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Komplexität und Geschwindigkeit der politischen, wirtschaftlichen und sozialen
Veränderungen zwingen zu langfristigen Richtlinien und Grundsatzentscheiden
wie auch zur Flexibilität auf operativer Stufe. Einfache, nur auf ökonomischen
Berechnungen, Argumenten und Frankenbeträgen beruhende Lösungsvor-
schläge unterliegen somit - sofern überhaupt erfolgreich - dem Risiko, bei ihrer
Realisierung bereits wieder veraltet zu sein.
In diesem Gutachten werden daher grundsätzliche, langfristige Lösungsan-
sätze, basierend auf einer dafür entwickelten Systematik (Ordnungsprinzipien,
Bedarf an konzeptionellen Grundlagen, usw.), dargestellt.
Die Entwicklung einer eigentlichen Vorgehensstrategie zur Umsetzung der
Reformen würde den Rahmen dieser Studie bei weitem übersteigen. Diese
bedarf einer sorgfältigen Analyse des politisch sensiblen Klimas wie auch der
plausiblen Darstellung der Leistung und der heutigen Entschädigungs- und
Unterstützungssituation der Parlamentsmitglieder.
2.1.
Hintergrund der Untersuchung
Überlegungen zu Kosten und Nutzen der Legislative müssen vor dem Hinter-
grund der Besonderheiten und Eigenschaften des schweizerischen Milizparla-
mentes gesehen werden:
Das schweizerische Milizparlament, als Teil des nationalen Systems der direk-
ten Demokratie und des Föderalismus, weist einige Besonderheiten auf, wel-
che der Entwicklung eines internationalen Vergleichsmodells Grenzen setzt.
Der effektive Aufwand der individuellen Vorbereitung für die Aufgabe als Legis-
lativmitglied ist sehr unterschiedlich und steht mit der jeweiligen zivilen berufli-
chen Tätigkeit in engem Zusammenhang. So ist z.B. der Vorbereitungsauf-
wand für ein Parlamentsmitglied, das gleichzeitig auf kantonaler oder kommu-
naler Stufe eine Legislativ- oder Exekutivfunktion ausübt, in der Regel anders
zu werten als der eines selbstständigen Unternehmers oder Landwirtes. Ähnli-
che Situationen sind auch bei Gewerkschaftssekretären, Wirtschaftsanwälten,
usw. feststellbar.
2.2.
Schnittstellen mit laufenden Projekten
Im Kontext dieser Studie sind folgende Projekte zu beachten:
Professionalisierung der Parlamente im internationalen Vergleich
Gesetzesvorschlag zur Parlamentsreform (Parlamentsgesetz).
Obwohl der Auftrag dieses Gutachtens keine Analyse der parlamentarischen
Prozesse beinhaltet, sind durch die Untersuchung der Fragen nach dem Leis-
tungsverständnis des Parlamentmitgliedes, der Effizienz- und Effektivitätsstei-
gerung sowie der Kostenvergleiche die Berührungspunkte gegeben.
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D. Methodik
und
Systematik
1.
Auswahl geeigneter Betrachtungsweisen
Um eine möglichst wertneutrale Sicht der parlamentarischen Entschädigung und
Infrastruktur zu erlangen, haben wir verschiedene theoretische Ansätze angewen-
det:
Anregungen zu den gängigen Prinzipien der Lohnbestimmung und zum
Lohnvergleich erhalten wir aus den modernen Lohntheorien
Anhand eines Schemas zeigen wir die Spannungsfelder parlamentarischer
Tätigkeiten auf
Das Konzept des „Status eines Parlamentsmitgliedes“ (Interparliamentary
Union) fasst die Anrechte, Auflagen und Pflichten eines Parlamentsmitglie-
des zusammen.
Anhand unseres Modells der Wertzusammensetzung der parlamentari-
schen Arbeit vergleichen wir Erwartungen, Aufwand, Vergütung, Leistung
und Opportunitätskosten eines Ratsmitgliedes und des Parlamentes als
Ganzes.
2.
