Geboren wurde, wissen wir nicht von ihm selbst



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Hier bei Plotin wird auch auf die Gesetzgebung des Minos angespielt. Er gibt die Gesetze 

aus Erinnerung an eine Vereinigung mit Zeus, Vereinigung im Sinne einer körperlichen, 

einer erotischen Berührung. Denn Minos wurde in dieser Berührung „befruchtet“. Das 

Erotische, das hier gemeint ist, ist ein analogisches. Es geht darum, eine geistige 

Berührung zu denken, die so ist wie eine körperlich-erotische. Es gibt daher bei Plotin 

auch ein spirituelles Erotisches.

Die Choreographie des Textes geht über die Bewegung der Seele zur Vereinigung. 

Zunächst wird gesagt, dass die Seele sich um einen Mittelpunkt dreht, das sie kreist. Sie 

stamme von diesem Mittelpunkt ab. „Dauernd“ kreisen die „Seelen der Götter“. Denn die 

Götter sind immer unterwegs zu diesem Mittelpunkt, der als „Gott“ bezeichnet wird bzw. 

als „Gott“, der mit Jenem verbunden ist. Was weit von Jenem entfernt sei, das sei nur ein 

Durchschnittsmensch und ein Tier.

Dieser Mittelpunkt nun ist natürlich das Eine. Von ihm heißt es dann: „Jenes Obere nun, 

da es keine Andersheit kennt, ist immer bei uns, wir aber sind bei ihm nur, wenn wir keine 

Andersheit in uns haben. Jenes verlangt nicht nach uns, daß es etwa um uns wäre, aber 

wir nach ihm, auf daß wir um es sind.“ Es gibt im Einen keine Vielheit, keine Andersheit, es 

ist ganz einfach und kann deshalb, wie Plotin sagt, immer bei uns sein. Wir können nur 

momentan bei ihm sein, denn in uns ist Vielheit (wir sind z.B. Leib und Seele).

Die Bewegung, das Kreisen um den Mittelpunkt, wird nun zum „wahrhaft gotterfüllten 

Reigen“, zum Chorreigen, d.h. zu einer Art von Tanz: „Und bei diesem Reigen erschaut die 

Seele nun den Quell des Lebens und den Quell des Geistes, den Urgrund des Seienden, 

die Ursache des Guten, die Wurzel der Seele. Denn wir sind nicht von ihm abgeschnitten 

oder gesondert, wenn auch das Leibeswesen sich eindrängt und uns zu sich gezerrt hat, 

sondern wir atmen und werden erhalten nur indem jenes nicht nur einmal dargereicht und 

sich dann abgewendet hat, sondern immerdar spendet, solange es ist, was es ist.“ Das 

Eine als Ursache, ich habe bereits über das Problem gesprochen, das wir damit haben 

können. Zu Anfang machte ich darauf aufmerksam, dass es nicht so einfach ist, ein 

absolut Bestimmungsloses so einfach Ursache von Allem zu nennen (obgleich man auch 

sagen könnte - gerade ein absolutes Bestimmungsloses kann ich so nennen). Nun dieses 

Eine als Ursache von Allem ist stets irgendwie da. Wir „atmen“ und werden „erhalten“ 

durch und von ihm. Mit anderen Worten: wir leben nur, weil es das Eine gibt.

Gehen wir noch ein wenig voran: „Wenn der Schauende nun dann, wenn er schaut, auf 

sich selbst schaut, wird er sich als einen so erhabenen erblicken, vielmehr er wird mit sich 

selbst als einem so erhabenen vereinigt sein und sich als solchen empfinden, denn er ist 

dann einfach geworden. Das Geschaute aber (wenn man denn das Schauende und 

Geschaute zwei nennen darf und nicht vielmehr beides eines) sieht der Schauende in 

jenem Augenblick nicht - die Rede ist freilich kühn -, unterscheidet es nicht, stellt es nicht 

als zweierlei vor, sondern er ist gleichsam ein anderer geworden, nicht mehr er selbst und 

nicht ein eigen, einbezogen in die obere Welt und Jenem Wesen zugehörig, und so ist er 

