugestehen. Andererseits übt der Berater zum Klienten immer eine gewisse Distanz aus, die bei aller Einfühlung in den Klienten auch vorhanden sein muß; diese Distanz darf nicht dazu führen, daß das in den Berater gesetzte Vertrauen enttäuscht bzw. mißbraucht wird. Die Situation der Beratung schafft also eine eigentümlich ungleichgewichtige Balance der Beziehungen.

Bachmair et al. (1989, S. 18) nennen in diesem Zusammenhang Gordons zwölf Kommunikationsbarrieren als hinderlich für das Beratungsgespräch, da ihr Gebrauch beim Klienten den Eindruck positiver Wertschätzung vermindern könne. Die Autoren weisen darauf hin, daß Rogers bereits 1942 ungünstige Beratermethoden kritisierte; dabei handelt es sich insbesondere um die



  • Methode des Anordnens und Verbietens,

  • Methode des Ermahnung,

  • Methode der Suggestion/Überredung,

  • Methode der Ratschläge,

  • Methode der Interpretation.

Folgende Fehler sollten in der professionellen Beratung vermieden werden:

  1. statt dem Klienten zu helfen, ihn abhängig zu machen vom Helfer;

  2. das Helfen des („schwachen“) Klienten zu einem Prozeß der Selbstaufwertung des („starken“) Beraters zu machen;

  3. sich als Berater so stark mit dem Problem des Klienten zu identifizieren, daß es dem Berater selbst zum Problem wird.

7.3.2 Grundlagen der Beratung und der Gesprächsführung


Menschen suchen Rat in Situationen, in denen sie glauben, nicht mehr alleine weiterzukommen. Das müssen keine existentiell bedrohlichen Probleme sein, aber doch immerhin von solchem Gewicht für den Ratsuchenden, daß institutionelle Beratung in Anspruch genommen wird.

Beratung wird von Bachmair et al verstanden als Hilfe zur Selbsthilfe. Dem Klienten wird insoweit geholfen, daß er selbst zu einer Lösung und Entscheidung bezüglich des Problems kommt. Dies entspricht dem Konzept der klientenzentrierten Beratung im Sinne Rogers, verbunden mit dem Menschenbild der humanistischen Psychologie.

Der Ratsuchende geht in der Beratung durch einen sehr widersprüchlichen Prozeß; er muß sich eingestehen, daß er mit seinem Problem nicht alleine fertig wird. Dies bedeutet eine narzistische Kränkung (ein Terminus der Psychoanalyse, der die Verletzung des Selbstbildes meint), die aufgefangen, aber nicht ausgenutzt werden soll. Der Ratsuchende benötigt Ermutigung und eine Atmosphäre der Sicherheit. Es ginge also in keinem Falle darum - wie eine allzu einfache Interpretation des Begriffs „Berater“ nahelegt - dem Klienten zu zeigen „wo’s langgeht“ und ihn zu überzeugen, was wahr und was problemlösend sei.

In Gesprächen, in denen der Klient seine Sichtweisen des Problems, seine Gefühle, Meinungen und sein Verhalten darstellt, entwickeln sich schrittweise Einsicht und Problemlösung: Kognitive Umstrukturierungsprozesse lassen den Ratsuchenden Einsicht gewinnen. Die neuen, vor allem auch emotionalen Erfahrungen setzt der Ratsuchende zu seinem Selbstkonzept in Beziehung. Gefühle müssen nicht verdrängt werden. Der Ratsuchende öffnet sich für Problemlösungsprozesse. Der Berater hilft dem Ratsuchenden, das Erkennen und Problemlösen zu strukturieren.



Bachmair et al. nennen 11 Schritte nach Rogers, die zum Umstrukturierungsprozeß führen (ebenda, S. 27); es ist offensichtlich, daß diese Schritte normative Forderungen enthalten, denen sich Berater und Klient stellen müssen, wenn der Umstrukturierungsprozeß gelingen soll:

  1. Der Klient will Hilfe (Der Klient soll freiwillig in die Beratung kommen);

  2. Die Situation ist definiert (Der Berater muß dem Klienten mitteilen, daß er keine Patentlösung bieten kann, sondern Hilfe zur Selbsthilfe geben will);

  3. Ermutigung zum freien Ausdruck (Der Berater versucht, das Vertrauen des Klienten zu gewinnen, damit der Klient sich öffnen kann und über die eigentlichen Probleme spricht);

