Konstantin der Grosse: Kaiser, Mörder, HeiliGer
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kfw GmbH
2013
Um der Frage nachzugehen, ob sich der weltliche Machtanspruch des Vatikans damit nicht bis heute auf
einer Fälschung gründe, reist das team nach rom, wo es mit der Paläographin Barbara Frale zusammen-
trifft. Beim Besuch einer ausstellung in den Kapitolinischen Museen, in deren rahmen der Vatikan bislang
nicht einsehbare dokumente öffentlich zugänglich macht, weist Frale auf einige zentrale aspekte einer in
diesem Zusammenhang wichtigen Urkunde hin: das Privilegium ottonis, das auch als Privilegium ottonia-
num bekannt ist. dieses Privileg, das Kaiser otto i. Papst Johannes Xii. im Jahr 962 gewährte, sicherte dem
Papst in der tat die existenz des Kirchenstaates zu. allerdings geschah dies aller Wahrscheinlichkeit nach
nicht – wie im Film suggeriert – durch die Bestätigung der „Konstantinischen schenkung“. Für ottos Privileg
war eine andere „schenkung“ maßgeblich, die des Frankenkönigs Pippin iii. als dessen Wahl zum König der
Franken im achten Jahrhundert durch Papst Zacharias bestätigt wurde und sich Papst stephan ii. unter den
schutz der Franken stellte, sicherte Pippin Papst stephan weitere territorien im norden roms und im osten
und nordosten der italischen Halbinsel zu. diese schenkung Pippins bestätigte ottos Privileg. Wie Helmut
Beumann darlegt, wurde die „Konstantinische schenkung“ hingegen nicht durch otto i. bestätigt, auch
wenn der Papst dies gern gehabt hätte. andererseits könnte man sicherlich argumentieren, dass die tatsa-
che, dass man davon ausging, ein Kaiser wie Konstantin habe der Kirche Gebiete zugesichert, möglicher-
weise auch für alle nachfolgenden Kaiser maßgeblich war, wenn es darum ging, territorialver-handlungen
mit der Kirche zu führen.
Literaturtipp „Privilegium ottonis“: Helmut Beumann: die ottonen, stuttgart 2000.
in jedem Fall ist dem Fazit der autoren an dieser stelle zuzustimmen, dass das Privilegium ottonis die echt-
heit der „Konstantinischen schenkung“ in dem sinne überflüssig machte, dass die legitimation des Kirchen-
staates durch mittelalterliche Urkunden bestätigt wurde. außerdem ist dem hier gezogenen Fazit auch in-
sofern zuzustimmen, als die „Konstantinische schenkung“ in der tat als eine Fälschung anzusehen ist, die als
legende der Christianisierung Konstantins und dem erhalt der kirchlichen Macht dienen sollte.
diskussionsvorschlag: Wenn man davon ausginge, dass das Privilegium ottonis tatsächlich die – als Fäl-
schung erwiesene – schenkung Konstantins zur Grundlage nahm:
● Könnte man ottos Privileg dann noch als rechtmäßig ansehen?
● Wäre nicht bei Wegfall der Konstantinischen schenkung als Grundlage auch das Privilegium ottonis
als ungültig zu betrachten?
KAp. 09: Die „MAiläNDer VereiNbArUNG“ – Der KAiser UND Die KirChe (Ab 33:24)
die sogenannte „Mailänder Vereinbarung“, die Konstantin mit seinem im ostteil des reiches herrschenden
Mitkaiser licinius im Jahr 313 unterschreibt, hat weitreichende Folgen für die religionsausübung im römi-
schen reich im allgemeinen und für die Kirche im Besonderen; bestimmt diese Vereinbarung doch, dass
alle Menschen im reich ihrer religion frei anhängen und diese frei ausüben können. auch wenn die Chri-
sten explizit genannt werden, betrifft die Vereinbarung damit alle Menschen, die im Gebiet des reiches
wohnen. Für die Kirche hat die Vereinbarung allerdings insofern noch weitreichendere Folgen, als den Chri-
sten die während der Verfolgung konfiszierten Güter, Kirchen und Friedhöfe zurück gegeben werden.
Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass nicht erst die Vereinbarung von Mailand den Christenverfol-
gungen ein ende setzte. schon 311 hatte Galerius als der augustus des ostens in Übereinstimmung mit
seinen Mitherrschern licinius, Konstantin und Maximian daia die ausübung der christlichen religion er-
laubt und das Christentum damit zu einer sogenannten „erlaubten religion“ (religio licita) gemacht. dies
beinhaltete, dass die Christen – wie vor ihnen schon die Juden – vom Kaiserkult und von den opfern für die
staatsgötter ausgenommen wurden. darüber hinaus erlaubte das toleranzedikt von 311, dass die Christen
ihre Kirchen, die in der Verfolgungszeit zerstört worden waren, wiederherstellen durften. als Bedingung
schrieben die Kaiser den Christen – quasi gut römisch – allerdings vor, dass sie nicht gegen die bestehende
ordnung handeln dürften und dass sie zu ihrem Gott für das Heil der Kaiser, des staates und für ihr eigenes
zu beten hätten.
