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angebauten weißfleischigen Steckrüben – wurden
für Mensch und Tier eingemietet. Ob auch Kartoffeln
verkauft wurden, erinnere ich nicht mit Sicherheit.
Obst wurde auf dem Boden gut temperiert eingela-
gert und im Backofen getrocknet, Gemüse im Keller
unter der Speisekammer und in Erdkellern aufbe-
wahrt, Fleisch, Wurst und Pilze eingeweckt; Beeren
ebenfalls eingeweckt, zu Saft verarbeitet und ge-
trocknet, es wurde Marmelade und Butter herge-
stellt, geschlachtet, Fleisch gepökelt sowie Wurst
und Schinken in der Kammer auf dem Hausboden
geräuchert. Eine im Innern mit Blech ausgeschlagene
große Kiste neben der Räucherkammer enthielt in
den Kriegsjahren besonders schmackhafte und
stärker gepfefferte kleine Dauerwürste, die herge-
stellt wurden, um sie meinem Bruder in Feldpost-
päckchen nach Russland zu schicken. Um diese
Würste selbst herstellen zu können, wurde zusätz-
lich vom Schlachter Teifke in Groß Nossin Rind-
fleisch hinzugekauft, das Vater bestellte und ich
zuletzt einmal abholen durfte.
Schweine schlachtete unser Nachbar Artur Pallas.
Wahrscheinlich hatte nur er einen dafür nötigen
Trog, in dem ein Schwein zum Abschaben der Bors-
ten gebrüht wurde. Kaninchen und Geflügel schlach-
teten Großvater und Vater.
Auf einem Hauklotz, der neben dem Kaninchen-
stall unter der Hoflinde stand, enthauptete Vater an
Selbstver-
sorgungs-
strategien
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einem Sommerabend einmal einen als Sonntagsbra-
ten ausersehenen Hahn und warf ihn zur Seite. Zu
unser aller Erschrecken flog er dann im hohen Bogen
kopflos über unser Haus. Manche Dinge vergisst
man nicht und weiß nicht warum.
Ein besonders festliches Ereignis war das Abend-
essen am Sonntag, wenn im Sommer unsere Berliner
Verwandten mit am Tisch saßen. Dann stand auch
Weißbrot und in einer Thermoskanne Kakao auf
dem Tisch, neben dem hellen Bier auch das Malzbier
für Frauen und Kinder, duftender Tilsiter und
Schweizer Käse, in der runden Holzschachtel der
Camembert Stolper Jungchen und für alle Fälle auch
Mostrich. Da aus der eigenen Wirtschaft Eier, Milch,
Butter, Schmalz, Quark, Wurst und Schinken immer
vorhanden waren, zog ich gekaufte Nahrungsmittel
wie auch Weißbrot dem mit Sauerteig selbst geba-
ckenen Brot aus Roggenmehl und Buttermilch vor.
Und Stuten, Amerikaner, Schnecken und Mohnstrie-
zel, die der Bäcker am Freitag oder Sonnabend ins
Dorf brachte, waren schon als Menge interessanter
anzusehen als Mutters Kuchen und Steinofengebäck
für die Familie.
Unsere Berliner Verwandten sammelten mit Vor-
liebe Blaubeeren. Sie halfen alle drei freudig bei der
Heuernte. Sie liebten den frischen Heuduft über
alles, auch nachts, wenn sie auf dem Heuboden in
ihrem Bretterverschlag schliefen.
Berliner
Sommer-
frischler
Festessen
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Blick auf die alte Mühle mit Gänseweide an der Schottow
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Sie sonnten sich aber auch gerne und ausgiebig
beim Baden im Bach oberhalb der Gänseweide oder
im Waldsee mit seinen angrenzenden Kuhweiden
links und rechts des Weges nach Malenz und Neu
Jugelow und Tante Grete schwärmte für die Pfeffer-
minze aus unserem Garten. Sie saß bei Sonnenschein
schon vormittags gerne am Abhang vor unserem
Hause an der großen Esche und genoss und kom-
mentierte den Duft der dort weit verbreiteten Kamil-
le.
Wenn die Berliner bei uns in der Sommerfrische
waren, musste Mutter manchmal für zwölf Personen
kochen. Wie wir dann an unserem Esstisch in der
kleinen Küche Platz finden konnten, vermag ich mir
bis heute nicht vorzustellen. Ich erinnere auch nicht,
wie das Geschirr und Besteck aussahen, mit dem der
Tisch gedeckt wurde.
Gebuttert wurde anfänglich in einem Holzfass mit
einem Stampfer, später in einem Holzfass mit einer
Drehkurbel. Auch die gleichzeitig gekaufte Zentrifu-
ge wurde so betätigt. Ihr Betrieb verursachte ähnli-
che Geräusche wie ein Brummkreisel, sodass ich sie
in der ersten Zeit auch gerne im Leerlauf drehte.
Vater war wohl sehr stolz, als er im Jahr 1938 die
beiden Maschinen eines Mittags für alle Anwohner
sichtbar durchs Dorf fuhr, sie dann zu unserer
Freude montierte und in Betrieb setzte. Ich habe sie
besonders als schön gestaltete Objekte geschätzt.
Buttern
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Vor dieser maschinellen Ausrüstung unserer
häuslichen Milchwirtschaft gewannen die Eltern die
Sahne zum Buttern, indem sie die obere Schicht von
der erkalteten Milch abpusteten. Zog im Sommer ein
Gewitter auf, war das Buttern mit dem Stampfer
besonders langwierig. Es bildeten sich dann oft nur
kleine Butterperlen in der Sahne, aber die Butter
klumpte nicht.
Fertige Butter wurde gesalzen und dann in einem
geschnitzten Model abgestrichen. Das etwa ein
halbes Pfund schwere rechteckige Stück kam mit
geriffelten Seiten und mit geprägtem Rosenrelief auf
den Tisch.
Während meiner Kindheit verschmähte ich man-
che Lebensmittel und Gerichte total oder aß davon
nur mit äußerstem Widerwillen:
– Schinken mit sichtbaren Sehnen
– Wurst/Sülze mit sichtbaren Schwarten
– Gulasch mit kleinen Sehnen oder Knorpeln
– Geflügelgerichte, die Hautstückchen enthielten
– fette Speckstücke in Bratkartoffeln
– Schwarzsauer aus Gänseklein, Backobst, Kartoffel-
klößen sowie einer Portion mit etwas Mehl ange-
rührtem Gänseblut, süßsauer abgeschmeckt
Zahlreicher waren dagegen die Lieblingsgerichte
aus der Küche meiner Mutter und Schwester:
– Rouladen mit Pfifferlingen und Möhren
Aus der
Speise-
karte
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