21
Ursprünglich hatte die Informatik im Unternehmen vor allem die Aufgabe, bestehen-
de betriebliche Funktionen und Prozesse teilweise oder ganz zu automatisieren. Heute
spielt sie zunehmend die Rolle des »Enablers« und »Treibers«: Erst durch sie werden
manche Entwicklungen möglich. Sie unterstützt nicht nur die Unternehmensfüh-
rung, sondern treibt sie an, Informatikentwicklungen frühzeitig und nutzbringend
aufzugreifen und umzusetzen. Dies gilt insbesondere für das so genannte »Digital
Business«.
Eine Zukunftsvision der Wirtschaftsinformatik ist die weitgehende Automation des
Unternehmens. Auf dem Weg dorthin sind Etappen abzustecken, die jeweils sowohl
gesellschaftliche Auswirkungen als auch darauf abgestimmte neue humane Arbeits-
und Lebensformen berücksichtigen. Ein Aspekt ist die »menschenähnliche Informa-
tionsverarbeitung«. Sie fußt auf der Überlegung, dass der Mensch seine exzellenten
Informationsverarbeitungsfähigkeiten erworben hat. Wenn wir in Zukunft beispiels-
weise Kleidungsstücke von einem »Automaten« kaufen, muss sich dieser wie ein
»Verkäufer aus Fleisch und Blut« auf unsere Persönlichkeit, Stimmungslage und
Kaufbereitschaft einstellen können.
Dies führt zur »menschenzugänglichen Informationsverarbeitung«: Informatiksys-
teme sollen sich auf den Menschen einstellen und nicht umgekehrt. Wege hierzu sind
die Personalisierung und Individualisierung der Informationsverarbeitung, die Ab-
stimmung von Informationen und Methoden auf die Situation des Individuums und
des Betriebs, auf die objektive Rolle der Mitarbeitenden im Unternehmen und auf per-
sönliche Präferenzen und Aversionen.
Solche langfristigen Entwicklungen müssen kurz- und mittelfristige Hindernisse über-
winden. Dazu zählen unzureichend qualitätsgesicherte Systeme, unzureichende
Planung, mangelnde Benutzungsfreundlichkeit und Missbrauch.
Industrie- und außendiensttaugliches RFID-Handheld
4
003336 WII DIN A5_RZ 14.07.2006 12:26 Uhr Seite 21
Die Informatik wirkt nachhaltig sowohl in die Entwick-
lungs- und Herstellungsprozesse als auch in die Funk-
tionalität und Qualität technischer Produkte hinein.
Viele
innovative Geräte und Verfahren der letzten Jahrzehnte hätten ohne die Rechnerun-
terstützung des Entwurfsvorgangs nicht entwickelt werden können. Mit Informatik-
methoden lassen sich die Eigenschaften eines künftigen Produkts frühzeitig untersu-
chen, indem die Bestandteile in formale Modelle abgebildet und die zu untersuchen-
den Vorgänge simuliert werden. Diese Technik lässt sich vielfältig einsetzen, etwa bei
Statikberechnungen für Bauwerke, Berechnungen der Ergebnisse chemischer Reak-
tionen, Simulationen elektronischer Schaltungen, Untersuchungen von Gehirnfunk-
tionen, Analysen des Crashverhalten eines Autos oder des Brechungsverhaltens kom-
plexer Optiken.
Inzwischen ist es möglich, eine vollständig virtuelle Entwicklung durchzuführen, bei
der das Produkt am Rechner entworfen und in einer Simulation der umgebenden
Umwelt getestet wird. Hierfür sind keine Versuchsaufbauten oder Prototypen not-
wendig, was die Entwurfszeit und die Kosten verringert. Dadurch, dass die Ergebnisse
der Simulationen visualisiert werden, kann der Entwickler oft Probleme besser erfas-
sen als bei einem realen Versuchsaufbau. Durch eine Finite-Elemente-Simulation kön-
nen beispielsweise die Beanspruchung von Material optisch dargestellt und kritische
Bereiche leichter erkannt werden.
Die Bedeutung von Informatiksystemen beschränkt sich nicht auf die Produktent-
wicklung, sondern erstreckt sich über die eigentliche Produktion bis in die Qualitäts-
sicherung. In der Produktion werden komplexe Steuerungsaufgaben übernommen,
wie sie etwa in der chemischen Industrie anfallen. Dabei geht es sowohl um sicher-
heitskritische Anwendungen, als auch um logistische Probleme wie die Optimierung
des Materialflusses und eine effiziente Maschinensteuerung. Ein Beispiel sind die vie-
len hundert Bearbeitungsschritte bei der Fertigung von Mikrochips: Nicht nur ist der
Informatik
für die Technik
22
003336 WII DIN A5_RZ 14.07.2006 12:26 Uhr Seite 22
23
Weg der Silizium-Wafer durch die Fabrik zu steuern, auf dem viele Bearbeitungsschrit-
te mehrfach anfallen, auch die Qualität muss durch häufiges Testen sichergestellt
werden. Eine entscheidende Rolle in der Qualitätssicherung spielt die rechnergestütz-
te Bildverarbeitung. Sie ermöglicht die automatische Inspektion von Objekten aller Art
und erkennt zum Beispiel fehlerhaft gefertigte Bauteile oder Fehler in Schweißnähten.
Solche Prozesse sind erst durch Bild- und Videoverarbeitungsalgorithmen möglich ge-
worden, die unter Echtzeit-Bedingungen ablaufen.
In der Mikroelektronik wäre die rasante Entwicklung der letzten Jahre ohne die Infor-
matik nicht möglich gewesen. Heutige Mikrochips bestehen aus mehr als 200 Milli-
onen einzelner Transistoren und bald werden integrierte Schaltungen mit mehr als
einer Milliarde Transistoren erwartet. Eine solche Komplexität kann nur noch mit ei-
nem rechnergestützten Schaltungsentwurf beherrscht werden. Seit dem Beginn der
Schaltungsintegration mussten immer neue Informatikwerkzeuge entwickelt wer-
den, damit der Entwurfsprozess mit den Möglichkeiten der Halbleitertechnologie
Schritt halten konnte. Mit den heutigen Werkzeugen kann die Funktion einer Schal-
tung in einer Hardwarebeschreibungssprache angegeben werden, woraus dann auto-
matisch eine Schaltung erzeugt wird.
Die Informatik erlaubt eine dramatische Erweiterung der Funktionalität aller techni-
schen Produkte. So ermöglichen beispielsweise eingebettete Prozessoren, so genannte
Mikrocontroller, Sicherheits- und Komfortfunktionen im Auto wie die Antischlupf-
regelung, die Airbag-Steuerung oder das Navigationssystem; der Einsatz von Prozes-
soren in der Motorsteuerung senkt den Verbrauch bei gesteigerter Leistung und Navi-
gationssysteme helfen Fahrzeiten zu minimieren. Durch die Programmierbarkeit der
Simulation von Reflektoren mit Ray-Tracing
4
003336 WII DIN A5_RZ 14.07.2006 12:26 Uhr Seite 23
Dostları ilə paylaş: |