Von Hinterpommern nach irgendwo …



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Vieh versorgt hatten? Eine Gastwirtschaft existierte 
im Dorf nicht, und die Wohnungen der Landarbei-
ter, Hausbesitzer und Bauern bestanden ja auch nur 
aus ein oder zwei Zimmern mit Küche und Neben-
gelassen.  


78 
Der vertretungsweise unterrichtende Groß Nossi-
ner Lehrer Hermann Milz oder Heinz Henning 
schlug mir unter dem Gelächter der ganzen Klasse 
einmal die Bibel auf den Kopf, als ich mich in der 
Religionsstunde zum wiederholten Male umdrehte 
und mit einem Schulkameraden laut plattdeutsch 
unterhielt. Einmal musste ich auch vor die Klasse 
treten, um ein paar Hiebe mit dem Rohrstock auf die 
Handflächen zu empfangen. Vielleicht aus dem 
gleichen Grunde, ich kann aber mit Gewissheit 
sagen, dass mich ein Gastlehrer aus einem Nachbar-
dorf schlug. Ich saß damals an der Fensterseite in der 
dritten Bank am Mittelgang des Schulraumes, der 
In der einklassigen Dorfschule 
Züchti-
gungen  


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heute im polnischen Noİynko als Laden genutzt 
wird.  
Wie ließ sich die sprachliche Sicherheit beim Über-
gang vom Plattdeutschen mi für mir und mich 
finden? In lebhafter Erinnerung ist mir meine erste 
Lese- und Schreibfibel mit bebilderten und gereim-
ten Texten. Sie bereitete auch den Übergang von der 
Sütterlin- zur Lateinschrift vor. Zu meiner großen 
Freude entdeckte ich im Jahr 1999 diese Fibel im 
Internationalen Schulbuchinstitut in Braunschweig.  
Der Lehrer Ernst Blaurock sammelte emsig alle 
beim Pflügen zutage tretenden Tonscherben und 
Gefäße, Gräber und Grabbeigaben, Mahlsteine aus 
der frühgeschichtlichen Besiedlung Klein Nossins. Er 
konservierte auch Frösche, Schlangen und anderes 
Getier für Unterrichtszwecke. Ich kann mich erin-
nern, dass wir von einem Ausflug zur Napoleonsei-
che in der Nähe von Malenz eine Kreuzotter mit-
brachten. Ernst Blaurock erschlug sie am Wege 
östlich vom See und legte sie noch vor Schulschluss 
in Spiritus. Wie er dieses Anschauungsmaterial, 
auch eine größere Kreuzotter, in der noch ein kurz 
vor ihrem Tode erbeutetes und von ihr herunterge-
würgtes größeres Opfer wie ein Ballon steckte, im 
Unterricht verwandte, erinnere ich nicht. Der Vitrine 
mit der umfangreichen archäologischen und natur-
kundlichen Sammlung und den links und rechts am 
Schuleingang aufgebauten Steinkistengräbern galt 
Die 
Pommern-
fibel 
Archäo-
logische  
und natur-
wissen-
schaftliche 
Sammlung 


80 
meine besondere Aufmerksamkeit. Vielleicht geht 
hierauf meine im späteren Alter ausgebrochene 
Affinität für prähistorische Steinfunde und Steinbe-
arbeitungsmotive zurück.  
Der 27. Mai war der Geburtstag von Ernst Blau-
rock, des Klein Nossiner Lehrers von 1928 bis 1940. 
Er erhielt an diesem Tag immer Unmengen von lila 
und weißem Flieder, wovon das ganze Klassenzim-
mer duftete.  
Die Kinder der Familie von der Marwitz wurden 
von Privatlehrern unterrichtet oder besuchten – wie 
Kinder der Lehrer – in Stolp und andernorts weiter-
führende Schulen. Für alle anderen Dorfkinder 
endete der Schulbesuch mit dem Verlassen der 
einklassigen Volksschule. Bruder Otto erinnert sich 
noch mit großem Vergnügen daran, wie der um 
einige Jahre jüngere Fritz von der Marwitz einige 
Zeit die Dorfschule besuchte und in den Pausen  
statt aufs Schulklo hinter eine der großen Pappeln 
am Abhang zum Friedhof ging.  
Während der pflichtgemäßen systematischen 
Fortbildung und beruflichen Ertüchtigung von 
Mädchen offensichtlich keine weitere Bedeutung 
beigemessen wurde, gab es in Groß Nossin zur 
Winterzeit für schulentlassene Jungen noch Kurse 
der Fortbildungsschule. Sie erstreckten sich über 
zwei Jahre und fanden einmal wöchentlich nach 
Feierabend statt. Weil die Winter meistens recht 
Schul- 
und Fort-
bildung 


81 
Die Klein Nossiner Dorfschule um 1930
 
Die Kollonialwarenhandlung Max Bartsch mit Poststelle 
und Öffentlichem Fernsprecher um 1930 


82 
schneereich waren, wurden die Wege dorthin ge-
meinsam und zu Fuß zurückgelegt. Inhaltlich dien-
ten die Kurse der Aneignung lebensnaher berufs-
praktischer Kenntnisse. Briefe und Rechnungen 
schreiben wurde geübt, Frachtbriefe, Dünger- und 
Flächenberechnungen für landwirtschaftliche Zwe-
cke erstellt.  
Ernst Blaurock wurde 1941 von Otto Häcker abge-
löst. Schnelles Kopfrechnen, Zeitgeschichte in Ver-
bindung mit dem aktuellen Kriegsgeschehen, Geo-
graphie und Deutsch/Geschichte waren meine 
besonderen Interessengebiete. Alle damaligen Staa-
ten der Welt und deren Hauptstädte, die Länge der 
weltweit größten Flüsse und die Höhe der größten 
Berge, die wichtigsten Gebirge Deutschlands und 
der Welt zu kennen, wurde mir zum spielerischen 
Vergnügen. Von meinem Lehrer Häcker erhielt ich 
manche Einladung zu gemeinsamer Arbeit in seinem 
Garten, die er immer mit anregenden Gesprächen 
verband. Abschließend ging er mit mir oft in die 
Schulbibliothek, suchte ein Buch heraus, empfahl 
und gab es mir zum Lesen mit. Er begann auch 
davon zu reden, dass ich zur Lehrerbildungsanstalt 
solle.  
1942 nahm mich Otto Häcker oft aus dem Klassen-
verband heraus und übertrug mir verschiedene 
außerschulische Aufgaben. Für die Gemeinde muss-
te ich einige Zeit die Bodennutzungserhebung – eine 
Lehrer 
und 
Lernen 


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