17
schließlich solchen, die genomische oder proteomische Hochtechnologie einsetzen.
Vor allem aber liefert die Informatik Methoden zur Analyse der Daten, die bei diesen
Experimenten anfallen. Durch solche Analysen lassen sich die von der Natur evolutio-
när entwickelten Strukturen wie Moleküle oder molekulare Netzwerke besser verste-
hen. Zugleich können Informatiksysteme als ausgesprochen mächtiges Vorschlags-
instrument für weitere Experimente eingesetzt werden. So werden heute zum Bei-
spiel Kandidaten für neuartige Medikamente unter intensivem Rechnereinsatz ge-
sucht und geformt. Auch die Erkennung geeigneter »Zielmoleküle« im Körper, an die
die Wirkstoffe binden sollen, erfolgt verstärkt mit Rechnerunterstützung. Langfristig
werden biologische Prozesse immer besser rechnergestützt simuliert werden können,
indem die biologischen Zusammenhänge durch den Einsatz der Informatikmethoden
immer besser verstanden werden. Dadurch können etwa Krankheitsprozesse, aber
auch Prozesse, die zur Heilung der Krankheit führen, mit steigender Genauigkeit nach-
vollzogen werden.
In der Meteorologie ermöglicht die Informatik
neue, umfassende Erkenntnisse über den gesam-
ten Wetterverlauf und die Klimaentwicklung auf
der Erde. Durch die enorme Rechenleistung und
Speicherkapazität heutiger Rechner und entspre-
Computergeneriertes Mosaik
4
Das Globale Modell (GME)
des DWD liefert dem eingebetteten
und genaueren Lokalen Modell (LM) wichtige
Informationen zur Berechnung der
Wettervorhersage in Deutschland.
003336 WII DIN A5_RZ 14.07.2006 12:26 Uhr Seite 17
chende Entwicklungen in der Softwaretechnologie lassen sich zunehmend komplexe
Modelle zur Vorhersage aufstellen und simulieren. Aus großen Mengen kontinuierlich
aufgezeichneter Wetterdaten wie Luftdruck, Temperatur, Windstärke, Niederschlags-
menge und Sonneneinstrahlung werden umfangreiche Statistiken für nahezu beliebi-
ge Orte erstellt und deren klimatische Eigenschaften erfasst. Neben Bodenwetterbe-
obachtungen und Ballonaufstiegen dienen inzwischen vor allem Radar- und Satelli-
tenbilder, die durch Bildverarbeitungsalgorithmen nachbearbeitet werden, der Ablei-
tung meteorologischer Daten. Mit Informatiksystemen lassen sich Vorhersagen und
Beobachtungen kontinuierlich überwachen, so dass Unwetter frühzeitig und zuverläs-
sig erkannt und Warnungen rechtzeitig herausgegeben geben werden können. In der
Klimaforschung erlauben computergestützte Klimamodelle Umwelteinflüsse wie den
CO2-Ausstoß zu simulieren und dessen Einfluss auf künftige Klimaentwicklungen vor-
herzusagen.
Auch in der Weltraumforschung und Astronomie sind
neue Erkenntnisse ohne den massiven Einsatz von
Informatiktechnologie und -systemen undenkbar. Hier
ermöglichen die Methoden der Künstlichen Intelli-
genz nicht nur den kostengünstigen Betrieb, eine opti-
male Auslastung und die bestmögliche Auswertung
von Beobachtungsergebnissen moderner Satelliten,
sondern auch die vollständig autonome Steuerung
von Raumsonden, Landefähren und Erkundungsrobo-
tern. Damit sind Forschungen möglich, die mit der
herkömmlichen Technologie der Fernsteuerung nie
durchführbar wären. Ein Beispiel hierfür ist die Erkun-
dung des Jupitermondes Europa, bei der ein Roboter
selbstständig die Eisoberfläche durchdringt und dort
nach Wasser oder gar organischen Substanzen sucht.
