Konstantin der Grosse: Kaiser, Mörder, HeiliGer
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kfw GmbH
2013
– war diese christlich oder eine Form der solfrömmigkeit? Manfred Clauss weist in diesem Zusammenhang
darauf hin, dass die römischen Kaiser zu ihren lebzeiten Gott waren, so dass es vorstellbar sei, dass Konstan-
tin sich als Christus gesehen hat. es sei zudem belegt, so Clauss, dass Priester ihn bisweilen als Christus ge-
sehen hätten. interessant ist in diesem Kontext eine weitere Begebenheit, auf die der Film nicht eingeht
und die die Gestaltung der konstantinischen Begräbnisanlage betrifft. eusebius zufolge soll der Kaiser ver-
fügt haben, dass sein sarkophag in der von ihm selbst errichteten apostelkirche in Konstantinopel in der
Mitte von zwölf säulen aufgebahrt wurde, die die Bildnisse der apostel trugen.
Von manchen Forschern wird dies so interpretiert, dass Konstantin in dieser Weise seine Christusähnlichkeit
oder gar Christusgleichheit zum ausdruck bringen wollte, da er sich im Zentrum „seiner“ apostel darstellen
ließ. alternative deutungen nehmen an, dass Konstantin sich „nur“ mit den aposteln in eine reihe stellen
und sich mit diesen und nicht mit Christus identifizieren wollte.
literAtUrtipp ZU KoNstANtiNs GrAbleGUNG:
● Johannes Wienand: der Kaiser als sieger: Metamorphosen triumphaler Herrschaft unter Constantin i.,
Berlin 2012 (hier vor allem Kap. 6)
KAp. 12: KoNstANtiN UND DAs KoNZil VoN NiCäA (Ab 37:41)
als römischer Kaiser hatte Konstantin u.a. das amt der oberaufsicht über alle sakralen Kulte inne, er war der
„oberste Brückenbauer“ (Pontifex maximus). in dieser eigenschaft war er auch zuständig für den Kult der
Christen, deren einheit zu Beginn des vierten Jahrhunderts durch eine tiefgreifende streitfrage bedroht war.
es ging um das innertrinitarische Verhältnis zwischen Vater und sohn.
dieses, angestoßen durch die thesen des alexandrinischen Presbyters arius, war theologisch zu klären. in
welchem Verhältnis stehen Vater und sohn zueinander? ist der sohn gleichen ranges wie der Vater oder
diesem untergeordnet, wie es arius annahm? anders als im Film behauptet, ging es mithin nicht um die
Frage, ob Jesus Christus Gott gleich oder nur ein Mensch war. das damals diskutierte Problem bezog sich
auf eine Frage des Verhältnisses innerhalb der göttlichen dreifaltigkeit und nicht auf die natur des Men-
schen Jesus Christus und darauf, inwiefern dieser Gott war. Bezeichnenderweise spricht arius – zumindest
in den uns überlieferten texten – nie von „Jesus Christus“, sondern nur vom „sohn“, wobei er eine der Per-
sonen der dreifaltigkeit meint. das Problem des Verhältnisses der göttlichen und der menschlichen natur
sollte erst viel später zum thema werden.
arius’ thesen trafen auf heftigen Widerstand von seiten des Bischofs alexander von alexandrien und von atha-
nasius, dem nachfolger alexanders. Während der streit zunächst auf alexandrien beschränkt ist, weitet er sich
bald auf verschiedene teile des reiches aus, was schließlich eine intervention des Kaisers erforderlich macht.
der streit ist aus Konstantins sicht dabei vor allem deswegen problematisch, weil er die einheit der Christen
gefährdet und so auch die ordnung und den Frieden im römischen reich. Gerade nachdem er licinius
geschlagen und die alleinherrschaft errungen hatte, kam Konstantin ein solcher potentieller Unruhefaktor
mehr als ungelegen. dass es Konstantin dabei wohl in der tat nicht primär um die Klärung der theologi-
schen Frage ging, sondern um den erhalt der politischen und gesellschaftlichen ordnung, zeigt ein Brief, in
welchem er sich zu dem Problem mit Unverständnis äußert und auf eine baldige Beendigung der streite-
reien drängt. die ganze angelegenheit sei doch wohl eher von geringerer Bedeutung und es nicht wert,
dass man so viel aufheben um sie macht. an dieser stelle ist zu sehen, dass Konstantin quasi gut römisch
an die sache herangeht und religiöse Fragen mit Blick auf deren Bedeutung für die aufrechterhaltung der
gesellschaftlichen und politischen ordnung einschätzt. dafür spricht auch der Umstand, dass er z. B. dem
Problem der Festsetzung eines einheitlichen ostertermins, den man zu Beginn des vierten Jahrhunderts
noch nicht hatte, weitaus mehr Bedeutung zumaß. Für Konstantin war es vor allem wichtig, dass der Kult
reibungslos funktionierte und dass damit alles getan wurde, um den oder die Götter wohlgesonnen zu
stimmen, so dass die besagte ordnung nicht gefährdet war.
