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einen Schadenversicherer darin, dass es für wichtige Positionen der Passivseite keine
Marktpreise gibt; hier muss man fiktive Modellansätze (Mark-to-Model) betrachten. Die
Modelle spiegeln die wirkliche Situation aber nicht wirklich zufriedenstellend wider. Reser-
vetransfers sind in der Vergangenheit meistens nur in angespannten Unternehmenssitua-
tionen vorgekommen und waren mit hohen Abschlägen auf das Eigenkapital verbunden.
Die aktuell gewählten Modellansätzen in der Schadenversicherung entsprechen also kon-
zeptionell einem Liquidationswert ohne die realistischerweise zu beobachtenden hohen
Liquidationsabschläge.
Bei Schadenversicherern ist der klassische Embedded Value Ansatz aus der Lebensversi-
cherung mit Berücksichtigung von Renewals i. d. R. nicht Solvency II kompatibel, da zu-
künftige Prämieneinnahmen über den Modellierungshorizont hinaus meistens nicht als
rechtsverbindlich angesehen werden können; zulässig wäre allerdings ein Embedded Va-
lue Ansatz ohne Renewals, welcher konzeptionell einem ökonomischen Kapital mit „Liqui-
dationsabschlägen“ entspricht, wobei diese Abschläge aber milder ausfallen, als bei einer
sofortigen Liquidation aller Vermögens- und Verpflichtungswerte. Da die fiktive Realisation
aller Werte ohne jegliche Marktabschläge aber u. U. kein realistisches Modell abbildet,
könnte der Embedded Value ohne Renewals eine realistische Alternative zur Abbildung
des ökonomischen Kapitals darstellen. Hier ist im Sinne der Unternehmen zu prüfen wie
hoch diese Abschläge unter vernünftigen Annahmen dann tatsächlich ausfallen.
Der Appraisal Value, der auch noch zukünftige Neugeschäftsprämien über den einjährigen
Solvency II Modellierungszeitraum hinaus einbezieht, ist definitiv kein Solvency II zulässi-
ger Ansatz und kommt meistens bei Mergers & Acquisitions zur Anwendung.
Gegenstand der hier vorliegenden Betrachtungen ist der Vergleich des klassischen öko-
nomischen Kapitals, das derzeit den meisten internen Schadenversicherungsmodellen
zugrunde gelegt wird, mit einem Embedded Value Ansatz ohne Renewals als einer realisti-
schen Modifikation dieses Ansatzes, mit dem auch einige konzeptionelle Schwachstellen
der derzeitigen Modellierungsansätze behoben werden können. Aus diesem Grund sollen
nachfolgend noch einmal kurz die prinzipiellen Vorgehensweisen bei beiden Modellansät-
zen skizziert werden.
2.1
Interne Modelle in der Schadenversicherung
Interne Modelle in der Schadenversicherung starten üblicherweise mit dem ökonomischen
Eigenkapital zu Periodenbeginn, welches sich beispielsweise aus einer deterministischen
Umbewertung des IFRS Eigenkapitals ergibt. Das ökonomische Kapital am Ende der Perio-
de ergibt sich dann aus dem ökonomischen Eigenkapital zu Beginn der Periode zuzüglich
der Resultate aus der (ökonomischen) Gewinn- und Verlustrechnung (GuV). Da es für die
GuV „gute“ und „schlechte“ Szenarien gibt, ist das ökonomische Kapital zum Ende der Pe-
riode stochastisch. Da man meistens die Verteilung dieses ökonomischen Kapitals nicht
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mehr explizit berechnen kann, ermittelt man in diesen Fällen die Verteilung approximativ
mit Hilfe von Monte Carlo Simulationen.
Klassischerweise wird die GuV in Versicherungstechnik und Nichtversicherungstechnik
unterteilt; diese Systematik spiegelt sich auch in der betrieblichen Planung wider. Aus Sol-
vency II ergeben sich zusätzliche Modellanforderungen wie beispielsweise die angemes-
sene Einbeziehung von operationellen Risiken, welche formal der Nichtversicherungstech-
nik zuzuordnen sind. Da operationelle Risiken eher selten sind und somit im Normalfall
nicht auftreten, spiegelt sich dieser Aspekt natürlich nicht in der klassischen betrieblichen
Planungsrechnung wider (siehe dazu auch die nachfolgende Grafik, die aus [13] entnom-
men wurde).
Abbildung
2: Stochastisches ökonomische Eigenkapital.
Mit Hilfe von Monte Carlo Simulationen für die unterschiedlichen GuV Komponenten er-
hält man eine empirische Verteilung des Eigenkapitals nach einem Jahr (siehe dazu auch
die folgende Grafik, die ebenfalls aus [13] entnommen wurde).
Abbildung 3: Simulierte Eigenkapitalpfade.
950
1000
1050
1100
0
1
Periode
Eigenkapital
Pfad 1
Pfad 2
Pfad 3
Pfad 4
Pfad 5
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Bei einer ausreichend hohen Anzahl von Simulationen ist dies eine gute Approximation
der wahren Verteilung, wobei unter Solvency II Aspekten die „unteren“ Quantile dieser
Verteilung wichtig sind, um Aussagen zum geschätzten Ruinverhalten des Unternehmens
treffen zu können. Die approximierte Verteilung des Eigenkapitals ist aber nicht nur für
Solvency II, sondern auch für die Unternehmenssteuerung von Bedeutung.
2.2
Embedded Value in der Schadenversicherung
Der Embedded Value ist in der Unternehmenssteuerung der Lebensversicherung schon
seit langem etabliert, wobei die ersten theoretischen Arbeiten hierzu schon 1959 entstan-
den sind. Etwa seit 1980 findet das Konzept Anwendung bei Mergers & und Acquisitions
im angelsächsischen Raum. In der Literatur wird dabei zwischen dem
- traditionellen Embedded Value (TEV),
- dem European Embedded Value (EEV) und
- dem Marktkonsistenten Embedded Value (MCEV)
unterschieden. Entsprechend der ursprünglichen Vorgehensweise entspricht dabei der
traditionelle Embedded Value dem Wert des adjustierten Eigenkapitals zuzüglich dem
Barwert der künftigen Erträge aus dem Versicherungsgeschäft vermindert um die Kapital-
kosten für das Risiko. In diesem Wert sind allerdings die klassischen Optionen und Garan-
tien des Lebensversicherungsgeschäfts nicht angesetzt; er ist also tendenziell zu hoch.
Da es bei der Berechnung des traditionellen Embedded Value keine klaren Richtlinien gab
(insbesondere im Hinblick auf die anzuwendende Risikodiskontrate), hat das CFO Forum
bestehend aus den „Chief Financial Officers“ der bedeutendsten europäischen Versiche-
rungsgruppen 2004 die wichtigsten Regeln für die Berechnung des sogenannten Europäi-
schen Emedded Values in 12 Prinzipien spezifiziert.
Die Weiterentwicklung dieser Regeln durch das gleiche Gremium erfolgte 2008, wo in 17
Prinzipien der sogenannte
Market Consistent Embedded Value konsequent als Ware in
einem Markt definiert wird, wobei dieser Markt teilweise fiktiv modelliert werden muss. Die
Zusammensetzung des MCEV ergibt sich dabei wie folgt:
Abbildung 4: Zusammensetzung des MCEV.
Die einzelnen Komponenten dieser Formel sind in der nachfolgenden Tabelle erläutert:
MCEV =
FS + RC
+
PVFP – CRNHR
– FC – TVOG
=
NAV
+
VIF