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Analytische
Kategorie
Name
Rechtsgrundlagen
Betrag
Zahlungsmodus
Steuerpflicht
Spesen nach
Aufwand
Mahlzeiten-
entschädigung
(BG Art. 4; BB Art. 3, Abs.
1)
Fr. 85.-
pro Sitzung oder
Session,
steuerfrei
Übernachtungs-
entschädigung
(BG Art. 4; BB Art.3, Abs.
1 und 2)
Für jede Nacht zwischen
zwei
aufeinanderfolgenden
Sitzungstagen;
gilt nicht für
Ratsmitglieder, die in
einem
Umkreis von 25 km vom
Sitzungsort wohnen.
Fr. 160.-
pro Sitzung oder
Session,
steuerfrei
Distanzentschädigung (BG Art. 6; BB Art 6)
Für Ratsmitglieder, die für
die Anreise nach Bern
lange Reisezeiten
benötigen.
Fr. 20.- pro ¼
Stunde, die
eine Reisezeit
von 90 Min.
übersteigt
pro Sitzung oder
Session
2/3 steuerfrei,
1/3 steuerbar
Reiseentschädigung
(BG Art. 5, Abs 1)
GA 1. Klasse oder
Pauschalentschädigung in
dessen Höhe.
Fr. 3520.-
quartalsweise
Die Entschädigung der Schweizer Parlamentsmitglieder erfolgt somit praktisch
ausschliesslich nach dem
Aufwandprinzip. Die einzige Ausnahme dazu stellt
die Vorsorge dar, die jedoch vom Betrag her als unbedeutend eingestuft wer-
den muss. Andere Prinzipien, etwa eine Leistungs- oder eine soziale Kompo-
nente, sind nicht erkennbar.
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F.
Parlamentarische Arbeit und Leistung - Analyseresultate
1. Bemerkungen
In diesem Kapitel sind die Umfrageergebnisse zusammengefasst, wobei die
quantitativen Auswertungen das Gerüst darstellen. Diese statistischen Werte
haben wir durch Informationen aus der Literatur und Kommentare der Parla-
mentsmitglieder aus dem Textteil des Fragebogens und aus den Interviews
ergänzt.
Die Gliederung der Kapitel basiert auf der Strukturierung unseres Modells zur
Werterfassung.
Kritik und Anregung
Aus den Resultaten sticht insbesondere auch die gute Leistung der Parla-
mentsdienste hervor.
Die Resultate der eingegangenen Antworten zeigen auf, dass sich die Ratsmit-
glieder permanent und intensiv mit der Frage der Effizienz ihrer eigenen Ar-
beitsweise und derjenigen des Parlamentes als Ganzes beschäftigen.
2. Erwartungen
Jede Entscheidung bezüglich der Entschädigung und der zur Verfügung ge-
stellten Infrastruktur ist in den Erwartungen der Aufgaben, Rolle und Leistung
des Parlamentsmitgliedes begründet.
Zitat eines Bürgers:
Ich weiss zwar
nicht, welche Ent-
schädigung die
Schweizer Parla-
mentsmitglieder
erhalten, auf jeden
Fall aber ist es zu-
viel.
Erwartungen des Volkes an das Parlament
Die Erwartungen des Volkes an die Parlamentsmitglieder und die Finanzie-
rung, die es ihnen gewährt (Stichwort „Volksakzeptanz“), müsste man in einer
repräsentativen Umfrage ergründen. Aufgrund der Unkenntnis der realen Ar-
beitsbedingungen der Parlamentarier wäre die Aussagekraft einer solchen Um-
frage jedoch beschränkt.
Erwartungen des Parlamentes an die Parlamentsmitglieder
Wissenschaftliche Studien
9
zeigen, dass das Parlament die Gesetzgebung
immer aktiver mitgestaltet, und die Anforderungen an die Institution Parlament,
aber auch an die einzelnen Mitglieder gestiegen sind.
Nach dem neuen Parlamentsgesetz
10
kommen dem Parlament überdies ver-
schiedene neue Aufgaben zu. Dazu gehören z.B. die Überprüfung der Wirk-
samkeit der Massnahmen des Bundes oder das Mitwirkungsrecht bei wichtigen
Planungen und bei der Gestaltung der Aussenpolitik, etc.
