Geboren wurde, wissen wir nicht von ihm selbst



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Insofern das Eine, der Geist und die Seele Hypostasen des Guten sind, gibt es in ihnen 

Gestalten, ja, es geht darum im Denken, die εἴδη, die Ideen vielleicht, zu „sehen“. Das ist 

das Denken des Geistes. Das Böse aber ist gestaltlos, besteht gerade darin dass es eine 

στέρησις der Gestalt gibt. Was damit gemeint ist, sagt Plotin hier noch nicht. Immerhin 

ließe sich darüber nachdenken, was wir denn das Böse nennen, wenn wir ihm eine 

intelligible Gestalt zuweisen? Wir könnten natürlich auch fragen: ist denn das Gute nicht 

auch Beraubung von Gestalt? Nein, das ist für Plotin keine mögliche Frage, denn das 

Gute ist der neidlose Ursprung der Gestalt, weshalb auch die Gestalten prinzipiell gut sind. 

Dass das Böse aber kein Ursprung sein kann, ist klar, denn überhaupt das Geben des 

Ursprungs ist ja etwas Gutes - ich habe darauf hingewiesen, dass wir für gewöhnlich 

davon ausgehen, dass es immer besser ist, es gibt etwas, als dass es nichts gibt. Und - 

übrigens - wir glauben auch, dass es immer besser ist, wenn es mehr von dem, was es 

gibt, gibt.

Also - es ist klar, warum Plotin das Böse die Abwesenheit des Guten oder die Beraubung 

von Gestalt nennt. Doch damit ist noch nicht das Problem gelöst, wie man nun diese 

Abwesenheit des Guten oder die Beraubung von Gestalt erkennen soll. Eine Abwesenheit 

ist ja als solche nicht zu erkennen. Plotins Lösung des Problems geht so: wenn ich schon 

das Böse / Üble nicht als solches erkennen kann, dann vielleicht von seinem Gegensatz 

(ἐναντίον) her, d.h. vom Guten her. Es geht daher zunächst darum, das Wesen des 

Guten φύσις zu bestimmen. Da schreibt nun der Philosoph: „Es ist dasjenige, an das alles 

geknüpft ist und wonach ‚alles Seiende trachtet‘, da es in ihm seinen Urgrund ἀρχή hat 

und seiner bedürftig ist; selbst aber ist es unbedürftig, sich selbst genug, keines Dinges 

ermangelnd, Maß und Grenze aller Dinge, und gibt aus sich dar Geist und Substanz und 

Seele und Leben und Betätigung auf den Geist hin. Bis zu Ihm hinaus ist alles schön: Er 

selbst ist über dem Schönen und jenseits dieser Herrlichkeiten, er ist König im geistigen 

Reich, wobei Geist dort droben nicht dem entspricht, was man nach dem bei uns so 

genannten Geist annehmen mag.“ Wir kennen das nun inzwischen oder sollten es kennen. 

Das Eine und Gute ist das, wovon alles ausgeht und wohin alles zurückstrebt. Dieses 

Zurückstreben - wie z.B. bei der Seele - ist nun Ausdruck einer Bedürftigkeit, die das Gute 

selbst natürlich nicht haben kann, denn es strebt nicht, es ruht still in sich in Ewigkeit. Ja, 

es ist sogar nicht nur so, dass das Eine und Gute nicht nur nicht strebt, sondern dass es 

„über“ ὑπέρ allem ist, also außerhalb Allem in vollkommener Transzendenz. 

Der Geist - d.h. das unmittelbare Sichselbstdenken, unterschieden vom schließenden 

Denken - und die Seele, die, wie es heißt, „um den Geist ihren Reigen tanzt“, können also 

nicht und niemals irgendwie mit dem Bösen in Zusammenhang gebracht werden. Dennoch 

- wenn wir nun die Merkmale des Guten kurz und bündig festgestellt haben: Unbedürftig, 

sich selbst genug, keines Dinges ermangelnd, Maß und Grenze aller Dinge - dann kann 

nun ex negativo das Böse zur Sprache kommen.