Grundsätzliches zu Lohntheorien
Allgemein gesprochen muss der Lohn aus der Sicht des Mitarbeiters
den Anforderungen der Aufgabe
der Leistung
dem internen Lohnniveau des Betriebes / der Organisation
dem Arbeitsmarkt entsprechen.
Wenn ein Lohn in den Augen des Mitarbeiters mit diesen Faktoren im Einklang
steht, wird er ihn als fair empfinden.
1
Der Arbeitgeber muss drei Hauptfaktoren berücksichtigen:
die Kosten
die Motivation der MitarbeiterInnen
den Arbeitsmarkt
Wenn es ihm gelingt, die Löhne so anzusetzen, dass er tüchtige Mitarbeiter für
sich gewinnen und behalten kann, ohne über das Niveau des Arbeitsmarktes hi-
nauszuschiessen, dann wird auch der Arbeitgeber seine Löhne als richtig und fair
bezeichnen dürfen.
Im Kern der Sache heisst die Zielsetzung für beide Seiten:
innerbetriebliche Gerechtigkeit
marktkonformes Lohnniveau
Berücksichtigung der Leistung
3. Entschädigungsprinzipien
Entschädigungen können grundsätzlich nach folgenden Prinzipien erfolgen, wobei
die Kumulierung verschiedener Kriterien in der Praxis die Regel ist:
1
Artho, Bruno: „Richtig entlöhnen. Ein Leitfaden zur Lohnfindung“, Bern, Paul Haupt, 1985
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a Aufwand:
individueller Aufwand
b Opportunitätskosten
effektiver Lohnausfall
effektiver Wertschöpfungsverlust im Unternehmen (insbesondere relevant
für Selbständigerwerbende)
c Leistungskomponente
individuelle Leistung
Verantwortung, Tragweite der Entscheidungen
d Anforderungen
Wissen, Können und Erfahrung
Geistige und charakterliche Anforderungen
Arbeitsbedingungen (z.B. Stress, etc.)
e Soziale
Komponenten
Existenzsichernde Funktion
Altersvorsorge
f Politische
Komponenten
Soziale Gerechtigkeit
Mindestansatz, der eine unabhängige Arbeit (hier Parlamentsarbeit) ermög-
licht
4. Arbeitsbewertung
–
eine Begriffsklärung
(nach Hentze, „Arbeitsbewertung und Personalbeurteilung“
2
)
Es gibt viele Methoden der Arbeitsbewertung. Das Spektrum reicht vom einfachen
Einstufen der Positionen eines Betriebes nach Rangfolge, bis zum vollanalytischen
Bewertungssystem.
Lohnvergleiche sind mit Betrieben durchzuführen, die ihre Mitarbeiter im gleichen
Arbeitsmarkt rekrutieren. Auf eine einfache Formel gebracht, geht es in unserem
Fall daher eigentlich darum, die Parlamentsmitglieder im „Unternehmen Schweiz“
an der richtigen Stelle einzuordnen.
Früher wurde die Arbeit unabhängig von ihren Anforderungen nach dem Können
der sie ausführenden Person bewertet. Danach wurde z.B. ein „Gelernter“ als Ge-
lernter entlohnt, auch wenn er nur Hilfsarbeiten ausführte. In diesem Fall wurden
nicht die Anforderungen bewertet und bezahlt, sondern die erworbene Qualifikation
des Arbeitenden.
Erst die analytischen Methoden berücksichtigen ausschliesslich die spezifischen
Anforderungen des jeweiligen Arbeitsplatzes und nicht die Qualifikation.
Die Anforderungen einer Tätigkeit setzen sich aus den einzelnen Anforderungsar-
ten und Anforderungshöhen zusammen. Aufgabe der Arbeitsbewertung ist somit
die Ermittlung der qualitativen Anforderungen und der relativen Anforderungshöhe
– also der relativen Arbeitsschwierigkeit einer Tätigkeit. Sie bildet die Grundlage für
die Bestimmung eines anforderungsbezogenen Arbeitsentgelts.
2
Hentze, Joachim: „Arbeitsbewertung und Personalbeurteilung“, Stuttgart, C. E. Poeschel 1980.
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