  4. Der Berater akzeptiert und klärt (Der Berater bewertet die Aussagen des Klienten nicht, sondern akzeptiert sie so, wie sie sind. Er hilft dem Klienten, dessen Aussage zu strukturieren und zu verarbeiten)

  5. Der stufenweise, fortschreitende Ausdruck positiver Gefühle (Der Berater versucht, die Gefühle des Klienten, die sich hinter seiner Aussage verbergen, zu klären und dem Klienten zu ermöglichen, seine Gefühle frei auszudrücken);

  6. Das Erkennen positiver Impulse (Der Berater bekräftigt Ansätze in den Aussagen des Klienten, die einen ersten positiven Schritt in Richtung der Problemlösung ausdrücken);

  7. Die Entwicklung von Einsicht (Durch die Gespräche gewinnt der Klient eine neue Sichtweise gegenüber seinen Problemen und erarbeitet Lösungsvorschläge);

  8. Die Klärung der zur Wahl stehenden Möglichkeiten (Mit dem Klienten werden die besten Lösungswege ausgesucht);

  9. Positive Handlungen (Der Klient versucht die Lösungswege zu realisieren);

  10. Wachsende Einsicht (Durch die Realisation von Lösungswegen gewinnt der Klient weitere Sichtweisen im Umgang mit seinen Problemen);

  11. Gesteigerte Unabhängigkeit (Der Klient soll am Ende selbständig mit dem Problem umgehen können).

Fragen zur Gruppendiskussion:

  1. Welche Schritte erscheinen Ihnen ungeklärt oder problematisch?

  2. Über welche Schritte möchten Sie noch mehr wissen?

  3. Welche Schritte erscheinen Ihnen einsichtig; suchen Sie sich einen Schritt heraus, den Sie "ausarbeiten"

Bachmair et al. (1989) nennen vier Fixpunkte, auf die sich die eben genannten 11 Schritte konzentrieren. Diese vier Fixpunkte bilden die Struktur des Beratungsprozesses ab:

  1. Situations- und Beziehungsdefinition: Zunächst muß eine Beziehung zwischen Berater und Ratsuchenden hergestellt werden; der Berater muß Zugang gewinnen, ohne die Fäden aus der Hand zu verlieren.

  2. Problemdefinition und -analyse: In dem Maß, wie der Berater den Ratsuchenden in dieser Phase akzeptiert oder in Frage stellt, lernt der Ratsuchende, dasselbe mit sich selbst zu tun.

  3. Umdeutung: Löschung - Distanzierung vom Problem - die Entwicklung von Einsicht: Der Ratsuchende muß zu seinem Problem eine neue Position beziehen.

  4. Andere Lösungsmöglichkeiten und Lösungskontrollen: Das problematische Verhalten wird aufgegeben, wenn etwas Besseres gefunden wird (Bachmair et al. 1989, S. 28).

7.3.3 Der Primat der Beratervariablen über die Gesprächstechniken


Die nachfolgenden Ausführungen zu den drei Beratervariablen stellen eine Reflexionen auf der Grundlage der in der zitierten Literatur vorfindbaren Interpretationen dar.

Vom guten Berater werden nach Rogers folgende Eigenschaften gefordert (Bachmair et al. 1989, S. 29):



  1. Emotionale Wärme und positive Wertschätzung (Akzeptanz);

  2. Einfühlendes Verstehen (Empathie); Echtheit im Verhalten des Beraters (Kongruenz, Übereinstimmung mit sich selbst)

Emotionale Wärme - positive Wertschätzung: Der erste Gesichtspunkt betrifft die Akzeptanz des Klienten durch den Berater. Damit ist nicht die Identifikation mit dem Klienten gemeint, sondern die positive Wertschätzung und der Respekt vor seiner Person. Achtung und Anerkennung des anderen, die glaubhaft zum Ausdruck gebracht werden, sind die Basis für jedes Beratungsgespräch. Der Klient muß sich vom Berater angenommen fühlen. Daß im Verlaufe eines Beratungsprozesses auch Einschränkungen einer ungeteilten Wertschätzung erfolgen können, ist nicht auszuschließen. Auch der Berater ist nur ein Mensch, der neben Stärken ebenso Schwächen in seinem Verhaltensrepertoire aufweisen kann. Auch er reagiert in einer bestimmten Weise ernüchtert, z.B. wenn ein unerwartetes, enttäuschendes Verhalten des Klienten ihn nötigt, seine Gefühlslage zu verbalisieren. Die persönliche Grundbeziehung, d.h. die Erfahrung des Klienten, vom Berater angenommen zu sein, darf dadurch nicht gefährdet werden.

