Seminar für allgemeine pädagogik



Yüklə 1,19 Mb.
səhifə35/40
tarix20.09.2018
ölçüsü1,19 Mb.
#69391
1   ...   32   33   34   35   36   37   38   39   40

7. Beratung


Literatur (allgemein)

Bachmair/Faber/Hennig/Kolb/Willig: Beraten will gelernt sein. Psychologie Verlags Union: München 4. Auflage München 1989.

Brandtstädter, J./H. Gräser (Hrsg.): Entwicklungsberatung unter dem Aspekt der Lebensspanne. Göttingen 1985.

Rechtien, W.: Beratung. Theorien, Modelle und Methoden. München 1998

Hackney, H./L.S. Cormier: Beratungsstrategien - Beratungsziele. 4. Aufl. München 1998.

Danzer, B.: Die „Alltagswende“ im Arbeitsfeld Beratung. Regensburg 1992.

Pallasch, W.: Pädagogisches Gesprächstraining. Lern- und Trainingsprogramm zur Vermittlung therapeutischer Gesprächs- und Beratungskompetenz. 4. Aufl. Weinheim 1995.

Murgatroyd, S.: Beratung als Hilfe. Eine Einführung für helfende Berufe. Weinheim 1994.

Dietrich, G.: Allgemeine Beratungspsychologie. Eine Einführung in die psychologische Theorie und Praxis der Beratung. 2. Aufl. Göttingenh 1991.

Schmidtbauer, W.: Hilflose Helfer. Über die seelische Problematik der helfenden Berufe. Reinbek 1992.

Schmidtbauer, W.: Helfen als Beruf. Die Ware „Nächstenliebe“. Reinbek 1996.

7.1 Einleitung


In einer Gesellschaft, deren Struktur sich ständig ausdifferenziert und deren Wissen ständig wächst, ist der Bedarf an Orientierung und Hilfe sprunghaft angewachsen. Auch dadurch, daß Lebens- und Wertorientierungen, die in der Vergangenheit durch traditionsgefestigte Institutionen (Religion, Staat, Sitte, Brauch), unhinterfragbar präsentiert wurden, heute brüchig geworden sind, und die Menschen zunehmend selbst die Formen ihres Zusammenleben wählen, gibt es wachsenden Orientierungsbedarf.

Für diese neuen Bedarfe an Orientierung, Wissen, Handlungs- und Entscheidungshilfe ist die Institution der Beratung zuständig. Beratung, die bislang in eng umgrenzten Feldern jenseits von Alltagssituationen angesiedelt war, ist heute zu einem „normalen“ Anliegen geworden, das für jeden Menschen im Laufe seines Lebens bedeutsam ist. Beratung im pädagogischen Zusammenhang umfaßt viele Felder des Alltaglebens, ist allerdings abzugrenzen von Psychotherapie, Seelsorge oder ärztlicher Hilfe. Diese spezielleren Beratungsbereiche sind wichtige Nachbarn der pädagogischen Beratung, markieren gleichzeitig aber auch ihre Außengrenzen.

Die Standardsituation der Beratung, in der ein Klient einen Berater aufsucht, um Hilfe (Information, Aufklärung, Orientierungs- und Entscheidungshilfe) zu erhalten, steht zwischen einer institutionell relativ eng strukturierten Beziehung wie Arzt - Patient oder Lehrer - Schüler und einer dem Individuum größtmögliche Wahlfreiheit gebende tägliche Besorgung, etwa als Kunde bei einem Gang ins Kaufhaus.

In dieser institutionellen Mittellage befinden sich bekannte und bewährte Beratungsinstitutionen wie etwa die Berufsberatung oder die - insbesondere an Gesamtschulen eingerichtete - Bildungsberatung, wohingegen die Suchtberatung oder Erziehungsberatung schon sehr viel stärker in das Arbeitsfeld des Psychotherapeuten hinein reichen. Zu einem neuen Arbeitsfeld für soziale Berufe hat sich die Ehe- und Famlienberatung entwickelt, ebenso Beratung im Zusammenhang mit Rehabilitation, Lebenskrisen und der Bewältigung von Lebensproblemen älterer Menschen. Dies sind nur einige Beispiele, die die Ausdifferenzierung sozialer Diensten belegen, in deren Zentrum in vielfältiger Weise Beratung eine Rolle spielt.

