Konstantin der Grosse: Kaiser, Mörder, HeiliGer
6
©
kfw GmbH
2013
diskussionsvorschlag: an dieser stelle (05:22) könnte man den Film anhalten und eine diskussion zum Pro-
blem sogenannter „historischer Fakten“ initiieren; zeigen doch die zahlreichen Unsicherheiten, mit denen
wir bezüglich der lebensdaten und -wege der Familienmitglieder Konstantins konfrontiert sind, wie wenig
wir wirklich gesichert über die Biographien geschichtlicher Persönlichkeiten wissen.
ausgehend davon könnte man auch eine diskussion zur sicherheit historischen Wissens im allgemeinen
führen.
als leitfragen bieten sich dabei u.a. die folgenden an:
● Woher wissen wir überhaupt etwas über das leben Konstantins? Wer berichtet über sein leben? (z.B.
laktanz, eusebius von Caesarea)
● Wie sind solche Quellen einzuschätzen?
● Welche Gründe haben die autoren, in dieser oder jenen Weise über Konstantin zu berichten?
● Welche Ziele verfolgen ihre darstellungen?
● lässt sich diesen Quellen ein objektives Wissen über das leben und die Zeit Konstantins entnehmen?
KAp. 03: Die ChristeN UND DAs röMisChe reiCh (Ab 05:23)
die Vermutung, dass Konstantin am nikomedischen Hof den christlichen rhetor und apologeten laktanz
kennenlernte, bildet die Überleitung zum nächsten Kapitel. dieses beschäftigt sich zunächst mit der stel-
lung der Christen im römischen reich und anschließend mit Konstantins Verhältnis zum Christentum.
laktanz lebte aller Wahrscheinlichkeit nach von ca. 250 bis ca. 325 und war ein bedeutender christlicher
rhetor und apologet. Wie Jochen Walter betont (s. die literaturtipps zu laktanz), stellen seine divinae insti-
tutiones die erste in lateinischer sprache abgefasste systematische einführungsschrift in den christlichen
Glauben dar. nach seiner ausbildung bei dem rhetoriklehrer arnobius in sicca Veneria (heutiges tunesien)
tut sich laktanz als rhetor bald so sehr hervor, dass er von Kaiser diokletian an den Hof nach nikomedien
berufen wird. als Christ nimmt laktanz am kaiserlichen Hof mit der Zeit immer mehr eine sonderstellung
ein, da diokletians religionspolitik gegenüber Christen zunehmend kritisch wird. ihren Höhepunkt erreicht
diese entwicklung mit der Christenverfolgung der Jahre 303-305. diese bewegt laktanz dazu, sein amt als
rhetor am Hof niederzulegen. ob der Kontakt zwischen Konstantin und laktanz einen einfluss auf Konstan-
tins spätere Haltung zum Christentum hatte, ist in der Forschung umstritten. Manfred Clauss z.B. spricht sich
– wie auch in der dokumentation zu sehen – gegen eine in diese Zeit fallende christliche Prägung Konstan-
tins durch laktanz aus.
literAtUrtipps ZU lAKtANZ:
● K. H. schwarte: art. „laktanz“, in: siegmar döpp / Wilhelm Geerlings (Hrsg.): lexikon der antiken christ-
lichen literatur, Freiburg 1998, 387-388. (sehr wertvoll für weitere literaturempfehlungen)
● elizabeth de Palma digeser: The Making of a Christian Empire. lactantius & rome, ithaca, london 2000.
● Jochen Walter: Pagane texte und Wertvorstellungen bei lactanz, Göttingen 2006.
im weiteren Verlauf dieses dritten Kapitels werden einige aspekte des Verhältnisses zwischen den Christen
und dem römischen staat angesprochen. Vieles davon wird dabei nur kurz angedeutet und bedarf weite-
rer erklärungen.
3.1 Die VerfolGUNG Der ChristeN iM röMisCheN reiCh (Ab 05:48)
ein erstes wichtiges thema sind die ab dem ersten Jahrhundert immer wieder im reich zu verzeichnenden
Christenverfolgungen.
Konkret geht es im Film zunächst um die letzte große Christenverfolgung unter Kaiser diokletian, die auf die
Jahre 303 bis 305 anzusetzen ist. in der tat ist Konstantin selbst Zeuge dieser Verfolgung geworden, welche
rolle er in diesem Zusammenhang spielte, ist allerdings, historisch gesehen, nicht sicher zu eruieren.