Übungen: Emotionale Wärme - positive Wertschätung (nach Hackney/Cormier 1998, S. 26)

Beeinträchtigung positiver Wertschätzung:

  1. Denken Sie an eine Ihnen nahestehende Person in ihrem Umfeld, der sie nicht in jeder Hinsicht positive Wertschätzung entgegenbringen. Überlegen Sie: Welche Verhaltensweisen dieser Person hindern Sie, ihr ihre volle Wertschätzung zuteil werden zu lassen?

  2. Fassen Sie Ihre Gedanken in einen gedachten Dialog, indem Sie der anderen Person fiktiv ihre Gründe mitteilen, die das Aufkommen emotionaler Wärme bei Ihnen verhindern.

  3. Nehmen Sie nun die Rolle der betreffenden Person ein und versuchen Sie, in diesem fiktiven Dialog zu antworten. (Sie werden bemerken, wie schwer diese Art des fiktiven Dialogs zunächst fällt; mit einiger Übung gelingt er immer besser!)

Mitteilung positiver Wertschätzung

  1. Denken Sie an eine Ihnen bekannte Person, der gegenüber Sie positive Wertschätzung empfinden. Bitte schreiben Sie auf, wie und was Sie dieser Person mitteilen würden. (Sie werden merken, daß auch dies gar nicht so einfach ist: jemandem mitzuteilen, daß man ihm gegenüber positive Gefühle empfindet; eine Liebeserklärung ist damit nicht gemeint! Vielmehr schwingt in dieser Wertschätzung immer auch etwas von dem Respekt und der Würde des anderen mit. Auch bei dieser fiktiven Übung sind zunächst einmal die eigenen Hemmungen abzubauen.

  2. Teilen Sie einer Ihnen bekannten Person, für die Sie positive Wertschätzung empfinden, bei nächster Gelegenheiten in der hier beschriebenen Weise dies mit. Beobachten Sie dabei die Reaktionen Ihres Gesprächspartners.

  3. Beachten Sie, daß bei der Übermittlung von Wertschätzung neben der verbalen Äußerung nonverbale Signale eine große Rolle spielen; insbesondere der Gesichtsausdruck (Lächeln) und der Blickkontakt.

Einfühlendes Verstehen (Empathie): Das Sichhineinversetzenkönnen in Situation und Gefühlslage eines anderen Menschen ist eine tiefere Form des Verstehens. Das einfühlende Verstehen geht über ein nur verbales Verstehen der Mitteilung des Gesprächspartners weit hinaus. Mit dem einfühlenden Verstehen ist vielmehr die Erfassung des gesamten inneren Bezugssystems des Klienten gemeint. Es verlangt, von der eigenen Betrachtungsweise umzuschalten in die Sichtweise des Klienten. Dies zu erlernen kann in zwei Schritten erfolgen: Zunächst muß der Klient durch wahrnehmbare Signale von Ihnen erfahren, daß Sie sich als Berater ehrlich bemühen, ihn zu verstehen. Sie möchten ihn verstehen, aber wie können Sie sicher sein, daß Ihre eigene Wahrnehmung die innere Situation des Klienten nicht verzerrt registriert? Dies ist der zweite Schritt: Als Berater geben Sie im Verlauf des aktiven Zuhörens immer wieder ein Feedback an den Klienten, mit dem Sie sicherzustellen versuchen, daß Sie ihn in seiner Gefühlslage, seinen Absichten, seinen Bewertungen richtig verstanden haben. Dabei ist es auch wichtig, Erfahrungen und Ereignisse zu berühren, die in der Vergangenheit spielen, aber bedeutsam für die gegenwärtige Problemsituation des Klienten sind. Es ist keineswegs einfach, die Gefühle und Werthaltungen eines anderen Menschen zu erfassen und dann so wiederzugeben, daß der andere diese Wiedergabe als korrekt bezeichnet. Neben Intuition gehört auch viel Übung und Erfahrung dazu.

