Geboren wurde, wissen wir nicht von ihm selbst



Yüklə 0,75 Mb.
Pdf görüntüsü
səhifə10/39
tarix04.12.2017
ölçüsü0,75 Mb.
#13819
1   ...   6   7   8   9   10   11   12   13   ...   39

Welt. Sie werden überstiegen, um das Außerhalb zu erreichen, um also gleichsam die 

Welt zu verlassen.

Damit meint man natürlich nicht, dass wir leibhaft die Welt verlassen. Das ist ja deshalb 

unmöglich, weil der Körper zu den Dingen der Welt gehört, wir mithin Menschen in der 

Welt sind. Was übersteigen kann ist das Denken - und der Glaube - wenn es um Gott 

geht. Denkend und glaubend übersteigen wir die Dinge und Menschen, um die Immanenz 

der Welt hinter - oder wenn Sie so wollen - unter uns zu lassen. 

Mit diesem Problem der Transzendenz verbindet sich übrigens auch eine andere, große 

Frage der Philosophie. Das ist die Frage nach der Freiheit. Warum ist die Frage nach der 

Freiheit mit der Frage nach der Transzendenz und andersherum verbunden? Ich hatte 

vorhin gesagt, dass in der Welt sein heißt: in der Natur sein. Das meint: in der Welt, in den 

Verhältnissen zwischen Dingen und Menschen herrschen Naturgesetze und dabei dann 

vor allem: die Kausalität. Kausalität ist das Verhältnis von Ursache und Wirkung. Alles, 

was geschieht, geschieht unter den Vorausetzungen dieses Verhältnisses.

Wenn aber alles auf der Grundlage von Ursache und Wirkung geschieht, sind wir nicht 

frei, oder, anders gesagt: wenn alles gemäß einer Naturkausalität geschieht, sind wir nicht 

frei. Nehmen wir dasjenige Phänomen, das wir für das freieste halten: die Liebe. Sie lieben 

eine Frau, einen Mann. Nun fragt sie jemand: warum lieben Sie diese Frau? Und Sie 

werden antworten, dass diese Frage nicht nur indiskret, sondern auch unsinnig ist. Denn 

für gewöhnlich setzt sich die Liebe über objektive Gesichtspunkte hinweg, wir meinen das 

jedenfalls. Das ist der Sinn der Sprichworts: wo die Liebe hinfällt. Die Liebe ist eben völlig 

unerklärbar.

Wenn aber alles in der Welt nach Ursache und Wirkung geschieht, gibt es für die Liebe 

eine objektive Ursache. Mag sein, dass wir die nicht kennen und nicht erkennen können. 

Doch wenn das so ist, können wir nicht sagen, dass die Liebe prinzipiell frei ist. Im 

Gegenteil: es gibt dann wirklich Gründe für die jeweilige Liebe und die Frage: warum 

lieben Sie diesen Mann? ist durchaus gerechtfertigt. Dann aber sind wir nicht frei. Wir sind 

in unserem Handeln und Denken dann genauso determiniert wie ein Apfel, der nicht 

anders kann, als nach unten zu fallen, wenn er vom Baum fällt (es gibt Philosophen, die 

das anders sehen: Hume z.B., aber darauf brauche ich hier jetzt nicht einzugehen).

Das Außerhalb nun, die Transzendenz, zeigt uns, dass es etwas jenseits der 

Naturkausalität gibt. Gott unterliegt nicht dem Ursache-Wirkungs-Zusammenhang. Das 

gibt uns dann einen Hinweis darauf, dass wir die Möglichkeit haben, uns auf etwas zu 

beziehen, das außerhalb der Naturkausalität liegt. Indem wir dann versuchen, uns zu 

diesem Außerhalb irgendwie zu verhalten, können wir einen Anhaltspunkt für die Freiheit 

annehmen. 

