- 10 -
(9)
Das Vorbringen
einer Anfechtung
beeinträchtigt nicht die Gültigkeit einer zuvor vom Ankläger
vorgenommenen Handlung oder einer Anordnung oder eines Befehls
des Gerichtshofs.
(10)
Hat der Gerichtshof entschieden, dass eine Sache nach
Artikel 17 unzulässig ist, so kann der Ankläger eine Überprüfung der
Entscheidung beantragen, wenn seiner vollen Überzeugung nach
infolge neuer Tatsachen die Grundlage entfällt, derentwegen die
Sache zuvor nach Artikel 17 für unzulässig befunden worden war.
(11)
Stellt der Ankläger unter Berücksichtigung der in Artikel 17
genannten Angelegenheiten Ermittlungen zurück, so kann er den
betreffenden Staat ersuchen, ihm Informationen über das Verfahren
zur Verfügung zu stellen. Auf Ersuchen des betreffenden Staates sind
diese Informationen vertraulich. Beschließt der Ankläger danach die
Fortführung der Ermittlungen, so benachrichtigt er den Staat, zu
dessen Gunsten das Verfahren zurückgestellt wurde.
Artikel 20 - Ne bis in idem
(1)
Sofern in diesem Statut nichts anderes
bestimmt ist, darf niemand wegen eines Verhaltens vor den
Gerichtshof gestellt werden, das den Tatbestand der Verbrechen
erfüllt, derentwegen er bereits vom Gerichtshof verurteilt oder
freigesprochen wurde.
(2)
Niemand darf wegen eines in Artikel
5
bezeichneten Verbrechens, dessentwegen er vom Gerichtshof bereits
verurteilt oder freigesprochen wurde, vor ein anderes Gericht gestellt
werden.
(3)
Niemand, der wegen eines auch nach
Artikel 6, 7 oder 8 verbotenen Verhaltens vor ein anderes Gericht
gestellt wurde, darf vom Gerichtshof für dasselbe Verhalten belangt
werden, es sei denn, das Verfahren vor dem anderen Gericht
a)
diente dem Zweck, ihn vor strafrechtlicher
Verantwortlichkeit für
der Gerichtsbarkeit des
Gerichtshofs unterliegende Verbrechen zu schützen oder
b)
war in sonstiger Hinsicht nicht unabhängig
oder unparteiisch entsprechend den völkerrechtlich
anerkannten Grundsätzen eines ordnungsgemäßen
Verfahrens und wurde in einer Weise geführt, die unter
den gegebenen Umständen mit der Absicht, die
betreffende Person vor Gericht zu stellen, unvereinbar
war.
Artikel 21 - Anwendbares Recht
(1)
Der Gerichtshof wendet Folgendes an:
a)
an erster Stelle dieses Statut, die
„Verbrechenselemente“ sowie seine Verfahrens- und
Beweisordnung;
b)
an zweiter Stelle, soweit angebracht,
anwendbare Verträge sowie die Grundsätze und Regeln
des Völkerrechts, einschließlich der anerkannten
Grundsätze des internationalen Rechts des bewaffneten
Konflikts;
c)
soweit solche fehlen, allgemeine
Rechtsgrundsätze, die der Gerichtshof aus
einzelstaatlichen Rechtsvorschriften der Rechtssysteme
der Welt, einschließlich, soweit angebracht, der
innerstaatlichen Rechtsvorschriften der Staaten, die im
Regelfall Gerichtsbarkeit über das Verbrechen ausüben
würden, abgeleitet hat, sofern diese Grundsätze nicht mit
diesem Statut, dem Völkerrecht und den international
anerkannten Regeln und Normen unvereinbar sind.
(2)
Der Gerichtshof kann Rechtsgrundsätze und
Rechtsnormen entsprechend seiner Auslegung in früheren
Entscheidungen anwenden.
(3) Die Anwendung und Auslegung des Rechts nach diesem Artikel
muss mit den international anerkannten Menschenrechten vereinbar
sein und darf keine benachteiligende Unterscheidung etwa aufgrund
des Geschlechts im Sinne des Artikels 7 Absatz 3, des Alters, der
Rasse, der Hautfarbe, der Sprache, der Religion oder
Weltanschauung, der politischen oder sonstigen Anschauung, der
nationalen, ethnischen oder sozialen Herkunft, des Vermögens, der
Geburt oder des sonstigen Status machen.
T
EIL
3: A
LLGEMEINE
G
RUNDSÄTZE DES
S
TRAFRECHTS
Artikel 22 - Nullum crimen sine lege
(1)
Eine Person ist nur dann nach diesem Statut
strafrechtlich verantwortlich, wenn das fragliche Verhalten zur Zeit der
Tat den Tatbestand eines der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs
unterliegenden Verbrechens erfüllt.
(2)
Die Begriffsbestimmung eines Verbrechens
ist eng auszulegen und darf nicht durch Analogie erweitert werden. Im
Zweifelsfall ist die Begriffsbestimmung zugunsten der Person
auszulegen, gegen die sich die Ermittlungen, die Strafverfolgung oder
das Urteil richten.
(3)
Dieser Artikel bedeutet nicht, dass ein
Verhalten nicht unabhängig von diesem Statut als nach dem
Völkerrecht strafbar beurteilt werden kann.
Artikel 23 - Nulla poena sine lege
Eine vom Gerichtshof für schuldig erklärte Person darf nur nach
Maßgabe dieses Statuts bestraft werden.
Artikel 24 - Rückwirkungsverbot ratione personae
(1)
Niemand ist nach diesem Statut für ein
Verhalten strafrechtlich verantwortlich, das vor Inkrafttreten des
Statuts stattgefunden hat.
(2)
Ändert sich das auf einen bestimmten Fall
anwendbare Recht vor dem Ergehen des rechtskräftigen Urteils, so
ist das für die Person, gegen die sich die Ermittlungen, die Straf-
verfolgung oder das Urteil richten, mildere Recht anzuwenden.
Artikel 25 - Individuelle strafrechtliche Verantwortlichkeit
(1)
Der Gerichtshof hat aufgrund dieses Statuts
Gerichtsbarkeit über natürliche Personen.
(2)
Wer ein der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs
unterliegendes Verbrechen begeht, ist dafür in Übereinstimmung mit
diesem Statut individuell verantwortlich und strafbar.
(3)
In Übereinstimmung mit diesem Statut ist für
ein der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs unterliegendes Verbrechen
strafrechtlich verantwortlich und strafbar, wer
a)
ein solches Verbrechen selbst,
gemeinschaftlich mit einem anderen oder durch einen
anderen begeht, gleichviel ob der andere strafrechtlich
verantwortlich ist;
b)
die Begehung eines solchen Verbrechens,
das tatsächlich vollendet oder versucht wird, anordnet,
dazu auffordert oder dazu anstiftet;
c)
zur Erleichterung eines solchen Verbrechens
Beihilfe oder sonstige Unterstützung bei seiner Begehung
oder versuchten Begehung leistet, einschließlich der
Bereitstellung der Mittel für die Begehung;