Übungen zum einfühlenden Verstehen (nach Hackney/Cormier 1998, S. 26)

  1. Das Anliegen des Klienten erfassen und verbalisieren

Führen Sie in einer Dreiergruppe (Sprecher = A, Antwortender = B, Beobachter = C) folgende Aufgaben durch, so daß jeder mindestens einmal jede Rolle spielt.

  • A beginnt, B ein persönliches Anliegen/Problem darzustellen.

  • B teilt durch aktives Zuhören und Feedbacksignale A mit, was er gehört hat.

  • C beobachtet A und B, indem er registriert, ob A und B die Aufgabe korrekt lösen und ob A von B richtig (oder nicht richtig) verstanden wurde.

  • Im Anschluß an dieses etwa fünfminütige Rollenspiel sollen die drei Beteiligten zu folgenden Fragen Stellung nehmen:

A: Haben Sie das Gefühl, daß der Antwortende gehört hat, was Sie gesagt haben? Meinen Sie, er hat Sie verstanden? Besprechen Sie das mit B!

B: Haben Sie A wissen lassen (auch nonverbal gezeigt), daß Sie ihn verstanden haben? Wie haben Sie das gemacht? Gab es dabei Schwierigkeiten?

C: Diskutieren Sie, was zwischen A und B abgelaufen ist!

Wiederholen Sie nun das Ganze mit vertauschten Rollen!



  1. Das Anliegen des Klienten verstehen

Diese Übung wird mit einer im Kreis sitzenden Gruppe durchgeführt (höchstens 10 Teilnehmer)

  • Jeder Teilnehmer hat Papier und Bleistift bereit gelegt;

  • Jeder Teilnehmer soll schriftlich und anonym den folgenden Satzanfang vervollständigen: „Meine Hauptschwierigkeiten, ein guter Berater zu werden, sind: _______________________

  • Die Zettel werden zusammengefaltet und in die Mitte des Kreises gelegt;

  • Jeder Teilnehmer zieht einen Zettel (wer zufällig den eigenen Zettel erhält, zieht noch einmal);

  • Jeder Teilnehmer liest laut vor, welche Probleme auf dem von ihm gezogenen Zettel stehen und spricht dann mehrere Minuten darüber, wie er diese Probleme versteht. Andere Teilnehmer können dazu Beiträge liefern. Dies geht solange weiter, bis jeder Teilnehmer einen Beitrag vorgelesen und besprochen hat.

Merke: Die notierten Schwierigkeiten sollen nur Anlaß sein, diejenige (anonyme) Person in dieser Schwierigkeiten zu verstehen und darüber zu reflektieren; es sollen keine Lösungen dafür angeboten werden. Zum Abschluß der Übung können die Teilnehmer darüber diskutieren, inwieweit es gelungen ist, einfühlendes Verhalten zu entwickeln. Auch eine wechselseitige Einschätzung des geäußerten „einfühlenden Verhaltens“ aller Teilnehmer ist hilfreich. (Diese Übung setzt schon eine gewisse Fähigkeit voraus, eigene Schwierigkeiten zu kennen, sie zu aufzuschreiben und sie - wenn auch anonym - zum Gegenstand der Reflexion anderer werden zu lassen. Voraussetzung für ein Gelingen dieser Übung ist, daß der einzelne sich in der Teilnehmergruppe gut aufgehoben fühlt und sich auch bereits für die Ausbildung im Berufsfeld „Beratung“ entschieden hat.)

