Zweitens ist das Phenolat-Anion durch Mesomerie stabilisiert (ein einsames Elektronenpaar am Sauerstoffatom wird in das System der delokalisierten Elektronen einbezogen):
[Zwar weist auch das Phenol bereits Mesomeriestabilisierung auf:
Da beim Phenol aber die Grenzstrukturen c) bis e) eine Ladungstrennung aufweisen und stets Energie aufgewendet werden muss, um entgegengesetzte Ladungen voneinander zu trennen, sind die Strukturen des Phenols instabiler als die entsprechenden Strukturen des Phenolat-Ions, d.h. die Mesomeriestabilisierung ist beim Phenolat-Ion größer als beim Phenol. Dies bedeutet aber, dass die Bildung des Phenolat-Ions unter Abspaltung eines Protons begünstigt ist.]
Steht an einem Benzolring ein Substituent, so beeinflusst dieser Substituent die Geschwindigkeit und den Ort einer Zweitsubstitution. Dies sei am Beispiel des Phenols erläutert:
Die Hydroxylgruppe am Benzolring bewirkt
a) dass die Zweitsubstitution erleichtert wird,
b) dass der Zweitsubstituent bevorzugt in ortho- und para-Stellung eintritt.
Erklärung:
zu a) Die Hydroxylgruppe übt einen +M-Effekt und einen -I-Effekt aus. Dabei überwiegt der +M-Effekt den -I-Effekt.
Alle elektrophilen Substitutionen am Benzolring verlaufen über einen positiv geladenen -Komplex als Zwischenstufe. Ist eine Hydroxylgruppe als Erstsubstituent vorhanden, so erhöht sie durch den +M-Effekt die Elektronendichte am Benzolring, übt einen stabilisierenden Einfluss auf den sich bildenden Sigma-Komplex aus und erleichtert damit die Zweitsubstitution gegenüber der Erstsubstitution. Sie aktiviert den aromatischen Ring.
zu b)
-Komplex für o-Stellung:
-Komplex für m-Stellung
-Komplex für p-Stellung
In den Übergangszuständen (-Komplexen) der o- und p-Substitution ist auch der Substituent in das konjugierte System einbezogen, d.h. diese Übergangszustände werden stärker stabilisiert als der Übergangszustand der m-Substitution, bei der der Substituent isoliert ist. Die o- und p-Positionen werden also leichter angegriffen als die m-Positionen.
Anmerkung 19:
Ein Erstsubstituent Y, der durch einen –I-Effekt und (oder) einen –M-Effekt die Elektronendichte im Ring erniedrigt, destabilisiert einen sich bildenden Sigma-Komplex und erschwert damit die Zweitsubstitution, verglichen mit dem Angriff des gleichen elektrophilen Teilchens auf das unsubstituierte Benzol. Er deaktiviert den aromatischen Ring.
Bei Halogenatomen als Substituenten überwiegt der –I-Effekt den +M-Effekt, daher wird der Ring deaktiviert und die Zweitsubstitution erschwert.
……….
Anmerkung 20: Derivate des Phenols
Methylphenole = Kresole
Das Isomerengemisch des Kresols (Rohkresol) ist eine ölige, braune, teerig riechende Flüssigkeit, die in Seifenwasser emulgiert unter dem Namen Lysol als Desinfektionsmittel Verwendung findet.
Naphthole
Die Naphthole sind feste Substanzen, die zur Herstellung von Farbstoffen Verwendung finden.
Zweiwertige Phenole
Hydrochinon wirkt auf Silberverbindungen stark reduzierend und findet deswegen in der Fotografie als Entwickler Verwendung.
Versuch 29
ohne AgBr:
mit AgBr:
Dreiwertige Phenole
1,2,3-Trihydroxybenzol dient in der Gasanalyse zur quantitativen Adsorption von Luftsauerstoff.
……….
3.2 Alkanale = Aldehyde und Alkanone = Ketone
Vorbemerkung: Ermittlung der Oxidationszahlen von Kohlenstoffatomen in organischen Verbindungen
Die Bindungselektronen der Atombindungen werden formal dem elektronegativeren Element zugeteilt und durch Addition der so erhaltenen Werte die Oxidationszahl des Kohlenstoffatoms errechnet. Die Kohlenstoffatome einer C-C-Bindung erhalten immer den Wert 0 zugewiesen, da in diesem Fall kein Elektronegativitätsunterschied besteht.
