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Geleitwort von Johan Braeckman
ragend aus. Die Ergebnisse seiner Forschungen veröff entlichte er in dem 2006
erschienenen Buch »Het morele brein. Een geschiedenis over de plaats van de
moraal in onze hersenen«, das seit 2009 auch in englischer Übersetzung vorliegt.
Es wird ihm internationales Ansehen in der rasch wachsenden, interdisziplinären
Erforschung unserer moralischen Fähigkeiten sichern. Aufgrund seiner histori-
schen Studien ist er ein kritischer und aufmerksamer Leser der Untersuchungen
über die Moralität in den modernen Neurowissenschaft en, der Sozial- und Ent-
wicklungspsychologie, der Zoologie und vielen anderen Wissenschaft szweigen.
Hinzu kommt, dass der Autor selbst experimentelle Untersuchungen durchführt,
und somit auch die methodologischen Aspekte der Experimente, die er in diesem
Buch vorstellt, beurteilen kann. Wir, die Leser, ziehen unseren Vorteil daraus. Vor
uns liegt eine wichtige, sehr interessante und wissenschaft lich fundierte Arbeit
über das, was vielleicht das Wesensmerkmal des Menschen ist: seine Moralität. Ich
hoff e, dass auch dieses Buch bald auf Englisch erscheinen wird. Es käme der inter-
nationalen Wissenschaft sehr zugute.
Jan Verplaetse hat sich völlig zu Recht einen Namen als Philosoph und Moral-
wissenschaft ler gemacht. Jeder, der sich für das moralische Verhalten des Men-
schen interessiert, wird sein neues Buch als sehr lehrreich, oft als überraschend
und auf jeder Seite als anregend empfi nden.
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16.08.11 06:49
ISBN Print: 9783525404416 — ISBN E-Book: 9783647404417
© 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen
Jan Verplaetse, Der moralische Instinkt
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Dank
Dieses Buch ist das Ergebnis von 15 Jahren Forschung. Anfänglich beschränkte
ich mich dabei auf die Publikationen anderer, später begann ich selbst, gemeinsam
mit Kollegen psychologische und neurologische Experimente durchzuführen. Das
Resultat gibt, so meine ich, einen guten Überblick über das, was wir momentan
über den Ursprung und die Entwicklung der Moral wissen. Der Leser wird mit
Militärgeschichte, Verhaltensforschung, bildgebenden Verfahren der Neurobiolo-
gie, psychologischen Experimenten und Rechtsprechung in Berührung kommen.
Moral ist ein interdisziplinäres Forschungsgebiet.
Doch »Der moralische Instinkt« legt auch meine persönliche Sicht auf die
Ursprünge unseres moralischen Verhaltens dar, die sich im Lauf meiner 15-jährigen
Arbeit einschneidend gewandelt hat. Zu Anfang war meine Vorstellung von Moral
noch vom stabilen soziopolitischen Klima im Nachkriegswesteuropa geprägt, aus
dem Gewalt so gut wie verschwunden schien; Werte wie Mitleid, Solidarität und
soziales Handeln standen im Mittelpunkt des moralischen Diskurses, die Menschen-
rechte waren nicht mehr aus der ethisch-juristischen Praxis und der gesellschaft li-
chen Debatte wegzudenken. In diesem überaus günstigen Klima fi el meine Moral-
vorstellung positiv und optimistisch aus, sie war mehr Rousseau verpfl ichtet (der
Mensch ist gut) als Hobbes (der Mensch ist schlecht). Infolgedessen bereitete es mir
große Schwierigkeiten, eine befriedigende Erklärung für das massenhaft auft retende
»unmoralische« Verhalten in unserer eigenen europäischen Vergangenheit und in
den weniger privilegierten Regionen der Welt zu fi nden. In meinen Augen war
Immoralität das Gegenteil von Moral, eine vorübergehende, der Verzweifl ung und
dem Elend entsprungene Entgleisung. Das »Böse an sich« gab es für mich nicht.
Diese Sichtweise musste ich nach intensiver Auseinandersetzung mit dem
Phänomen der Gewalt aufgegeben. Freunde und Kollegen habe ich in den vergan-
genen Jahren mit den Geschichten menschlicher Abartigkeiten so sehr genervt,
dass sie sich Sorgen zu machen begannen. Ich hoff e, dass die Lektüre des Buches
sie beruhigt.
Meine Studien haben mich davon überzeugt, dass Gewaltorgien und grausige
Reinigungsrituale zu anderen Arten der Moral gehören. Es handelt sich um
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Moralsysteme, die zwar von dem unsrigen meilenweit entfernt, deshalb aber nicht
weniger in sich schlüssig sind. Sowohl Liebe wie Hass, Mitleid wie Gewalt können
moralische Werte sein. Entscheidend ist der Kontext, in dem sie sich entwickeln.
In einem Umfeld, in dem physische Bedrohung zum Alltag gehört, kann die
Anwendung von Gewalt mindestens so altruistisch sein wie aktive Hilfeleistung.
Meine Betrachtungsweise ist nicht als Provokation gemeint. Ich glaube, gute
Argumente dafür zu haben, dass wir uns vom klassischen Gegensatz zwischen Gut
und Böse verabschieden müssen. Das Modell, das ich hier vorstelle, beschreibt
»moralisches« und »unmoralisches« Verhalten als Ausdrucksformen unterschied-
licher Moralsysteme. Das bedeutet selbstverständlich nicht, dass ich sie gleich
bewerte oder dass ich die Existenz unmoralischen Verhaltens überhaupt leugne.
Erklären bedeutet nicht rechtfertigen.
Ich widme dieses Buch allen Sympathisanten und Mitarbeitern von »Th
e
Moral Brain«, einer Gruppe von belgischen und niederländischen Wissenschaft -
lern – Psychologen, Biologen, Neurochirurgen und Psychiater –, die sich mit den
evolutionären und neurologischen Grundlagen unseres moralischen und sozialen
Verhaltens beschäft igen. Ihnen danke ich für ihr kritisches Mitdenken, ihre Anre-
gungen und ihre Unterstützung. Sie ermöglichten die Durchführung von Experi-
menten und die Erkundung des »moralischen Gehirns« mit den neuesten bildge-
benden Verfahren der Neurowissenschaft en. Zu besonderem Dank bin ich meinen
Mentoren verpfl ichtet, allen voran Freddy Mortier und Koen Raes. Mit ihren
Arbeiten über Moralpsychologie und -soziologie haben sie mir die Augen geöff net
und mir den entscheidenden Anstoß gegeben, über eine Frage nachzudenken, die
so viele Menschen beschäft igt: Warum können Menschen einerseits gut und auf-
opferungsvoll und andererseits schlecht und grausam sein? Ich betrachte dieses
Buch als eine lange Antwort auf diese Frage. Mein Dank gilt weiterhin all denen,
die mich zu dieser Arbeit inspirierten: Johan Braeckman, der das Geleitwort bei-
steuerte, Rutger Goekoop, Dirk De Ridder, Jorge Moll, James Blair, Adrian Raine,
Sven Vanneste, Carolyn Declerck, Danny Praet, Bart Van Den Bossche und mei-
ner Freundin Isabelle De Wulf. Ebenso danke ich Marc Meuleman, Koen Raes
und Johan Braeckman für die gründliche Durchsicht des Manuskripts und zahl-
reiche Anregungen.
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