3. Echtheit im Verhalten des Beraters

Rogers’ Forderung nach Echtheit bedeutet, daß der Berater sich selbst als Person, insbesondere seine eigenen Gefühle, gegenüber dem Klienten nicht versteckt, sondern so darbietet, wie seine eigene Befindlichkeit tatsächlich ist. Es steckt ein Moment von Selbstoffenbarung (Schulz v. Thun) in diesem Prinzip. Deshalb ist die Realisierung von „Echtheit“ von allen drei Forderungen, die mit den „Beratervariablen“ einhergehen, vielleicht am schwierigsten zu verwirklichen. Die Forderung nach Echtheit steht grundsätzlich mit der Forderung nach Empathie in einem Spannungsverhältnis: Mich in den anderen einzufühlen und gleichzeitig die eigene Authentizität zu wahren bzw. zur Darstellung bringen zu müssen ist im Grunde paradox. „Echtheit“ setzt voraus, daß es kein professionelles Rollenverhalten gäbe, sondern nur den Berater als authentische Persönlichkeit. Die Anwendung von Gesprächstechniken wie Spiegeln oder Paraphrasieren, die der Berater beim Klienten als Kunstgriffe der Gesprächsführung einsetzt, stellen im gewissen Sinne eine Entfernung vom Prinzip der Echtheit dar, weil die angewandten Gesprächstechniken, mit deren Hilfe der Klient zur Problemdarstellung gebracht wird, ihm nicht mitgeteilt werden. Andererseits untersteht das gesamte professionelle Verhalten des Beraters dem Ziel, dem Klienten zu dienen. Wenn der Klient Zweifel hat an der Echtheit des vom Berater gezeigten Verhaltens und es gar im Sinne von Fassadenhaftigkeit interpretiert, ist eine grundsätzliche Gesprächsbarriere vorhanden. Der Berater muß sich selbst ein Stück weit als Person gegenüber dem Klienten öffnen. Dies vorausgesetzt, sind auf einer Metaebene der Betrachtung auch Gesprächstechniken vereinbar mit der Forderung nach Echtheit. Denn es ist eben diese Forderung nach Echtheit, die einer Manipuliation des Klienten durch den Berater einen Riegel vorschieben will. Der Berater soll sich nicht von vornherein hinter den Schutzschild seiner Berufsrolle zurückziehen können. Obwohl die Realität von Beratung oft anders aussieht, gerade wenn sie als eine allen Menschen angebotene Dienstleistung in Erscheinung tritt, ist die Forderung nach Echtheit grundlegend. Sie ist eine Idealforderung, der man sich nur annähern kann, aber sie sichert die Dignität des Beratungsvorganges.



  • Wenn nachstehend Übungen angeboten werden, ist an das „Sei-spontan-Paradox“ von Watzlawick zu erinnern. Eigentlich kann man Echtheit nicht üben, man kann sie nur zum Ausdruck bringen. Die nachstehenden Übungen sind allerdings auch ein guter Hinweis darauf, daß die Watzlawickschen Paradoxien keine echten Paradoxien sind, sondern praktisch lösbare Probleme. Es muß nämlich auch gelernt werden, Echtheit bei sich selbst wahrzunehmen. Es ist sinnvoll, im Zusammenhang der Darstellung von Echtheit des Verhaltens Selbsterfahrungen zu dokumentieren und Selbstmitteilungen zu praktizieren; ausführliche Beispiele finden sich bei Hackney/Cormier 1998, die im folgenden nur auszugsweise wiedergegeben werden.

Übung: Selbsterfahrung in der Zweiersituation

In der folgenden Übung geht es darum, daß sich A äußert, indem ein vorgegebener Satzanfang von ihm durch einige wenige weitere Sätze fortgeführt wird, während B aktiv zuhört und anschließend das Gesagte mit eigenen Worten zusammenfaßt (paraphrasiert); für B kommt es darauf an, daß A sich richtig verstanden fühlt. Anschließend Rollenwechsel: Denselben Satzanfang ergänzt B mit eigenen Worten, während A aktiv zuhört und paraphrasiert. Am Ende besprechen A und B, ob Sie sich wechselseitig richtig verstanden haben, sich selbst wohlfühlten und meinen, die eigene Befindlichkeit auch dem anderen gegenüber zum Ausdruck gebracht zu haben.



Satzanfänge:

  • Wenn ich neu in einer Gruppe bin, dann...

  • Wenn ich mich in einer neuen Situation ängstlich fühle, dann ...

  • Was mich am meisten beunruhigt, ist ...

  • Ihnen gegenüber fühle ich mich im Augenblick gerade ...

  • Wenn ich alleine bin, dann ...

  • Ich lasse mir nichts gefallen, wenn ...

In der anschließenden Diskussion können A und B folgende Fragen berühren: Wie gut können Sie zuhören? Wie offen und ehrlich sind Sie gewesen? Wie sehr sind Sie daran interessiert, derartige Kommunikationen weiterzuführen? Haben Sie den Eindruck, daß Sie sich auf diese Weise besser kennenlernen?

