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(3)
Zur Feststellung
des Unvermögens in einem
bestimmten Fall prüft der Gerichtshof, ob der Staat wegen des
völligen oder weitgehenden Zusammenbruchs oder der mangelnden
Verfügbarkeit seines innerstaatlichen Justizsystems nicht in der Lage
ist, des Beschuldigten habhaft zu werden oder die erforderlichen
Beweismittel und Zeugenaussagen zu erlangen, oder aus anderen
Gründen nicht in der Lage ist, ein Verfahren durchzuführen.
Artikel 18 - Vorläufige Entscheidungen betreffend die Zulässigkeit
(1)
Wurde eine Situation nach Artikel 13 Buchstabe a dem
Gerichtshof unterbreitet und hat der Ankläger festgestellt, dass eine
hinreichende Grundlage für die Einleitung von Ermittlungen bestünde,
oder leitet der Ankläger Ermittlungen nach Artikel 13 Buchstabe c und
Artikel
15 ein, so benachrichtigt der Ankläger förmlich alle
Vertragsstaaten und diejenigen Staaten, die unter Berücksichtigung
der zur Verfügung stehenden Informationen im Regelfall die
Gerichtsbarkeit über die betreffenden Verbrechen ausüben würden.
Der Ankläger kann diese Staaten vertraulich benachrichtigen und,
sofern er dies für notwendig hält, um Personen zu schützen, die
Vernichtung von Beweismitteln oder die Flucht von Personen zu
verhindern, den Umfang der den Staaten zur Verfügung gestellten
Informationen begrenzen.
(2)
Binnen eines Monats nach Eingang dieser
förmlichen Benachrichtigung kann ein Staat den Gerichtshof davon in
Kenntnis setzen, dass er gegen seine Staatsangehörigen oder
andere Personen unter seiner Hoheitsgewalt in Bezug auf Straftaten
ermittelt oder ermittelt hat, die möglicherweise den Tatbestand der in
Artikel
5 bezeichneten Verbrechen erfüllen und die mit den
Informationen in Zusammenhang stehen, welche in der an die
Staaten gerichteten Benachrichtigung enthalten sind. Auf Ersuchen
des betreffenden Staates stellt der Ankläger die Ermittlungen gegen
diese Personen zugunsten der Ermittlungen des Staates zurück, es
sei denn, die Vorverfahrenskammer beschließt auf Antrag des
Anklägers, diesen zu den Ermittlungen zu ermächtigen.
(3)
Die Zurückstellung der Ermittlungen durch
den Ankläger zugunsten der Ermittlungen eines Staates kann vom
Ankläger sechs Monate nach dem Zeitpunkt der Zurückstellung oder
jederzeit überprüft werden, wenn sich aufgrund des mangelnden
Willens oder des Unvermögens des betreffenden Staates zur
ernsthaften Durchführung von Ermittlungen die Sachlage wesentlich
geändert hat .
(4)
Der betreffende Staat oder der Ankläger kann
nach Artikel 82 gegen eine Entscheidung der Vorverfahrenskammer
bei der Berufungskammer Beschwerde einlegen. Die Beschwerde
kann beschleunigt behandelt werden.
(5)
Hat der Ankläger nach Absatz 2 Ermittlungen
zurückgestellt, so kann er den betreffenden Staat ersuchen, ihn
regelmäßig über den Fortgang seiner Ermittlungen und jede
anschließende Strafverfolgung zu unterrichten. Die Vertragsstaaten
kommen einem solchen Ersuchen ohne unangemessene
Verzögerung nach.
(6)
Bis zu einer Entscheidung der
Vorverfahrenskammer oder jederzeit, nachdem der Ankläger nach
diesem Artikel Ermittlungen zurückgestellt hat, kann er
ausnahmsweise die Vorverfahrenskammer um die Ermächtigung zu
notwendigen Ermittlungsmaßnahmen zum Zweck der Sicherung von
Beweismitteln ersuchen, wenn eine einmalige Gelegenheit zur
Beschaffung wichtiger Beweismittel oder eine erhebliche Gefahr
besteht, dass diese Beweismittel später nicht verfügbar sein werden.