Konstantin der Grosse: Kaiser, Mörder, HeiliGer
7
als Gründe für die diokletianische Verfolgung werden (ab 06:00) vor allem zwei Faktoren genannt: zum ei-
nen der Umstand, dass die Zahl der Christen größer geworden sei, zum anderen die Weigerung der Chri-
sten, den römischen staatsgöttern zu opfern. der Glaube an ihren Gott habe es den Christen unmöglich
gemacht, den Göttern roms zu opfern und sie so zu potentiellen staatsfeinden gemacht. Während die
autoren des Films die Zunahme der Zahl der Christen als Grund für ihre Verfolgung im Folgenden wieder
relativiert („rein zahlenmäßig stellen die Christen keine Bedrohung dar“, 06:38-06:56), wird der zweite Punkt
genauer ausgeführt. dazu wird ein statement Klaus Martin Girardets eingespielt, der auf die staatstragende
rolle römischer religiosität hinweist. die Bürgergemeinschaft sei im römischen reich gleichzeitig als eine
Kultgemeinschaft zu verstehen gewesen, deren opfer nach römischem Verständnis die stabilität des rei-
ches aufrecht erhalten haben.
3.2 exKUrs: röMisChe reliGiosität
den ausführungen Girardets sollen im Folgenden einige Punkte hinzugefügt werden, die das Verständnis
für die Gründe der Christenverfolgungen im imperium romanum noch vertiefen können. Girardets Posi-
tion aufnehmend ist zunächst festzuhalten, dass die Vielzahl der römischen Kulte im allgemeinen tatsäch-
lich darauf abzielte, die natürliche ordnung des Kosmos oder die öffentliche ordnung des reichs aufrecht
zu erhalten. Generell galt dabei das Prinzip des sogenannten „do ut des“ - „ich gebe, damit du gibst“. indem
man folglich als römer seine rituellen Pflichten erfüllte und etwas für die Götter tat, da man ihnen z.B. oper
darbrachte, konnte man sich auch leistungen von deren seite erhoffen. in dieser Weise vermochten die
kultischen Bräuche aus römischer sicht den Bezug zwischen den Bereichen des Menschlichen und des
„Heiligen“ herzustellen. Brachte man allerdings die opfer nicht dar und gab man den Göttern nicht das, was
ihnen zustand, gefährdete man dementsprechend die ordnung des Kosmos und den Bestand des reiches.
Vor diesem Hintergrund ist verständlich, weshalb die Weigerung der Christen, am Kult teilzunehmen, auf so
viel ablehnung stoßen musste; zeugte doch das staats- und gesellschaftsgefährdende Verhalten der Chri-
sten aus römischer sicht von einem tiefliegenden „Hass auf das Menschengeschlecht“, wie es tacitus in
seinen annales 15,44 formuliert.
dass es schließlich zu wirklichen Verfolgungen von Christen kam, ist in gewisser Weise dennoch erstaunlich.
denn prinzipiell waren die römer in Fragen der religionsausübung sehr tolerant. so hatte die römische
religion eigentlich eine hohe integrative Kraft, was fremde religionen und Kulte betraf. es gab sogar gere-
gelte Verfahren zur aufnahme solcher Kulte in die römische religion (stichwort: sacra peregrina recepta).
das ging so weit, dass man im Kriegsfall versuchte, die schutzgottheiten der Kriegsgegner dazu zu bewe-
gen, zur eigenen Partei überzulaufen. Zudem gab es schon seit der Zeit der römischen republik das ritual
der
invocatio, mit dem fremde Götter eingeladen wurden, ihren sitz in rom zu nehmen.
Überdies galt, dass
der Besitz des römischen Bürgerrechtes religionsneutral war. Bürger konnte werden, wer über Besitz und
lateinkenntnisse verfügte. dabei war es nicht wichtig, einer bestimmten religion zuzugehören oder sich zu
Jupiter als dem höchsten Gott zu bekennen. im Fall bestimmter religionen, die sich von sich aus nicht ganz
leicht integrieren ließen, waren die römer sogar bereit, sonderregelungen für diese aufzustellen.
die Juden z.B. waren von der Verehrung der staatsgötter und vom Militärdienst befreit und durften ihre
religion weitgehend frei ausüben. trotz dieser sonderregelungen kam es allerdings immer wieder zu
kleineren Judenverfolgungen, was zeigt, wie wichtig den römern die teilnahme am staatskult war. Zu
guter letzt ist darauf hinzuweisen, dass die religiöse Betätigung der einzelnen Bürger in der regel nicht
kontrolliert wurde. Zumindest bis zur Mitte des dritten Jahrhunderts – und auch da nur ausnahmsweise
– gab es keine anwesenheitspflicht bei den opferhandlungen. Grundsätzlich galt hier, dass die römer
zwischen dem privaten Kult (sacra privata) und dem staatskult (sacra publica) unterschieden. Während
ersterer durch den Pater familias sichergestellt wurde, kümmerten sich um den staatskult Priester, die
den rang von staatsbeamten hatten. als oberster Beamter fungierte hier der Pontifex Maximus.
all diese Möglichkeiten und „angebote“ von seiten des römischen „religionssystems“ griffen im Fall der Chri-
sten nicht; sahen diese doch von sich aus keine Möglichkeit, sich durch die teilnahme an opferhandlungen