Versuch 30: Taucht man ein erhitztes Kupferdrahtnetz (schwarzes CuO!) in Methanol, so entsteht blankes Kupfer und ein stechend riechendes Gas.
Merke: Einwirkung von Oxidationsmitteln auf Alkohole
Redoxgleichungen für die milde Oxidation primärer und sekundärer Alkohole mit Kaliumdichromat in schwefelsaurer Lösung:
(Aus dem orangefarbenen Cr2O72--Ion entsteht das grüne Cr3+-Ion: Alcotest-Röhrchen!)
Oxidation von 1-Propanol:
Oxidation von 2-Propanol:
Merke:
wichtige Aldehyde und Ketone:
Methanal (Formaldehyd) ist ein stechend riechendes, die Schleimhäute stark reizendes, brennbares Gas. Lösungen von Methanal in Wasser mit Massenanteilen bis zu 38 % kommen unter dem Namen Formalin oder Formol in den Handel. Formalin wirkt desinfizierend und bringt Eiweiß zum Gerinnen. Es findet Verwendung zum Gerben von Häuten sowie als Konservierungs- und Härtungsmittel für anatomische Präparate. „Lysoform“ (Formalin und Seifenlösung) dient zur Desinfektion von Wohnräumen.
Große Mengen Methanal werden zur Herstellung von Kunststoffen, Farbstoffen und Arzneimitteln verbraucht.
Versuch 31
Technisch wird Methanal hergestellt, indem man ein Gemisch von Methanol und Luft über glühendes Metall leitet:
Ethanal ist eine farblose, sehr flüchtige (Siedetemperatur 21 °C), feuergefährliche Flüssigkeit von kratzend-betäubendem Geruch, der in starker Verdünnung an den Geruch unreifer Äpfel erinnert.
Versuch 32
Anmerkung 21: Polymerisation von Aldehyden
Methanal verwandelt sich in wässriger Lösung in eine feste, weiße Masse (Paraformaldehyd oder Polyoxymethylen), wobei sich etwa 12 bis 30 Moleküle (als Monomere) jeweils über das Sauerstoffatom zu langen Ketten verknüpfen. [Manche Lehrbücher der Organischen Chemie (Beyer, Fieser) unterscheiden den niedrigmolekularen Paraformaldehyd und das höhermolekulare Polyoxymethylen.] Der Kettenabbruch erfolgt durch Anlagerung der Bestandteile des Wassers an die Endgruppen.
Durch Erhitzen entsteht aus dem Polymerisat wieder das monomere, gasförmige Methanal.
Ethanal polymerisiert auf Zusatz einiger Tropfen konz. Schwefelsäure unter Erwärmung zu einer geruchlosen, bei 124 °C siedenden Flüssigkeit von der Molekülmasse 132 u, dem trimeren Paraldehyd. Da dieser weder reduzierend wirkt noch freie Hydroxylgruppen aufweist, schreibt man ihm Ringstruktur zu:
Findet dieselbe Reaktion bei etwa 0 °C statt, so entsteht ein fester Stoff, der tetramere Metaldehyd (CH3CHO)4, der als „Hart- oder Trockenspiritus“ Verwendung findet.
……….
Ethanal entsteht durch Dehydrierung von Ethanol mittels Sauerstoff („vorsichtige Oxidation“):
Versuche 33 und 34
Technisch wird Ethanal durch Anlagerung von Wasser an Ethin gewonnen:
Ein weiteres Verfahren zur Herstellung von Ethanal beruht auf der Oxidation von Ethen.
Ein aromatischer Aldehyd ist der Benzaldehyd:
Benzaldehyd
(ölige Flüssigkeit; marzipanähnlicher Geruch:
„Bittermandelöl“; als Duftstoff in vielen Parfum- und
Toilettenartikeln verwandt)
Unter den Ketonen ist das Propanon von besonderer Bedeutung:
Propanon = Dimethylketon = Aceton
(farblose, brennbare Flüssigkeit von würzigem Geruch;
findet als Lösemittel vielfache Verwendung, u.a. als
Lösemittel für Ethin in Druckgasflaschen)
Reaktionen der Aldehyde
Die Aldehyde sind eine äußerst reaktionsfreudige Stoffklasse.
a) Reduzierende Wirkung:
Silberspiegelprobe (Tollens-Probe):
Versuch 35
Gibt man zu verdünnter Silbernitrat-Lösung Natronlauge, so entsteht ein bräunlicher Niederschlag von Ag2O, der sich bei Zugabe von Ammoniakwasser unter Bildung von Diamminsilber(I)-hydroxid [Ag(NH3)2]OH auflöst. Erwärmt man die Lösung mit einigen Tropfen Aldehyd, so bildet sich metallisches Silber, das sich z.T. an der Wand des Reagenzglases als Spiegel abscheidet, z.T. in kolloider Verteilung die Flüssigkeit dunkel färbt.
