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der Getreide- und Heuernten, beim Dreschen oder
beim Transport von Stroh und Heu das Rauchen zu
vielen Zeiten, sodass es deshalb prinzipiell unterlas-
sen wurde. Großvater rauchte hin und wieder eine
Zigarre.
Strümpfe, Handschuhe, Schals und Pullover wur-
den aus Schafwolle gestrickt. In fast jedem Haushalt
gab es auch eine Nähmaschine, mit der Kleidung für
Jung und Alt hergestellt wurde.
Schnittmusterbogen kamen im Abonnement, und
wenn mit der Post wieder neue eingetroffen waren,
wurden mit Nachbarinnen Varianten für einen
vorhandenen Stoff erwogen und Stoff und Schnitt-
muster zum Anschauen oder Ausrädern auf dem
Tisch oder Fußboden ausgebreitet. Manchmal wurde
auch der Katalog vom Versandhaus Josef Witt aus
Weiden nach Anregungen für einen neuen Schnitt
durchblättert und besprochen. In die damals für uns
Kinder in Hinterpommern stets etwas zu groß ge-
nähten neuen Kleidungsstücke mussten wir meis-
tens über längere Zeit hineinwachsen und ebenso
erst wieder herauswachsen, bevor neuer Stoff ge-
kauft und vernäht wurde. Anzüge, Hosen, Jacken
und Mäntel wurden aber auch gewendet und erfor-
derlichenfalls zu kleineren Größen umgearbeitet.
Vater und Großvater zogen zum Kirchgang immer
ihren vom Schneider gefertigten guten blauen An-
zug an, der wohl ein Leben lang modisch blieb und
Kleidung
und
Kleider-
pflege
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getragen wurde. Montags lüftete und bürstete Mut-
ter dann die Anzüge bei gutem Wetter draußen vor
der Tür, bevor sie wieder in den Schrank gehängt
wurden.
Um kleinere Flecken auf Kleidungsstücken zu
beseitigen, tunkte sie bei Bedarf die Kleiderbürste in
Muckefuck, der immer auf einer Untertasse zum
Bürsten bereitgestellt war. Man konnte ja nie wissen.
Nähen, stricken, flicken, stopfen, von Hand wa-
schen und die Wäsche an der Brücke über die Schot-
tow klar spülen, mit einem Holzkohle-Eisen bügeln
und sich überall vorsehen und alles Gute möglichst
wenig benutzen, damit es lange hielt, spielte stets
eine bedeutende Rolle für die Lebenshaltung in der
Familie.
Von Mai bis September liefen wir Kinder auch zur
Schule meistens barfuß, sonst hauptsächlich in
Holzpantinen, den Holzkorken, Hulttuffele oder
Hultkoarke, seltener in gekauften Jesuslatschen.
Sonntags durften Schuhe getragen werden, und man
musste sich überhaupt besser anziehen, besonders
wenn es – zu Fuß an der Schottow entlang – nach
Groß Nossin in die Kirche zum Kindergottesdienst
ging.
Jungen erhielten zur Konfirmation den ersten
Anzug mit langen Hosen. Neben anderen Geschen-
ken erhielt ich im März 1944 zu meiner Konfirmation
einen braunen Anzug, den meine Mutter mit mir im
Zur
Konfir-
mation
Holz-
korken
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Kaufhaus Zeeck in Stolp gekauft hatte. Dazu gehör-
ten die ersten Halbschuhe, jeweils farblich passend
ein Hemd, Hosenträger, Manschettenknöpfe, eine
Krawatte, Krawattenhalter, Ärmelhalter, Strumpf-
halter und Strümpfe, die ich mir bei Zeeck teilweise
selbst als Geschenke meiner Eltern und Verwandten
aussuchen konnte. Alle Geschenke waren am Tage
der Konfirmation auf dem Tisch im Zimmer meiner
Eltern ausgebreitet und zu bewundern. Ich war von
der im Geschmack meiner Mutter farblich abge-
stimmten neuen Garderobe sehr beeindruckt. Nach-
haltig sind Vorstellungen von Art und Weise meiner
Kleidung davon geprägt worden, wenngleich ich
mich bei der Wahl der Garberobe zunehmend häufi-
ger von meiner Frau beraten ließ.
Bis zur Konfirmation trugen Jungen nur kurze
Hosen. Die dann in der kälteren Jahreszeit erforderli-
chen langen Strümpfe waren selbst gestrickt, sie
wurden von Strumpfbändern an einem ebenso selbst
genähten Leibchen gehalten.
Gleich rechts neben dem Treppenaufgang lagen
auf unserem Hausboden viele noch gut erhaltene
Schuhe und Stiefeletten meines schon über 80-
jährigen Großvaters. Ich staunte, dass er so viele
schöne Schuhe getragen und noch gut erhalten
aussortiert hatte. Vor lauter Ehrfurcht über seinen
guten Geschmack fragte ich aber nicht, weshalb er
diese Schuhe nicht mehr trage.
Opas
Schuhe
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Großvater flocht unsere Körbe und Kiepen aus
Wurzeln von Tannen oder Kiefern. Einmal konnte
ich am Mühlenberg zusehen, wie er die Wurzeln aus
dem Waldboden zog und gleich mit seinem Ta-
schenmesser aufspaltete. Holzpantinen aus weichem
und leichtem Holz von Pappeln und Birken fertigte
Großvater mit einem Zieh- und ein paar Stemmei-
sen. Das dafür notwendige Leder wurde von abge-
tragenen Pantinen genommen oder aus abgetrage-
nen Schuhen oder Stiefeln herausgeschnitten. Schu-
he durften nur geputzt weggestellt werden; unter
dem Treppenaufgang zum Hausboden hatten sie
ihren Platz.
Für die Landarbeit gab es Arbeitsschuhe und
Stiefel, Schauh ouh Stäwele. Die abgetragenen wur-
den zu Holzstiefeln – Stiefeln mit Lederschaft und
Holzsohle – umgearbeitet und sehr vorteilhaft im
Winter genutzt. Bei Schnee und Kälte wurden die
Füße in den Stiefeln und Arbeitsschuhen durch
Fußlappen, Zeitungspapier oder Stroh zusätzlich
warm gehalten.
Wirtschaftliche Tätigkeit hatte im Bewusstsein der
Familie in erster Linie die Sparsamkeit und Selbst-
versorgung zum Ziel. Der Verkauf von erwirtschaf-
teten Produkten wie Eier, einer Kuh oder eines
Schweins war aber auch immer ein lebhaft erörtertes
Thema bei Tisch und zwischen Nachbarn. Rüben,
Kartoffeln und Wruken – die fast ausschließlich
Primärer
Erwerbs-
zweck
Körbe
und
Holz-
pantinen
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