(7)
Ein Staat, der eine Entscheidung der
Vorverfahrenskammer nach diesem Artikel angefochten hat, kann die
Zulässigkeit einer Sache nach Artikel 19 aufgrund zusätzlicher
wesentlicher Tatsachen oder einer wesentlichen Änderung der
Sachlage anfechten.
Artikel 19 - Anfechtung der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs
oder der Zulässigkeit einer Sache
(1)
Der Gerichtshof vergewissert sich, dass er in
jeder bei ihm anhängig gemachten Sache Gerichtsbarkeit hat. Der
Gerichtshof kann aus eigener Initiative über die Zulässigkeit einer
Sache nach Artikel 17 entscheiden.
(2)
Sowohl die Zulässigkeit einer Sache aus den
in Artikel 17 genannten Gründen als auch die Gerichtsbarkeit des
Gerichtshofs können angefochten werden von
a)
einem Angeklagten oder einer Person, gegen die ein
Haftbefehl oder
eine Ladung
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nach Artikel 58 ergangen
ist,
b)
einem Staat, der Gerichtsbarkeit über eine Sache hat,
weil er in der Sache Ermittlungen oder eine
Strafverfolgung durchführt oder durchgeführt hat, oder
c)
einem Staat, der nach Artikel 12 die Gerichtsbarkeit
anerkannt haben muss.
(3)
Der Ankläger kann über eine Frage der
Gerichtsbarkeit oder der Zulässigkeit eine Entscheidung des
Gerichtshofs erwirken. In Verfahren über die Gerichtsbarkeit oder die
Zulässigkeit können beim Gerichtshof auch diejenigen, welche ihm
die Situation nach Artikel 13 unterbreitet haben, sowie die Opfer
Stellungnahmen abgeben.
(4)
Die Zulässigkeit einer Sache oder die
Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs kann
von jeder in Absatz
2
bezeichneten Person oder jedem dort bezeichneten Staat nur einmal
angefochten werden. Die Anfechtung erfolgt vor oder bei Eröffnung
des Hauptverfahrens. Unter außergewöhnlichen Umständen kann der
Gerichtshof gestatten, eine Anfechtung mehr als einmal oder erst
nach Eröffnung des Hauptverfahrens vorzubringen. Anfechtungen der
Zulässigkeit einer Sache, die bei oder, sofern der Gerichtshof dies
gestattet, nach Eröffnung des Hauptverfahrens vorgebracht werden,
können nur auf Artikel 17 Absatz 1 Buchstabe c gestützt werden.
(5)
Ein in Absatz
2 Buchstaben
b und c
bezeichneter Staat bringt eine Anfechtung bei frühestmöglicher
Gelegenheit vor.
(6)
Vor Bestätigung der Anklage werden
Anfechtungen der Zulässigkeit einer Sache oder Anfechtungen der
Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs an die Vorverfahrenskammer
verwiesen. Nach Bestätigung der Anklage werden sie an die
Hauptverfahrenskammer verwiesen. Gegen Entscheidungen über die
Gerichtsbarkeit oder die Zulässigkeit kann nach Artikel 82 bei der
Berufungskammer Beschwerde eingelegt werden.
(7)
Bringt ein in Absatz 2 Buchstabe b oder c
bezeichneter Staat eine Anfechtung vor, so setzt der Ankläger die
Ermittlungen so lange aus, bis der Gerichtshof eine Entscheidung
nach Artikel 17 getroffen hat.
(8)
Bis zu einer Entscheidung des Gerichtshofs
kann der Ankläger diesen um die Ermächtigung ersuchen,
a)
notwendige Ermittlungsmaßnahmen der in Artikel
18
Absatz 6 bezeichneten Art zu ergreifen,
b)
schriftliche oder mündliche Zeugenaussagen einzuholen
oder die Erhebung
und Prüfung von Beweismitteln
abzuschließen, mit der vor Erklärung der Anfechtung
begonnen worden war, und
c)
in Zusammenarbeit mit den in Betracht kommenden
Staaten die Flucht von Personen zu verhindern, für die er
bereits einen Haftbefehl nach Artikel 58 beantragt hat.
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CH: Vorladung.