Übung: Selbstmitteilung - Gefühle des Berateres ausdrücken (Hackney/Cormier 1998, S.33 f. )

Sie sind mit einem Klienten in der siebten Sitzung zusammen. Schon seit der zweiten Sitzung kommt der Klient jedesmal einige Minuten zu spät und wartet jedesmal bis kurz vor Ende des Gesprächs, um dann erst auf wichtige Dinge zu sprechen zu kommen. Sie ärgert dieses Verhalten des Klienten. Dieses wiederum bewirkt, daß Sie dem Klienten nicht Ihre volle Aufmerksamkeit und Ihr einfühlendes Verstehen entgegenbringen können. Ihnen sind diese Schwierigkeiten bewußt. Ist es richtig, Ihre Schwierigkeiten dem Klienten mitzuteilen? Schreiben Sie auf, wie Sie reagieren würden, um der Forderung nach Echtheit zu genügen: ____________________________________________________



Merke: Äußerungen des Beraters, die seine eigenen Gefühle betreffen (also Indiz für Echtheit sind), unterscheiden sich von Feedback-Äußerungen, die nur die Gefühle des Klienten betreffen. Auch der Klient muß in der Äußerung des Beraters wahrnehmen können, wann es sich um ein Feedback handelt und wann der Berater seine eigene Befindlichkeit thematisiert. Letzteres beinhalten Äußerungen wie:

  • Berater: Ich habe ein Problem, wenn wir immer später beginnen, als vereinbart wurde!

  • Berater: Wenn mir das passiert wäre, was Sie gerade sagen, hätte mich das auch ganz schön geärgert!

  • Berater: Ich freue mich, daß Sie mir das so haben sagen können!

Merke: Das Gegenteil von Echtheit ist das stereotype Benützen von Standardformeln der Beratersprache (etwa die ständige Wiederholung des Satzes: „Es scheint, Sie fühlen...“). Echtheit heißt, professionelles Rollenverhalten auch einmal durchbrechen können, Spontaneität zu zeigen und es in einer bestimmten Situation zu wagen, die Unmittelbarkeit der eigenen Äußerung an die Stelle der Standardvorschriften des Spiegelns und Paraphrasierens zu setzen. Es wird deutlich, daß gerade die Forderung nach Echtheit am weitesten entfernt ist von einer starren „Methodik“ der Gesprächsführung und dazu beiträgt, daß sich der Berater nicht als Rollenwesen, sondern als Person in die Beratungssituation einbringt. Zur Echtheit gehört auch die Fähigkeit des Beraters, sich der Blockaden bewußt zu werden, die die eigenen Gefühle im Fortgang des Beratungsprozesses bilden können und zu versuchen, sie durch Selbstexploration - auch über die Inanspruchnahme von Supervision - unter Kontrolle zu bringen und zu reduzieren.

7.3.4 Gesprächsmethoden zur Verbesserung der Beratung


Der oberste Grundsatz der klientenzentrierten Beratung besteht darin, den normativen Forderungen der Beratervariablen Vorrang zu geben vor der Methodik der Gesprächsführung. Dennoch ist das Erlernen von Gesprächsmethoden zur Verbesserung der Beratung ein grundlegender Teil der professionellen Ausbildung zum Berater.

Eine grundlegende Bedingung für jedes Beratungsgespräch ist es, das Anliegen des Klienten anzunehmen, zu akzeptieren, indem der Berater zuhört. Die Grundform der Gesprächsmethode ist nach Bachmair et al. das aktive Zuhören. Es wird im Sinne Gordons unter Zuhilfenahme einiger weiterer Gesprächstechniken angewendet.



Aktives Zuhören bedeutet, sich selbst nicht einmischen, den Partner zum Ausdruck seiner Selbstoffenbarung gelangen lassen. Dazu gehört - neben der Technik des Spiegelns - auch, das Anliegen des Klienten zu konkretisieren. Oft ist das Problem noch gar nicht klar, um das es geht. Oft ringt der Ratsuchende selbst noch mit einer Definition seines Problems. Deshalb hat der Berater auch die Aufgabe, im Verlaufe des Gesprächs (das als aktives Zuhören zu verstehen ist), dem Klienten die eigenen Ziele und sein Verhalten zu verdeutlichen, muß aber selbst zunächst das Anliegen des Klienten verstehen. Dies wird durch ein gelegentliches Feedback, d.h. durch: Paraphrasieren, Rückfragen, Zusammenfassung des Gesagten nach längerer Rede des Klienten geleistet. Bachmair et al. erwähnen folgende Gesprächstechniken und Verhaltensweisen des Beraters:

  1. Nicht festlegende Aufforderung als "Türöffner" (im Sinne Gordons);

  2. Paraphrasieren: Umschreibung einer Aussage durch eigene Sätze (zusammenfassendes Wiederholen der Aussage mit eigenen Worten - in der Funktion als Feedback zu dienen um Mißverständnisse auszuräumen sowie eine Strukturierungshilfe für den Fortgang des Gesprächs anzubieten);

  3. Verbalisieren emotionaler Erlebnisinhalte: Die Gefühle, die indirekt mitschwingen in der Aussage des Ratsuchenden, mit aufzunehmen in die Feedback-Mitteilung;

  4. Rapport herstellen: Voraussetzung für Spiegeln und Übersetzen;

  5. Der Berater übersetzt Kommunikation in verschiedene Wahrnehmungskanäle;

  6. Spiegeln: Es gibt direktes Spiegeln auch im nonverbalen Bereich (dazu gehört das Verbalisieren verbaler Erlebnisinhalte) , und es gibt "Überkreuz-Spiegeln", (z.B. Spiegeln der Atmung des Klienten durch leichtes Heben und Senken der Hand; oder: der Berater gleicht sein Sprachtempo der Atemfrequenz des Klienten an);

  7. Fragen stellen: das effektive Fragenstellen ist eine Kunst, um bestimmte Aspekte der Aussagen von Klienten zurecktzurücken, z.B: das Generalisieren von Erfahrung ("Alle mögen mich nicht") und die Tilgung (es werden unvollständige Aussagen gemacht).

Es wird deutlich, daß insbesondere in den Punkten 4 bis 7 Elemente der Kommunikationsführung von Bachmair et al. eingesetzt werden, die vom NLP her bekannt sind.

Problemaspekte der Beratungssituation (Bachmair et al. 1989, S. 29 ff.): Die Gesprächspartner sollten nicht unter zeitlichem Druck stehen, allerdings sollte die Beratungszeit von vornherein begrenzt sein. Störungen von außen sollten möglichst vermieden werden. Die Erwartungen zwischen Berater und Klient sollten in Übereinstimmung sein bzw. in Übereinstimmung gebracht werden. Ratsuchende neigen oft dazu, sich in Richtung sozialer Erwünschtheit zu verhalten. Diese Gefahr kann der Berater verringern, indem er kein moralisches Werturteil, sei es implizit oder explizit, abgibt. Fühlt sich ein Berater mit dem Ratsuchenden überfordert, sollte er Kontakt mit anderen Beratern aufnehmen und sich in letzter Konsequenz nicht davor scheuen, den Fall abzugeben.

Zur Vermeidung des bloßen Ausfragens des Klienten beim Erstkontakt sind nach Rogers folgende Strukturierungshilfen für den Berater hilfreich (Bachmair et al. 1989, S. 40 ff.):

Der Klient soll


  1. Verhalten und Gefühle genau beschreiben;

  2. die problematische Situation genau beschreiben;

  3. Motive beschreiben (Was will der Ratsuchende?);

  4. die Entwicklungsgeschichte des Problems beschreiben;

  5. Selbstkontrollversuche beschreiben (Was verhinderte den Erfolg?);

  6. soziale Beziehungen und die soziale, kulturelle und materielle Umwelt beschreiben.

Damit der Berater in seiner sprachlichen Ausdrucksweise möglichst klar ist, empfehlen Bachmair et al. (1989, S. 46 f.) jene Grundsätze zu beachten, wie sie von Schulz v. Thun entwickelt wurden: Einfachheit in den Formulierungen, übersichtliche Gliederung und Ordnung des Gesagten („roter Faden“), Prägnanz der getroffenen Aussage (Reduzierung auf das Wesentliche), zusätzliche Stimulation durch Beispiele erzeugen. Für die Lösung von Problemen im Rahmen von Gruppenprozessen (etwa im Rahmen der Organisationsberatung) beschreiben die Autoren Phasen eines Problemlösungsprozesses, der dem Konfliktlösungsmodell von Thomas Gordon sehr ähnlich ist..

Aufs Ganze gesehen ist der Band von Bachmair et al. ein praktisches Lehrbuch, das gut in die Grundlagen der Beratung auf der Basis des Konzeptes von Rogers einführt, wobei weitere Ansätze (Watzlawick, Gordon, Schulz von Thun, NLP) integriert werden.



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