21



(Was aber, wenn es Gott gar nicht gibt? Dann gibt es im Grunde auch kein Außerhalb 

mehr? Das ist eine sehr schwierige und heute um so wichtigere Frage. Warum? Stellen 

Sie sich einen Menschen vor, der ganz und gar im Verkehr mit den Dingen und den 

Menschen aufgeht, für den es nichts anderes gibt und geben kann. Dann kann eine 

Situation entstehen, in der dem Menschen nichts anderes mehr begegnen kann als der - 

Mensch. Es gibt nichts anderes mehr, d.h. alle Möglichkeiten, die wir haben, hat es schon 

immer gegeben, es wird keine neuen Möglichkeiten mehr geben als die, die es immer 

schon gegeben hat, d.h. es gibt eben keine Möglichkeiten mehr. Nehmen Sie das 

Politische: wir kennen alles schon Monarchie, Aristokratie, Diktatur, Demokratie, 

Kommunismus, Kapitalismus, Liberalismus, Sozialismus. Gibt es noch etwas Anderes, 

können wir noch auf etwas anderes hoffen als auf das, was wir schon kennen? Geht alles 

immer so weiter? Nichts ändert sich mehr bzw. vielleicht kommt noch etwas wieder? Das 

wäre aber im Grunde langweilig, ich würde sagen, es ist eigentlich auch unmöglich. Dann 

werden wir nur noch in dieser Welt der Naturkausalität leben. Freiheit wäre dann, so gut 

wie möglich in dieser Welt leben, d.h. reich zu werden, um Wohlstand zu erwerben. Das 

wäre das einzige sinnvolle Zielalles würde diesem Ziel unterworfen sein. Will sagen: Sie 

können zwar Philosoph werden - aber weil es eben nichts mehr zu denken gibt als das, 

was immer schon war, werden Sie nur denken, um sich in dieser Welt so gut wie möglich 

einzurichten. Alles andere wäre doch sinnlos. Wofür sollte man Armut in Kauf nehmen 

(sic), wenn es nichts anderes gibt als das, was es hier und jetzt gibt? Und Gott scheint es 

ja in der Tat nicht zu geben. Nietzsche jedenfalls hat uns ja mit der Wahrheit konfrontiert, 

dass er tot ist.)

Ich hatte schon erwähnt, dass und inwiefern Platon dieses Problem erkennt. Er sieht, dass 

es problematisch ist, den Menschen ganz in der Welt aufgehen zu lassen. Ist es nicht so, 

dass der Mensch alles, was in der Welt ist, zu etwas Gewöhnlichem macht? Platon sagt in 

der Politeia, dass es eine Idee der Ideen gibt, eine höchste Idee, die Idee des Guten. Das 

Gute - es gibt allem sein Sein, alles lebt und gedeiht vom Guten. Das Gute ist hier freilich 

mehr als das moralisch Gute. Es gibt auch gute und schlechte Pferde, das ist kein 

moralischer Unterschied. Und jeder würde zugeben, dass es schöner ist, ein Gutes Pferd 

zu besitzen als ein schlechtes. Es gibt demnach im Sein eine Tendenz zum Guten, ja, das 

Sein selbst ist irgendwie gut. Wir würden Mephistopheles nicht zustimmen, wenn er sagt: 

„Denn alles, was entsteht, ist wert, dass es zu Grunde geht. Drum besser wär’s, dass 

nichts entstünde.“ Wir stimmen darin überein, dass es allemal besser ist, dass es etwas 

gibt. Das hängt mit dem Guten zusammen.

Dieses Gute aber befindet sich Platon nach ἐπέκεινα τῆς οὐσίας, jenseits des Seins, 

jenseits der Welt, jenseits dessen, was ist, ja jenseits des Seins selbst. Das bedeutet, 

dass diese Idee nicht im gewöhnlichen Sein vorgefunden werden kann. Das hängt damit 

zusammen, dass diese Idee alle anderen Ideen gleichsam sein lässt. Sie muss demnach 

den anderen Ideen vorausgesetzt werden. Das geht nach Platon nur so, dass sie sich 

nicht nur jenseits der Welt, sondern noch jenseits der Ideen, jenseits des Seins der Ideen 

befindet.

22



Yüklə 0,75 Mb.

Dostları ilə paylaş:
1   ...   6   7   8   9   10   11   12   13   ...   39




Verilənlər bazası müəlliflik hüququ ilə müdafiə olunur ©www.genderi.org 2024
rəhbərliyinə müraciət

    Ana səhifə