Konstantin der Grosse: Kaiser, Mörder, HeiliGer
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ArbeitsVorsChlAG:
lesen sie die in der Materialsammlung unter M5 angegebenen texte zum toleranzedikt von 311 und zur
Mailänder Vereinbarung von 313. Vergleichen sie die beiden Bestimmungen und arbeiten sie u.a. heraus,
welche Folgen sich hier jeweils für die Christen ergeben. Was bedeutete dies für die religionspolitik des
reiches im allgemeinen? Bedenken sie auch, wie es einzuschätzen ist, dass die Bestimmungen jeweils von
christlichen autoren überliefert werden. inwiefern ist die Perspektive bei der Überlieferung wichtig? im Film
wird die Frage nach der Motivation Konstantins gestellt, die dieser mit Blick auf den erlass der „Mailänder
Vereinbarung“ hatte. auch hier, so die these, sei nicht eindeutig zu klären, ob Konstantin seiner affinität
oder sogar seiner Zugehörigkeit zum Christentum ausdruck verliehen hat oder ob er aus reinem Machtkal-
kül handelte. Ging es ihm vielleicht nur darum, sich der Unterstützung aller Götter - und vielleicht damit
auch aller reichsbewohner - zu versichern, um so sein Ziel der alleinherrschaft im reich zu erreichen?
KAp. 10: KoNstANtiNs sieG über liCiNiUs: seiN WeG ZUr AlleiNherrsChAft (33:18)
nach dem sieg über Maxentius und seiner Machtkonsolidierung im Westen steht Konstantin nur noch sein
im osten herrschender Bündnispartner licinius im Weg zur erlangung der alleinherrschaft. Was mit Blick
auf die Frage nach der Christlichkeit Konstantins interessant ist, ist, dass er seine truppen während des zehn
Jahre dauernden Feldzuges gegen licinius unter dem Zeichen des labarums führt. das labarum war das
Feldzeichen, die standarte, die die römische armee seit Konstantin mit sich führte. Wie im Film (fast korrekt)
zu sehen, handelte es sich dabei um eine lange lanze, an deren oberem teil eine Querstange angebracht
war, von der ein Fahnentuch hing. Über dieser Querstange waren die sogenannten Kaisermedaillons ange-
bracht, die Konstantin und zwei seiner söhne zeigten – dieses detail ist in der spielfilmszene nicht zu sehen.
noch über diesen Medaillons befand sich das sogenannte „Christusmonogramm“, das aus einem griechi-
schen Χ (chi) und einem Ρ (rho) bestand, den anfangsbuchstaben von „Christos“. dabei ist offensichtlich ein
reflex auf Konstantins erlebnisse rund um die schlacht an der Milvischen Brücke zu erkennen, da er der
Überlieferung nach wahrscheinlich das Christusmonogramm nach einer Vision bzw. einem traum auf die
schilde und / oder die rüstungen seiner soldaten malen ließ. auch wenn sich aus Konstantins Verwendung
des labarums nicht eindeutig folgern lässt, dass und vor allem in welcher Form er schon damals ein Christ
war, ist das Mitführen dieses Feldzeichens doch recht aussagekräftig. Zumindest als eine art schutzgott
und militärischen Beistand wird Konstantin Christus damals aller Wahrscheinlichkeit nach betrachtet haben.
KAp. 11: Die GrüNDUNG eiNes NeUeN roMs – KoNstANtiNopel (Ab 34:03)
Unterstützt durch seinen ältesten, allerdings unehelichen sohn Crispus, bezwingt Konstantin im Jahr 324
licinius schließlich nach einem zehn Jahre dauernden Krieg. er ist jetzt Herrscher über das ganze römische
reich, dem er eine neue Hauptstadt, ein „neues rom“, geben will. so gründet er im selben Jahr die alte, im
siebten vorchristlichen Jahrhundert bereits von griechischen – wohl vor allem aus Megara stammenden –
Kolonisten gegründete stadt Byzantion neu und baut sie prachtvoll aus. ob Konstantin selbst die zwischen
dem Goldenen Horn, dem Bosporus und dem Marmarameer gelegene stadt in Constantinopolis umben-
annte oder ob dies erst nach seinem tod geschah, ist in der Forschung umstritten. sicher ist hingegen, dass
die stadt feierlich am 11. Mai 330 eingeweiht wurde und höchst repräsentativ gestaltet war. das heutige, seit
1930 so genannte istanbul zeugt zum teil noch heute von der Pracht der stadt Konstantins.
in istanbul trifft das Filmteam tayfun öner, dessen virtuelle rekonstruktion Konstantinopels zeigt, wie die
stadt im Jahr 1200 ausgesehen haben mag. auch wenn der durch die animation dargestellte Zeitraum ca.
800 Jahre später liegt, lassen sich doch einige spuren der konstantinischen stadt erkennen. Wie bereits
angemerkt, lässt auch das heutige istanbul einige solcher spuren erkennen. auffällig ist dabei, dass die an-
tike stadt anders als das alte rom wohl nicht über große Kirchen verfügte, wie tayfun öner bei einem Be-
such der ältesten erhaltenen Kirche der konstantinopolitanischer stadt, der Hagia eirene, erklärt. in einem
auffälligen Gegensatz dazu steht, dass es auf dem damaligen Konstantinsforum ein anderes Bauwerk gab,
das durchaus durch seine Größe zu beeindrucken vermochte: eine auf einer 37 Meter hohen säule ste-
hende Konstantinsstatue. diese statue habe nach osten geschaut und den Kaiser als sonnengott insze-
niert. auch hier zeigt sich wiederum, wie schwierig es ist, die religiöse Gesinnung Konstantins einzuordnen