Im neuen Parlamentsgesetz wird zudem hervorgehoben, dass „die neue Bun-
desverfassung das individualistische Repräsentationsverständnis des schwei-
zerischen Parlamentarismus akzentuiert. Anders als in anderen Parlamenten
kann ein einzelnes Ratsmitglied in der Bundesversammlung nicht nur im grös-
seren Kollektiv einer Fraktion Wirkung entfalten, sondern sollte sich auch als
individueller Repräsentant seiner Wählerschaft im Rat einbringen können.“
9
Jegher Annina und Lafranchi Prisca: Der Einfluss von National- und Ständerat auf den Gesetzgebungspro-
zess...“, Institut für Politikwissenschaft Bern/Parlamentsdienste. Bern 1996, zitiert in
Staatspolitische Kommission
2001, „Parlamentarische Initiative. Parlamentsgesetz (PG). Bericht vom 1. März 2001
10
Staatspolitische Kommission des Nationalrates, „Parlamentarische Initiative. Parlamentsgesetz (PG). Bericht
vom 1. März 2001
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Die Anforderungen an die Parlamentarische Arbeit sind somit weiter im Steigen
begriffen.
Selbstverständnis der Parlamentarier
In unserer Umfrage und den Interviews haben wir unser Augenmerk auf die
Erwartungen, die das Parlamentsmitglied an seine eigene Arbeit hat, gerichtet.
Le Temps, 2001 :
En Suisse, le man-
dat de parlemen-
taire reste considé-
ré comme une ac-
tivité non seule-
ment à temps par-
tiel, mais même
accessoire.
Rekrutierungsprinzip: Professionalisierungstendenz in der Schweizer
Politik
In welchem Bezug steht das Parlamentsmandat zu den anderen beruflichen
Tätigkeiten eines Ratsmitgliedes? Die Umfrage zeigt, dass sich fast die Hälfte
mit dem vor zehn Jahren von Riklin und Möckli vorgeschlagenen Begriff eines
„Halbberufspolitikers“ identifiziert und ein Fünftel sich als BerufspolitikerIn be-
zeichnet. Nur ein Drittel der Ratsmitglieder bezeichnet sich heute noch als „Mi-
lizpolitiker“ – dies obwohl der Anspruch, ein „Milizparlament“ zu sein, noch im-
mer die politischen Diskussionen prägt. Der Vergleich mit den Werten der Er-
hebung von 1991 zeigt, dass die Professionalisierung der Politik in der Schweiz
weiter zunimmt.
11
"Halbberufspolitiker"
"Milizpolitiker"
"Berufspolitiker"
2001
1991
100%
80%
60%
40%
20%
0%
20,8%
10,8%
46,8%
47,1%
32,5%
37,3%
Selbstkategorisierung - Entwicklung der letzten 10 Jahre
Rund ein Viertel der antwortenden Parlamentsmitglieder nimmt dabei auch
Funktionen auf den untergeordneten Föderalismusstufen wahr:
Aus welchen Berufsgruppen setzt sich das Parlament zusammen? Der Anteil
der Selbständigen beträgt mehr als die Hälfte der Ratsmitglieder, was auch im
Zusammenhang mit dem aktuellen materiellen Anreizsystem gesehen werden
muss (vgl. Schlussfolgerung von Riklin und Möckli von 1991: „Wir zahlen für
das Halbberufsparlament einen sehr hohen immateriellen Preis. Dieser Preis
besteht in der äusserst schmalen Rekrutierungsbasis und in einer verzerrten
Repräsentation. (...) Nur ein sehr kleiner Bruchteil der Bürgerinnen und Bürger
kann sich eine unregelmässige Halbtagsstelle leisten. Die dafür geeigneten
Berufe sind dünn gesät. Das Halbberufsparlament ist unter dem Aspekt der
Demokratie fragwürdig, weil es die Repräsentation verzerrt, weil es zwischen
11
In der zitierten Studie von 1991 wählten 4.9% der Antwortenden die Kategorie „andere“, die in unserer Umfra-
ge nicht zur Auswahl stand.