unterschieden, die Form. Die formt den Stoff, d.h. das Ding erscheint. Das wird hier als
das Dritte genannt.
Das Wesen, die ousía aber, sagt Aristoteles, sei darüber hinaus auch Vollendung,
ἐντελέχεια. Was meint das? Das ist nicht leicht zu sagen. Aristoteles gibt zwei Beispiele
dafür an: das Wissen und das Betrachten, die Theorie. Das Wissen und Betrachten sind
nicht einfach in einem Schlag da, es gibt eine intrinsische Bewegung auf ein Ziel hin.
Diese Bewegung auf ein Ziel hin kommt ihnen nicht von Außen zu, sondern von innen.
Das meint, dass diese Angelegenheiten ein Ziel in sich selbst haben. Das Denken hat ein
Ziel in sich, nämlich das Denken selbst. Zuletzt will sich das Denken selbst denken, wie im
Geist, dem höchsten Seienden.
Der Körper, σῶμα, ist für Aristoteles Materie, aber natürlich geformte Materie. Diese Form
aber hat der Körper von der Seele. Sie ist also εἶδος und als solche dann auch die
Entelechie, Vollendung des Körpers. Dass die Seele ihr Ziel in sich hat, zeigt sich darin,
dass ihr höchstes Vermögen das Denken ist. Der Körper hat demnach sein Ziel im
Denken, in der Seele, aber dieses Ziel hat er durch die Seele selbst. Daher kann Plotin
hier davon sprechen, dass die Seele den ganzen Kosmos schafft und formt.
Das kann sie freilich nur, weil sie selber vom Geist stammt. Plotin sagt:
„Da also die Seele vom Geist stammt, ist sie geisthaft, ihr Geist bewegt sich in
Überlegungen, ihre Vollendung erhält sie erst wieder vom Geist, der gleichsam wie ein
Vater den Sohn aufzieht, den er als ein im Verhältnis zu ihm noch Unvollkommenes
erzeugt hatte. So kommt also der Seele die Existenz (hypostasis) vom Geist; es besteht
aber auch die Verwirklichung ihres Begriffes darin, daß sie den Geist schaut.“
Das meint also die Analogie im Entstehen der verschiedenen Hypostasen. Wie die Seele
über die Materie herrscht, so der Geist über die Seele, die so alles von diesem hat. Das
höchste Vermögen der Seele ist das Denken. Doch welches Denken? Vom Geist hatten
wir gesagt, dass er sich in Einem Blick selber sieht, intuitiv selbst denkt, wenn er denkt.
Der Geist sieht alles in einer einheitlichen Synthesis zusammen, kann alles so
zusammensehen. Die Seele jedoch legt die Gedanken auseinander, denkt diskursiv einen
Gedanken nach dem anderen.
Doch dieses Durchdenken muss noch genauer gefasst werden. Der Geist enthält die in
eine Einheit synthetisierten Ideen in sich. Die Seele führt diese Einheit gleichsam aus,
indem sie sie in sich entfaltet. Doch diese Entfaltung geht noch weiter. Wir haben schon
gehört, dass die Seele den gewaltigen Kosmos schafft. D.h. sie entfaltet diese Ideenreihen
auch außer sich zu den sinnlichen Erscheinungen, zu den Wahrnehmungen. Sie erzeugt
die erscheinende φύσις. Dieses Erzeugen aber findet bereits auf der ersten Stufe, dem
Einen statt:
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„Denn wohnt doch jedem Wesen inne ein Streben, das nach ihm Seiende hervorzubringen
und sich selbst zu entfalten, wie aus einem Samen von einem teillosen Ursprung aus
fortzuschreiten zum Ziel der sinnlichen Erscheinungen, wobei jedoch das Ursprünglichere
stets an dem ihm eigenen Ort verharrt und das nach ihm Seiende nur gleichsam aus sich
gebiert vor übergewaltiger Kraft, deren Fülle es in sich trägt und die es nicht in Schranken
des Neides zurückhalten durfte, sondern sie musste immer weiter schreiten, getrieben von
der unermesslichen Kraft, welche ihre Wirkung über alles hin sendet und sich keinem
vorenthalten mochte; denn nichts konnte hindern, daß ein jegliches, je im Grad seines
Vermögens, an der Wesenheit des Guten (d.h. des Einen) Anteil erhielt.“ IV 8 (Über den
Abstieg der Seele in die Leibeswelt)
Alles ist hier Entfaltung, weil es - seltsam - dem Einen, dem Geist und der Seele nicht
erlaubt ist, in den „Schranken des Neides“ zu bleiben. Das verweist auf den Abschluss
unserer letzten Stunde. Dort hatte ich die metaphysische Frage überhaupt gestellt,
nämlich warum gibt es eher etwas als nichts. Plotin beantwortet das durch die Gutheit des
Einen, von dem ausgehend auch die beiden anderen Hypostasen und so überhaupt das
Sein gut ist. Also stimmt nicht, was Mephistopheles in Faust I sagt: „Ich bin der Geist der
stets verneint! / Und das mit Recht, denn alles, was entsteht, / Ist wert, daß es zugrunde
geht; / So ist denn alles, was ihr Sünde, / Zerstörung, kurz, das Böse nennt / Mein
eigentliches Element.“ Dem muss Plotin widersprechen und er tut es auch. Das Böse, das
es in der Tat gibt, befindet sich aber nicht auf den Stufen der drei Hypostasen. Das Böse
kommt als Materie vor, doch es ist nicht eigentlich ein Seiendes. Dadurch kann man
sagen, das Böse ist nichts anderes als ein Mangel an Gutheit. Grundsätzlich ist das Sein
gut, selbst wenn es darin eine Art von Abfall oder Abstieg vom Einen/Guten her gibt.
Deshalb also gibt es eher etwas als nichts, es ist einfach besser, dass es etwas gibt, weil
es eben prinzipiell gut ist. (Damit verbindet sich in der Neuzeit dann die „Theodizee“-Frage
- wieso lässt ein Guter Gott es zu, dass es Böses gibt, was hat das zu bedeuten. - Wir
heute können die Plotinische und im Grunde auch Platonische Auffassung, dass das Sein
prinzipiell gut ist, nicht mehr vorbehaltlos oder überhaupt nicht mehr teilen.)
Das Zitat aus dem Faust zeigt aber auf etwas, das nun auch in der Auffassung der Seele
bei Plotin eine wichtige Rolle spielt. Mephistopheles weißt darauf hin, dass es Zerstörung
und d.h. Vergehen gibt. „Alles, was entsteht / Ist wert, daß es zugrunde geht“ - nun, das
sagt freilich noch mehr. Es sagt, dass nichts so gut ist, dass es nicht „wert“ sei, wieder zu
verschwinden. Nichts Entstandenes ist demnach wirklich gut. Wie dem auch sei: worauf
Mephistopheles indirekt abzielt, das ist die Zeit. Ich habe schon darauf hingewiesen, dass
die Seele die sinnlichen Erscheinungen erzeugt wie dass sie die Gedanken diskursiv
durchläuft. Sie hat es demnach mit dem Auseinander der Zeit zu tun. Das ist bei Plotin so.
Die Zeit ist ein großes Thema der Philosophie. Doch am Beginn der Thematisierung der
Zeit ist diese stets mit einem Gegensatz aufgetreten. Die Zeit (χρόνος) befindet sich im
Verhältnis zur Ewigkeit (αἰών), so thematisiert sie Platon. Da heißt es im Timaios:
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