Derartige Missionen lassen sich nur deshalb realisie-
Informatik für die Wissenschaft
18
Shuttle Radar Topography
Mission (SRTM). Das Bild zeigt, wie
während der Mission SRTM die
Oberfläche der Erde gescannt
wurde. Ziel war die Herstellung
einer dreidimensionalen Welt-
karte.
003336 WII DIN A5_RZ 14.07.2006 12:26 Uhr Seite 18
19
ren und auch wirtschaftlich rechtfertigen, weil sie mit Hilfe moderner Informatiksys-
teme in fast allen Eventualitäten vorgeplant und simuliert werden können und weil
die Steuerungssoftware den autonomen Betrieb aller Bordsysteme einschließlich der
adäquaten Behandlung möglicherweise auftretender Fehlfunktionen gewährleistet.
Wie in diesen vorgestellten Beispielen entstehen in nahezu allen Wissenschaftsge-
bieten durch die Informatik neue Methoden zur Analyse und Modellierung von Phäno-
menen und dadurch oft völlig neue Dimensionen von Erkenntnissen. Denn die Infor-
matik ermöglicht eine neuartige Sicht auf die Dinge. Dies hat häufig zur Folge, dass
sich ein Gebiet selbst verändert, sobald Methoden und Sichtweisen der Informatik
Eingang gefunden haben, und nach einiger Zeit geht die Informatik mit dem Gebiet
eine enge, fast unauflösliche Verbindung ein.
4
003336 WII DIN A5_RZ 14.07.2006 12:26 Uhr Seite 19
Die Wirtschaft zieht aus Verfahren und Hilfsmitteln der
Informatik einen derart unmittelbaren Nutzen, dass
sich schon früh die Disziplin der Wirtschaftsinformatik
herausgebildet hat.
Sie nimmt heute, gemessen an der Zahl der Lernenden
und Lehrenden, den ersten Platz unter den Angewandten Informatiken ein. Sie befasst
sich mit der Konzeption und Entwicklung von Informatiksystemen im Unternehmen.
In der Praxis beschäftigt sie sich zudem nicht nur mit der Einführung und Einbettung
der Systeme, sondern auch mit deren Betreuung, Wartung und Nutzung sowie mit
den damit verbundenen organisatorischen Herausforderungen. Dabei stehen die so
genannten betrieblichen Anwendungssysteme im Vordergrund, die Anwender im
Unternehmen bei der Bewältigung ihrer Aufgaben unterstützen.
Aus volkswirtschaftlicher und gesellschaftspolitischer Sicht besteht das Ziel der Wirt-
schaftsinformatik darin, substanziell und nachhaltig zur Steigerung menschlicher
Arbeitsproduktivität beizutragen, und dies bei geringst möglichem Verbrauch vor al-
lem nicht erneuerbarer Ressourcen – ein Ur-Anliegen der Ökonomie. Der Weg dorthin
führt über zunehmende Automatisierung der betrieblichen Funktionen und Prozesse.
So beschleunigt beispielsweise das kontaktlose Auslesen von Chips an der Kasse eines
Supermarktes in Verbindung mit rechnergestützten Warenwirtschaftssystemen den
Bezahlvorgang. Die dabei registrierten Daten helfen so zu disponieren, dass die benö-
tigten Artikel mit hoher Wahrscheinlichkeit im Ladenlokal vorrätig sind, andererseits
aber möglichst wenig Ware verdirbt. Informatiksysteme in Lieferketten und -netzen
(»Supply Chain Management«) und in der Logistik tragen dazu bei, dass die weltwei-
ten Standorte der Produktionsstätten und Warenverteilzentren günstig gewählt, ihre
Kapazitäten richtig dimensioniert, Engpässe und Überbestände flexibel ausgeregelt
sowie der Transportaufwand und die damit verbundene Umweltbelastung minimiert
werden. Elektronische Marktplätze ermöglichen Kunden herauszufinden, wie sie ihren
Bedarf am besten decken können und fördern den effizienten Ausgleich von Angebot
und Nachfrage.
Informatik
für die Wirtschaft
20
003336 WII DIN A5_RZ 14.07.2006 12:26 Uhr Seite 20
Dostları ilə paylaş: |