Auch wenn Pädagogen als Lehrer, Erzieher oder Erwachsenenbilder in ihren speziellen Berufsfeldern arbeiten, erfordert heute die Ausbildung für pädagogische Berufe Kenntnis der theoretischen und praktischen Grundlagen der Beratung. Eine praktikable Definition der personenbezogenen Beratung, wie sie als Regelfall auftritt, gibt Wolfgang Rechtien:

Beratung ist



  • ein zwischenmenschlicher Prozeß (Interaktion)

  • in welchem eine Person (der Ratsuchende oder Klient)

  • in und durch die Interaktion mit einer anderen Person (dem Berater)

  • mehr Klarheit über eigene Probleme und deren Bewältigungsmöglichkeiten gewinnt.

  • Das Ziel von Beratung ist die Förderung von Problemlösekompetenz (Rechtien 1998, S. 16)

In ähnlicher Weise strukturiert Georg Dietrich in seinem Band „Allgemeine Beratungspsychologie“ unter Rückgriff auf weitere Autoren das Beratungsfeld als ein System, das folgende Komponenten ausweist:

  • die Person des Ratsuchenden mit ihrer spezifischen psychischen Struktur, mit ihrer besonderen Problematik und mit ihrer aktivierbaren Beratbarkeit;

  • die Person des Beraters mit ihrer spezifischen psychischen Struktur und mit ihrer besonderen Beratungskompetenz:

  • die interaktionale und kommunikative helfende Beziehung zwischen dem Berater und dem Klienten;

  • den institutionellen und organisatorischen Rahmen, innerhalb dessen das Beratungsgeschehen abläuft. (Dietrich 1991, S. 17)

Beratung kann allerdings auch als eine universale Größe verstanden werden, d.h. als ein lebenslanges Angebot, das für alle Menschen unserer Gesellschaft nutzbar ist. In dieser Weise läßt sich Beratung definieren

a) als horizontales System, das sich gliedert in:

1. personenbezogene Beratung,

2. institutionsbezogene Beratung (Organisationsberatung),

3. produkt-/bereichsbezogene Beratung (personen- als auch für institutionsbezogen).


  1. als vertikales System, das präsent ist als

individuelle Entwicklungsberatung und Hilfe für Entscheidungsprobleme in verschiedenen Lebensphasen (Kindheit, Jugendzeit, mittlerer Lebensphase, Seniorenalter).

Beratung als lebenslange Offerte für jedermann zu verstehen ist ein neuer, in den letzten 20 Jahren entwickelter Gedanke. Gleiches gilt für die Beratung von Organisationen. Große Institutionen machen sich heute in vielfältiger Form die Möglichkeiten der Organisationsberatung zu Nutze. Dies setzt die Etablierung von Beratung als einer Institution voraus - mit den Elementen:



  • Etablierung professioneller Ausbildungsprofile für Berater an Hochschulen und Fachhochschulen;

  • Etablierung von Räumlichkeiten, professionellem Inventar und Verwaltungsapparat;

  • Etablierung von Planstellen (z.B. innerhalb der Freien Wohlfahrtsverbänden, Stiftungen oder kommunalen Einrichtungen);

  • Etablierung eines Netzwerkes von Beratungsstellen im Verbund mit kooperierenden Institutionen, die Klienten zuführen oder von Beratungsstellen aufnehmen (etwa aus Einrichtungen der Rehabilitation, Fürsorge, Lebensberatung, Verbraucherverbänden, Versicherungswesen u.a.m.):

  • Supervisionsarbeit für Berater und öffentliche Institutionen;

  • Etablierte Beratungsangebote im kommunalen, regionalen und überregionalen Bereich.

Gerade auch Berater in sozialen und therapeutischen Berufen bedürfen der Beratung in Form einer Supervision - ein Begriff der sich eingebürgert hat für die Beratung von Organisationen und Arbeitsteams. Supervision geschieht nicht nur, um die Effektivität von sozialen Diensten oder die Effektivität der Zusammenarbeit von Teams zu erhöhen, sondern soll auch Chance zur Selbstreflexion und Selbstaufklärung der Berater sein.

Die Etablierung der Institution Beratung als eine feste Größe im Netz sozialer Hilfen führte auch zur kritischen Selbstreflexion über die verborgenen Motive der Wahl des Berufs „Berater“, die Krisen und die Defizite, die im Selbstbild des Beraters auftreten können. Hinter dem Wunsch, anderen Menschen in schwierigen psychischen Situation zu helfen und dies zum lebenslangen Beruf zu machen, liegt, so vermutet der Psychotherapeut Wolfgang Schmidtbauer, ein besonderes Motiv: die „narzistische Kränkung“ in der Kindheit. Aus psychoanalytischer Sicht führt dieses Motiv dazu, daß seelische Befriedigung nicht durch eigene Leistung gelingt, sondern kompensatorisch durch Helfen anderer kompensiert wird. Das Helfer-Syndrom“ (Schmidtbauer) ist Ergebnis dieses seelischen Prozesses (vgl. Schmidtbauer 1992, 1996). Helfen kann eine Abwehr und Kompensation eigener Schwächen sein.