[Verspiegelung in früherer Zeit: auf Zinnfolie Quecksilber gegeben, mit einer Hasenpfote verrührt und in das zunächst noch weiche Amalgam eine gereinigte Glasscheibe gedrückt]
Fehling-Probe:
Versuch 36
Fehling A: Lösung von CuSO4
Fehling B: Lösung von NaOH + „Seignettesalz“ (ein Kalium-natrium-tartrat,
d.h. ein K-Na-Salz der Weinsäure)
Beim Zusammengeben der beiden Lösungen bildet sich ein tiefblaues Kupfer(II)-Komplexsalz. Beim Kochen mit einigen Tropfen Aldehyd entsteht ein ziegelroter Niederschlag.
Das CuOH bildet beim Erwärmen unter Wasserabspaltung einen rotbraunen („ziegelroten“) Niederschlag von Kupfer(I)-oxid Cu2O.
Hinweis: Der Reaktionsverlauf ist in Wirklichkeit sehr viel komplizierter! - Bisweilen geht die Reaktion bis zur Abscheidung eines Kupferspiegels weiter.
Anmerkung 22: Die Fehling-Probe mit Benzaldehyd verläuft negativ. Ursache dafür ist die Disproportionierung des Benzaldehyds zu Benzylalkohol und Benzoat, u.a. durch den Einfluss der in Fehling B enthaltenen Lauge:
……….
b) Addition:
Die Doppelbindung in der Carbonylgruppe C=O besteht wie die Doppelbindung in der Atomgruppe C=C aus einem σ- und einem π -Elektronenpaar und besitzt ebenfalls eine Neigung zu Additionsreaktionen: nucleophile Addition (siehe Anhang 7, Seite 6).
Addition von Hydrogensulfit: erläutert in Anhang 7, Seite 6
Versuch 37
Addition von Wasser: führt zur Bildung von Hydraten
Die meisten Hydrate existieren nur in wässriger Lösung. Das Hydrat des Trichlorethanals, das auch Chloralhydrat genannt wird, kann jedoch als weiße, kristalline Substanz erhalten werden, da Substituenten mit -I-Effekt in der Alkylgruppe die positive Aufladung am Kohlenstoffatom der Carbonylgruppe erhöhen, dadurch die Hydratisierung erleichtern und ein einmal gebildetes Hydrat stabilisieren. Chloralhydrat fand früher als Schlaf- und Beruhigungsmittel Verwendung.
Addition von Ammoniak: führt zur Bildung von 1-Amino-1-hydroxy-Verbindungen:
Versuch 38
Addition von Cyanid-Ionen:
Die Umsetzung mit Cyanwasserstoffsäure (Blausäure) wird durch Säuren verhindert, jedoch durch Basen (z.B. NH3) positiv beeinflusst. Also ist nicht die Cyanwasserstoffsäure, sondern das Cyanid-Ion das nucleophile Agens!
Addition von Alkoholen:
Aldehyde (bzw. Ketone) reagieren mit Alkoholen unter Bildung von Halbacetalen (bzw. Halbketalen), wenn geringe Mengen von „Wasserstoffionen“ als Katalysatoren vorhanden sind.
In einem zweiten Reaktionsschritt kann sich durch eine nucleophile Substitution (!) ein Vollacetal (bzw. Vollketal) bilden: Nach der Protonierung der Hydroxylgruppe spaltet sich leicht ein Molekül Wasser ab (günstige Abgangsgruppe!). Das sich bildende, mesomeriestabilisierte Carbokation kann nun ein weiteres Molekül Alkohol addieren:
Zum Nachweis von Aldehyden dient eine durch Schweflige Säure entfärbte Fuchsinlösung: Schiff-Reagenz. Durch Aldehyde wird die farblose Lösung violettrot gefärbt, während die meisten Ketone keine Farbreaktion ergeben. (Mit Propanon erfolgt allerdings eine Farbreaktion!) Der Mechanismus dieser Reaktion ist noch weitgehend ungeklärt.
