Geboren wurde, wissen wir nicht von ihm selbst



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denken?“ Der erste Eindruck ist der, dass sich Plotin hier widerspricht. Hatte er nicht 

Parmenides zitiert, um die Identität von Denken und Sein zu bejahen? D.h. hatten wir nicht 

erklärt, dass Denken und Sein eine Einheit bilden, eine Gleichgegenwärtigkeit, eine 

Anwesenheit sozusagen, in der die beiden zusammengehören? Jetzt aber sagt er, dass 

die Ideen dem einzelnen Denkakt vorhergehen, dass sie früher sind als er. 

Abgesehen davon, dass das Problem hier ein anderes ist, nämlich die Frage, ob der Geist 

etwa die Ideen produziert, was klar verneint wird, geht es um eine andere Hinsicht. Der 

einzelne Denkakt bezieht sich auf etwas, das er nicht produziert, das also immer schon da 

sein muss, das mithin früher als er existiert. Wenn ich ein Dreieck denke, produziere ich 

nicht das Dreieck. Das ist natürlich schon gegeben. Geht dann aber das Sein nicht 

überhaupt dem Geist vorauf? Nein. Es muss hier eine grundlegende Anwesenheit des 

Seins im Geiste geben, die es dem einzelnen Denkakt erst ermöglicht, sich auf einen 

Denkgegenstand zu beziehen. Dieses, dass das Denken sich auf etwas schon von 

Ewigkeit Bestehendes beziehen kann, geschieht in der Identität von Denken und Sein, 

sprengt diese etwa keineswegs auf. 

Das Denken ist eben - wie Aristoteles sagt - ἐνέργεια, eine Tätigkeit, die keine ποίησις, 

keine Produktion, ist. Als unproduktive Tätigkeit ist es auf etwas angewiesen, das früher ist 

als diese Tätigkeit. Das ist dann aber das mit dem Geist identische Sein der Ideen. Wir 

müssen demnach feststellen, dass es bei Plotin im Denken einen Vorrang des Seins gibt, 

einen Vorrang der Ideen. Dieses Sein aber ist selber bereits geistmäßiges Sein, nichts 

dem Geist fremdes. Und daher ist dann das Denken des Geistes durchaus das, als was es 

Aristoteles bestimmt hatte: νόησις νοήσεως, sich selbst denkendes Denken.

Diese Einheit von Denken und Sein im Geist nennt Plotin μακαριωτάτης φύσις, 

allerseligste Natur bzw. Wesenheit. Über die heißt es dann in V 5: „So stellt sich dies uns 

heraus als eine einheitliche φύσις, alles Seiende. Und wenn das, so ist sie ein großer 

Gott; oder vielmehr nicht einer, sondern sie hat Anspruch darauf, der Gesamtgott zu sein. 

So ist denn diese Wesenheit Gott, und zwar der Zweite Gott, welcher auftaucht, bevor wir 

den Ersten sehen. Der aber sitzt darüber und thront so gleichsam auf einem schönen 

Grundstein, der von ihm abhängt.“ Was hier gesagt wird, ist das Verhältnis des Einen, des 

Ersten Gottes, zum Zweiten, dem Geist bzw. der Einheit von Sein und Geist.      

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6. Sitzung

Wir haben in der letzten Woche angefangen, uns mit dem Geist, dem νοῦς, bei Plotin zu 

beschäftigen. Wir hatten gesehen, inwiefern Plotin auf Parmenides, auf Platon und 

Aristoteles aufbaut, inwiefern er auch selbst noch die Stoa und die Skepsis beachtet, 

dabei aber selbständig bleibt. Der Ausgangspunkt der Überlegungen über den Geist ist die 

Identität von Geist/Denken und Sein. Diese Identität hatte Parmenides ausgesprochen. 

Diese Identität fasst Plotin mithin so, dass er erklärte, der Geist habe die Ideen in sich 

(indem der Geist sich selbst hat). Dieser Gedanke ist neu. Platon hatte das so nicht 

gedacht. Aristoteles aber hatte den νοῦς als eine besondere Tätigkeit (ἐνέργεια), als eine 

νόησις νοήσεως bezeichnet, als ein göttliches Denken, das nur das Höchste, also 

Göttliches denken konnte, d.h. dass folglich sich selbst denkendes Denken sein muss. Auf 

die Frage eben, was denn dieses sich selbst denkende Denken denkt, antwortet Plotin: die 

Ideen.

Das hatte aber zu der Frage geführt, woher denn diese Ideen im Geist stammen. 



Produziert der Geist etwa die Ideen? Diese Möglichkeit verneint Plotin (natürlich). Das 

geht schon deshalb nicht, weil die Idee ein Allgemeines und Überzeitliches ist. Das kann 

nicht vom jeweils singulären Geist hervorgebracht werden. Vielmehr sagt Plotin, dass den 

Ideen ein gewisser Vorrang zukommt. Die Ideen bzw. das Sein muss schon sein, damit 

der Geist es denken kann. Gott entstehe nicht, wenn der Geist „Gott“ denke. 

Dass hatte Plotin gesagt, wobei er wusste, dass er ja prinzipiell mit Parmenides die 

Identität von Denken und Sein behauptet. Da ließe sich fragen, ob wir es hier nicht mit 

einem Widerspruch zu tun haben. Wie kann man sagen, dass die Ideen dem Geist 

vorgängig sind, wenn es doch eine Identität zwischen den beiden geben soll? Plotin hat 

die Frage gekannt und für sich beantwortet. Gehen wir noch einmal auf eine Bestimmung 

zurück, die Aristoteles getroffen hatte, als der den νοῦς als eine ἐνέργεια, eine Tätigkeit, 

Wirklichkeit, bestimmt hatte. Der Geist ist sozusagen immer in Bewegung. Tätigkeit heißt 

hier nicht: ποίησις oder Produktion. Tätigkeit heißt einfach, dass der Geist irgendwie in 

sich lebt.

Dabei gebraucht nun Plotin ein auffälliges Bild. Das Seiende wohne dem Denken inne und 

die Tätigkeit (ἐνέργεια) des Denkens vollziehe sich so am Seienden, wie die Tätigkeit des 

Feuers am bereits vorhandenen Feuer“ (V 9). Wenn man Feuer zu Feuer hinzufügt, so 

gibt es freilich wieder einheitlich Feuer. Das Bild setzt aber etwas voraus, nämlich dass 

das Sein selber Tätigkeit ist. Genau das aber denkt Plotin. Denken und Sein sind beide 

ἐνέργεια. Man könnte auch sagen: die Einheit von Denken und Sein ist eine Tätigkeit, 

wobei die Tätigkeit des Seins der des Denken vorangeht. Es gibt dieses Feuer schon, zu 

dem das Feuer des Denkens hinzutritt.

Nun ist das aber ein wichtiger Gedanke: das Sein sei ἐνέργεια. Damit ist zunächst ein 

Aristotelischer Gedanke angesprochen. Er hatte in seiner Lehre des Seins, in seiner 

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