Das Erlebnis der eigenen Ohnmacht bei der Lösung eines Problems (das der Klient zu lösen hat) und gleichzeitiger Ausstrahlung von Überlegenheit gegenüber anderen ist Bestandteil der besonderen seelischen Konstellation helfender Berufe. In jeder Beratung „opfert“ der Berater unter dem Anspruch von Authentizität ein Teil seines Selbst, um einem anderen Menschen zu ermöglichen, „zu sich selbst“ zu kommen. Demgegenüber ist pädagogisch-psychologische Hilfe als Moment der Berufsrolle des Beraters eine bezahlte Dienstleistung, die als Angelegenheit des Warentausches nur noch entfremdet in Erscheinung tritt. Hier die richtigen Balancen der eigenen Identität zu finden ist für denjenigen, der diesen Beruf wählt, nicht immer einfach. Spontaneität wird immer wieder gebrochen durch Reflexion über die eigenen Möglichkeiten und Grenzen der Hilfe.

Professionelle Hilfe im pädagogisch-psychologischen Feld von Beratung hat sehr unterschiedliche Formen. Im Anschluß an John Heron nennt Stephen Murgatroyd sechs verschiedene Strategien von Beratern, um zu helfen:



  • Sie schreiben vor -

sie geben Ratschläge –

sie urteilen: Die Helfer wollen das Verhalten der Personen, denen sie helfen, verändern, besonders



das Verhalten außerhalb der Hilfebeziehung selbst.

  • Sie informieren - sie handeln „didaktisch“, sie interpretieren oder geben Informationen: Die Helfer bemühen sich um neue Informationen für die Personen, denen sie helfen. Diese neuen Informationen sind darauf gerichtet, das spätere Verhalten, die Gedanken und Gefühle der anderen Personen zu formen.

  • Sie konfrontieren - d.h. sie geben eine direkte Rückmeldung, wie das Verhalten der Klienten auf die Helfer wirkt. Diese Rückmeldung ist herausfordernd: Der Helfer verwendet eine Vielzahl von Techniken, um die eng begrenzten Haltungen, Wertvorstellungen, Verhaltensweisen, Gedanken und/oder Gefühle der Personen herauszufordern, so daß diese Personen sie erkennen und in sich selbst verändern können.

  • Sie sind kathartisch - sie ermöglichen emotionale Entlastung: Die Helfer verwenden ermutigende Techniken, die darauf gerichtet sind, Gefühle freizusetzen und an sich selbst als Entlastung zu erfahren: (Trauer, Freude, Spannung, Schmerz, Erregung u.a.), die bisher ‘eingeschlossen’ waren und die im Zuge ihrer Befreiung eine Basis für besseres Selbstverständnis und persönliche Weiterentwicklung sein können.

  • Sie sind katalytisch - sie wirken prozeßbeschleunigend und ermöglichen Selbststeuerung: Die Helfer ermutigen die Menschen, mit denen sie zusammenarbeiten, selber die Kontrolle über die Hilfeprogramme zu übernehmen, indem sie die Aufmerksamkeit der Helfer auf ihre eigenen Bedürfnisse lenken und indem sie einen Hilfekontrakt aushandeln, in dem Rechte Pflichten und Aufgaben klar definiert werden.

  • Sie sind unterstützend - sie bahnen bestimmte Organisationsstrukturen an, unterstützen und konsolidieren sie: Die Helfer unterstützen die Personen, mit denen sie zusammenarbeiten, in dem Bestreben, ihre eigene Entwicklung zu akzeptieren und Formen wechselseitiger Unterstützung mit anderen Menschen zu entwickeln. (Murgatroyd 1994, S. 20 f.)

Diese sechs Strategien können nach Murgatroyd in zwei Stilen zusammengefaßt werden:

  • erstens den „präskriptiven oder direkten Stil“ (hier „leitet der Helfer die hilfebedürftige Person zu angemessenem Handeln an, instruiert und führt sie“);

  • zweitens den „indirekt unterstützenden Stil“ (hier handelt der Helfer weniger direktiv, ermutigt vielmehr die hilfebedürftige Person, „ihre Gefühlen zu entbinden und von sich aus angemessene Handlungen einzuleiten“ (Murgatroyd 1994, S. 21). Dementsprechend sind die ersten drei Strategien als „direktiv“, die letzten drei als „nicht direktiv“ einzuschätzen.