Zunächst ist dabei dann festzuhalten, dass wir bei dem Guten und den drei Hypostasen 

vom Seienden (τὰ ὄντα) und vom Jenseits des Seienden (ἐπέκεινα τῶν ὄντων) 

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gesprochen haben. Das bedeutet dann aber, dass das Böse/Üble etc. nicht zum Seienden 

und nicht zum Jenseits des Seienden gehören kann. Das meint dann aber, dass es „unter 

die nichtseienden Dinge gehört und gewissermaßen eine Gestalt des Nichtseienden ist 

und einem der Dinge anhaftet, die mit dem Nichtseienden vermengt sind oder sonstwie 

Gemeinschaft mit ihm haben“. Das Böse ist μὴ ὄν, nichtseiend. Es kann auch sein, dass 

es an etwas vorkommt, akzidentell an etwas vorkommt, dass irgendwie mit dem 

Nichtseienden Gemeinschaft hat. 

Plotin macht aber sofort klar, dass es nicht „schlechthin nicht existierend“ sein kann. Nein, 

das Nichtseiende, von dem hier die Rede ist, existiert, nur nicht so wie das Seiende und 

das Jenseits des Seienden der drei Hypostasen. Was soll das aber sein, dieses 

existierende Nichtseiende? Plotin schreibt: „So kann man denn zu einer Vorstellung vom 

Bösen gelangen, so gibt es im Denken ein Böses: es ist gewissermaßen Ungemessenheit 

gegen Maß, Unbegrenztheit gegen Grenze, Ungestaltetheit gegen gestaltende Kraft und 

ewige Bedürftigkeit gegen Selbstgenügsamkeit, ist immer unbestimmt und niemals 

ruhend, jeglicher Einwirkung unterworfen, nie zu ersättigen, vollständige Armut; und diese 

Bestimmungen sind ihm nicht zufällige Begleitumstände, sondern machen sozusagen 

seine Substanz, sein Wesen, aus.“ Sie sehen, das sind die genauen Verneinungen des 

Guten, die genauen Beraubungen des Guten sozusagen. 

Nun müssen aber diese Bestimmungen nicht nur nebenbei so am Seienden vorkommen 

(die Seele ist ja auch gewissermaßen bedürftig, aber sie ist nicht Bedürftigkeit), sondern 

es muss ein Wesen geben, etwas, das diese Bestimmungen gleichsam repräsentiert:  

„Was soll dann aber ‚Ungemessenheit‘ bedeuten, wenn sie sich nicht am Ungemessenen 

zeigt?“ Das aber, ist unmöglich, denn wenn es etwas Ungemessenes gibt, dann brauchen 

wir keine Ungemessenheit. Und wenn es sich um etwas Gemessenes handelt, dann kann 

ja auch daran keine Ungemessenheit vorkommen. Also muss es Etwas geben, welches an 

sich selber unbegrenzt ist ἄπειρον und gestaltlos und welches die vorher angegebenen 

Bestimmungen erfüllt.

Das aber ist die Materie, zu griechisch die ὕλη. So heißt es: „Materie also, welche den 

Figuren, Gestalten, Maßen und Grenzen zur Unterlage ὑποκείμενον dient, sie, die sich 

mit fremder Zier schmückt, denn sie hat aus sich selber nichts Gutes, sondern ist nur ein 

Schattenbild im Vergleich mit dem Seienden, vielmehr die Substanz des Bösen (sofern es 

auch vom Bösen irgendwie eine Substanz geben kann): sie ist es, welche unser 

Gedankengang aufdeckt als das erste Böse und das an sich Böse.“ Ich hatte schon 

darüber gesprochen, welches seltsame „Ding“ die πρώτη ὕλη des Aristoteles ist. Es geht 

bei dieser ersten Materie nicht darum, dass sie sich als ein spezifisches Material zeigt, 

also z.B. als Holz für einen Tisch. Vielmehr geht es bei dieser Materie, die Plotin mit dem 

Unbegrenzten und Gestaltlosen identifiziert um die Materie aller Materialien (wenn man 

einmal so reden kann). Nun - und diese unbegrenzte und gestaltlose Materie ist in der Tat 

unsichtbar, ja es gibt sie eigentlich nicht. Insofern hat also Plotin sogar Recht: die Materie 

ist nicht seiend. 

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