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da sein drängen auf eine schnelle Beilegung des streites nicht den erhofften erfolg hat, beruft Konstantin
im Jahr 325 die christlichen Bischöfe zu einem Konzil nach nicäa ein, dem ersten sogenannten „ökumeni-
schen“ Konzil. auf diesem Konzil, dem der Kaiser der Überlieferung nach selbst präsidierte, wurde die Frage
nach dem innertrinitarischen Verhältnis diskutiert und schließlich eine entscheidung gegen die Position des
arius getroffen. Vater und sohn, so wird es auch im Glaubensbekenntnis von nicäa festgehalten, sind glei-
chen ranges, sie sind „wesensgleich“ (griechisch
:
homoousios).
der Überlieferung zufolge hat Konstantin selbst diese Bestimmung in das Glaubensbekenntnis eingefügt
– historisch ist dies allerdings mehr als unwahrscheinlich. Mit dieser entscheidung werden die thesen des
arius verurteilt und dieser mit seinen anhängern ins exil geschickt. interessanterweise wird Konstantin diese
Verurteilung selbst später allerdings wieder zurücknehmen und die arianische deutung des Verhältnisses
von Vater und sohn favorisieren. Falls er sich tatsächlich auf dem sterbebett taufen ließ, so geschah dies
wohl von einem arianischen Bischof, eusebius von nikomedien.
KAp. 13: KoNstANtiNs throNJUbiläUM – JUbiläUM eiNes MörDers? (Ab 38:37)
im Jahr 326 feiert der auf dem Höhepunkt seiner Macht angelangte Konstantin sein zwanzigjähriges thron-
jubiläum. im Zuge der Vorbereitungen zu diesem Jubiläum kommt es zu einer reihe von todesfällen im
Umfeld der kaiserlichen Familie. sowohl Fausta, Konstantins Frau, als auch Crispus, sein ältester sohn, fallen,
wie einige andere senatoren und Freunde des Kaisers, mysteriösen Mordanschlägen zum opfer. Man geht
dabei davon aus, dass Konstantin selbst hinter diesen anschlägen stand, da er alle beseitigen wollte, die
seine alleinherrschaft möglicherweise gefährden konnten. Weshalb genau beispielsweise Fausta sterben
musste, ist historisch gesehen nicht sicher zu sagen. dass sie ein Verhältnis mit Crispus gehabt haben soll
und Konstantin sie deswegen beseitigen ließ, ist nur eine der Möglichkeiten, die in diesem Zusammenhang
diskutiert werden.
stellen diese Mordfälle, sofern sie tatsächlich auf Konstantin zurückzuführen sind, nicht ein weiteres indiz
dafür dar, dass der Kaiser nicht als Christ anzusehen ist? Zu dieser Frage äußert sich Klaus Martin Girardet
dahingehend, dass Konstantins mutmaßliche rücksichtslosigkeit und Grausamkeit in Fragen der Herrschaft
unserem Verständnis des Christseins sicherlich zuwiderlaufe. Unseren heutigen Maßstäben gemäß sei Kon-
stantin daher sicherlich nicht als Christ einzuschätzen. nach damaligem Verständnis jedoch könne man
Konstantin durchaus als Christ betrachten. Girardets Position zufolge ist es dementsprechend wichtig, un-
sere heutigen Maßstäbe nicht auf die damalige Zeit anzuwenden, sondern die Vergangenheit nach ihren
eigenen Maßstäben zu beurteilen.
KAp. 14: eiNe pilGerfAhrt ZUr VerGebUNG Der süNDeN? (Ab 41:02)
in diesem Kontext ist es zu erwägen, ob die reisen der zum Christentum konvertierten Kaisermutter Helena
ins Heilige land in einem Zusammenhang mit einem möglichen Wunsch Konstantins stehen, Vergebung
für seine sünden zu erlangen. Von diesen reisen Helenas zeugen noch heute Bauwerke im Heiligen land
wie beispielsweise die Grabeskirche in Jerusalem. diese ließ Konstantin der tradition nach errichten, nach-
dem Helena dort die Kreuzigungs- und Grabesstätte Jesu unter einem aphrodite-tempel aufgefunden
hatte. ist es möglich, dass Helena diese reisen unternahm und Konstantin die heiligen stätten errichten ließ,
um so für seine sünden Buße zu tun?
KAp. 15: Der toD KoNstANtiNs – späte reUe eiNes (UN)ChristliCheN KAisers? (Ab 42:10)
Um das Pfingstfest im Jahr 337 liegt Konstantin in seiner residenz in nikomedien im sterben. Wie der Film
szenisch darstellt, überliefern es die christlichen Quellen, dass der Kaiser den arianischen Bischof eusebius
von nikomedien zu sich rufen lässt, um noch kurz vor seinem tod die taufe zu empfangen.
inwiefern es sich dabei um ein historisches Faktum handelt, ist umstritten. Manfred Clauss z.B. vertritt die
auffassung, dass Konstantin Christus als schutzgott betrachtet habe, selbst aber nie Christ gewesen sei.