Angesichts der Tatsache, daß pädagogisch-psychologische Beratung in Deutschland oft nur unter dem Aspekt einer einzigen Beratungsstrategie verstanden wird, nämlich als „klientenzentriert“ bzw. gebunden an das Menschenbild der humanistischen Psychologie (vgl. den folgenden Abschnitt 7.3), sei hier ausdrücklich darauf hingewiesen, daß es auch andere Ansätze der Beratung gibt, die sehr viel mehr direkte Führung durch den Berater beinhalten. Sie sind keineswegs „schlechter“ oder weniger bedeutsam als die klientenzentrierte Methode. Vielfach erwarten Klienten eine direkte Führung durch die Sachkompetenz des Beraters, insbesondere wenn es um Aufklärung, Information und Kompetenzgewinnung in komplexen Sachfragen geht.

Generell sind die Methoden der Beratung im pädagogisch-psychologischen Berufsfeld Abkömmlinge der verschiedenen Richtungen der Psychotherapie. Neben der klientenzentrierten (nicht-direktiven) Therapie in ihren verschiedenen Ausprägungen und den verschiedenen tiefenpsychologisch orientierten Therapieformen sei hier vor allem die Verhaltenstherapie erwähnt, die als direktive Form der Hilfestrategie auf beträchtliche Erfolge blicken kann, wie Evaluationsstudien ausweisen. Dies liegt auch daran, daß direkte Intervention meist anhand objektiver Kriterien Aussagen über den Erfolg oder Mißerfolg einer Therapie machen kann, während in der systemischen Familientherapie und in den nicht-direktiven Verfahren das Erfolgskriterium weitgehend im subjektiven Bereich verbleibt.



Man kann die Differenz zwischen subjektivem und objektivem Erfolg von Therapie/Beratung mit folgendem Therapeutenwitz veranschaulichen:

  • Ein junger Mann, der daran litt, daß die Begegnung mit anderen Menschen bei ihm regelmäßig eine Defäkation auslöst, ließ sich von einem älteren Bekannten bewegen, einen Psychotherapeuten aufzusuchen. Nach einigen Wochen begegnen sich die beiden wieder zufällig auf der Straße. „Wie geht’s?“ fragt der Ältere. „Ausgezeichnet!“ strahlt der Jüngere zufrieden, die Therapie hat ein Wunder bewirkt - es gibt kein Problem mehr!“ In dem Augenblick schnuppert der Ältere überrascht, weil sich plötzlich ein verdächtiger Geruch bemerkbar macht. „Aber...“ fragt er zweifelnd, „du hast doch gerade...“ „Ja, natürlich,“ strahlt der Jüngere, „entscheidend ist doch, daß es mir nichts mehr ausmacht!“

Wir haben hier eine Variante der Umdeutung - aus einem Problem wird kein Problem - , wie sie NLP als reframing oder Gordon als dritte Möglichkeit der Intervention anbietet, wenn Eltern ein Problem mit einer Verhaltensweise ihres Kindes haben. Ein Großteil der neueren Beratungsangebote - von der klientenzentrierten Gesprächsführung nach Rogers bis zum Neurolinguistic Programming (NLP) - verfolgt im wesentlichen das Ziel, den Klienten im Prozeß einer Veränderung der Betrachtungsweise einen neuen Kontext finden zu lassen, der das, was vorher von ihm als Problem definiert wurde, nicht mehr (bzw. nicht mehr so stark) als Problem subjektiv in Erscheinung treten läßt. Von „Erfolg“ einer Beratung/Therapie wird auch oft schon dann gesprochen, wenn das Sympton/Problem einer subjektiv empfundenen Besserung zugeführt wurde, auch wenn es noch vorhanden ist. Die Erwähnung derartiger Einschränkungen soll als Beitrag verstanden werden, die tatsächlichen Erfolge von pädagogisch-psychologischer Beratung und Therapie realistisch einzuschätzen.

Yüklə 1,19 Mb.

Dostları ilə paylaş:
1   ...   32   33   34   35   36   37   38   39   40




Verilənlər bazası müəlliflik hüququ ilə müdafiə olunur ©www.genderi.org 2024
rəhbərliyinə müraciət

    Ana səhifə