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Eines, indem er gleichsam Mittelpunkt mit Mittelpunkt berührt.“ Die Logik der Vereinigung 

gebietet es, dass im Moment, im Augenblick der Vereinigung, nicht mehr von zweien 

gesprochen werden kann. Im Übrigen - ich habe es bereits erwähnt - das Begehren der 

Vereinigung hat natürlich etwas Erotisches. Der Eros ist die Bewegung, die uns zu diesem 

Einen streben lässt - das weiß bereits Platon. Aber - natürlich hat dieser Eros schon nichts 

mehr mit dem körperlichen Eros zu tun. Er hat dieses Erotische Streben nach körperlicher 

Vereinigung unter sich gelassen (vgl. Symposion, Platon).

Gegen Ende des Aufstiegs kommt dann Plotin auch selbst auf das Problem der 

Versprachlichung der Erfahrung zu sprechen: „Weshalb denn auch die Schau so schwer 

zu beschreiben ist; denn wie kann einer von Jenem als einem Unterschiedenen Kunde 

geben, da er es, während ers schaute, nicht als ein Verschiedenes, sondern als mit ihm 

eines gesehen hat? Diesem Umstand will auch die Verpfichtung der irdischen 

Geheimweihen ‚nicht an die Ungeweihten preiszugeben‘, Ausdruck geben; eben weil das 

Göttliche nicht preisgebbar ist, untersagt sie, es einem anderen bekanntzugeben, es sei 

ihm denn schon selbst beschieden gewesen, es zu sehen.“ In der Tat: wie kann etwas zur 

Sprache gebracht werden, dass erst einmal gar nicht als etwas vom Sprechenden 

Unterschiedenes erscheint. Freilich sind dann auch alle Bezeichnungen der Erfahrung 

(Schau, Sehen etc.) missverständlich. 

Nicht zufällig erwähnt Plotin dabei die Mysterien, dabei vielleicht das berühmteste: die 

Mysterien von Eleusis. Die Mysterien waren ein Geheimkult um die Göttinen Demeter und 

Persephone (Kore). Für die Teilnehmenden gab es eine Geheimhaltungspflicht, die, wenn 

verletzt, durch die Todesstrafe geahndet wurde. Inzwischen kann man ganz gut 

rekonstruieren, was während der Mysterien geschah. Apuleius, ein römischer Schriftsteller 

und Philosoph, Mittelplatoniker, schrieb über seine Teilnahme: „Vielleicht fragst du hier 

neugierig, geneigter Leser, was nun gesprochen und vorgenommen worden ist! – Wie 

gern wollte ich’s sagen, wenn ich es sagen dürfte! Wie heilig solltest du es erfahren, wenn 

dir zu hören erlaubt wäre! Doch Zunge und Ohr würden gleich hart für den Frevel zu 

büßen haben! […] Ich ging bis zur Grenzscheide zwischen Leben und Tod. Ich betrat 

Proserpinas Schwelle, und nachdem ich durch alle Elemente gefahren war, kehrte ich 

wiederum zurück. Zur Zeit der tiefsten Mitternacht sah ich die Sonne in ihrem hellsten 

Licht leuchten; ich schaute Unter- und Obergötter von Angesicht zu Angesicht und betete 

sie in der Nähe an.“ Es wird angenommen, dass dieTeilnehmenden auch Halluzinogene 

genommen haben.

Plotin jedenfalls geht davon aus, dass das Schweigegebot bestanden habe, weil man 

ohnehin davon nicht sprechen konnte. Nur die schon Eingeweihten hätten sich 

verständigen können. Möglicherweise hat er gemeint, dass eine unzureichende Mitteilung 

den Mysterien geschadet hätte. Dabei sind wir allerdings in der Philosophie genau auf 

diese unzureichenden Mitteilungen angewiesen.

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