Reaktionen der Ketone
Ketone sind weniger reaktionsfähig als Aldehyde. Sie wirken nicht reduzierend, d.h. sie können nicht zu Carbonsäuren mit unveränderter Anzahl von Kohlenstoffatomen oxidiert werden. Bei energischer Oxidation erfolgt eine Spaltung der Kohlenstoffatom-Kette:
Versuch 39
Die Ketone zeigen Additionsreaktionen, allerdings ist die Additionsbereitschaft der Ketone schwächer als die der Aldehyde.
Versuch 40
Leicht erfolgen bei den Ketonen Substitutionsreaktionen (elektrophile Substitution):
Versuch 41
Das Monobrompropanon findet als Tränengas Verwendung.
[C6H5-CO-CH2Cl = 2-Chloracetophenon: farblose Kristalle, in Alkohol und Ether leicht löslich; „Weißkreuz-Gift“ = „chemische Keule“]
Keto-Enol-Tautomerie: siehe Anhang 10
3.3 Carbonsäuren und Ester
Durch Oxidation von Methanal entsteht eine Flüssigkeit von stark saurem Charakter: Methansäure (Ameisensäure).
Ethanal wird durch Luftsauerstoff langsam, durch Oxidationsmittel rasch in eine Verbindung übergeführt, die in reinem Zustand eine farblose, stechend sauer riechende Flüssigkeit darstellt: Ethansäure (Essigsäure).
Versuch 42
In wasserfreiem Zustand erstarrt Ethansäure bei rund 17 °C zu einer eisartigen Masse, weswegen man konzentrierte Ethansäure auch als Eisessig bezeichnet.
Methansäure und Ethansäure sind die beiden ersten Glieder der homologen Reihe der Carbonsäuren. Die funktionelle Gruppe der Carbonsäuren ist die Carboxylgruppe -COOH.
Formel Name der Säure Name der Salze
HCOOH Methansäure (Ameisensäure) Methanoate (Formiate)
CH3COOH Ethansäure (Essigsäure) Ethanoate (Acetate)
C2H5COOH Propansäure (Propionsäure) Propanoate (Propionate)
C3H7COOH Butansäure (Buttersäure) Butanoate (Butyrate)
:
:
C15H31COOH Hexadecansäure (Palmitinsäure) Hexadecanoate (Palmitate)
C17H35COOH Octadecansäure (Stearinsäure) Octadecanoate (Stearate)
(Worterklärungen: Ameisensäure = acidum formicium; Essigsäure = acidum aceticum; protos, gr. = der Erste; pion, gr. = Fett; Buttersäure = acidum butyricum; palma, lat. = Palme; stear, gr. = Fett)
Die ersten 3 Carbonsäuren sind stechend riechende, leicht bewegliche Flüssigkeiten. Die mittleren Glieder (von der Butansäure bis zur Nonansäure) haben einen ranzigen Geruch und sind von öliger Beschaffenheit. Die höheren Glieder sind geruchlose Feststoffe. Die auffallend hohen Siedetemperaturen der Carbonsäuren sind darauf zurückzuführen, dass sich jeweils 2 Säuremoleküle unter Ausbildung von 2 Wasserstoffbrückenbindungen aneinanderlagern:
Nur die ersten 4 Glieder der homologen Reihe der Carbonsäuren sind mit Wasser unbegrenzt mischbar. Mit zunehmender Länge des hydrophoben (= lipophilen) Kohlenwasserstoffrestes nimmt die Wasserlöslichkeit schnell ab.
Man bezeichnet die Carbonsäuren auch als Fettsäuren, weil einige höhere Carbonsäuren Bestandteile der Fette sind. Die natürlich vorkommenden höheren Fettsäuren weisen fast stets eine gerade Anzahl von Kohlenstoffatomen auf.
[In der Technik gewinnt man die zur Herstellung von Seife benötigten Carbonsäuren mit 10 bis 20 Kohlenstoffatomen durch Spaltung von Fetten oder durch direkte Oxidation von Paraffinen mit Luftsauerstoff. Hierzu wird ein Gemisch halbfester, unverzweigter Alkane mit mindestens 30 Kohlenstoffatomen in hohen Zylindern bei 110 °C in Gegenwart von Kaliumpermanganat als Katalysator mit Luft „verblasen“. Dabei entsteht durch Sprengung der langen Kohlenstoffatomketten und Oxidation der Endgruppen hauptsächlich ein Gemisch von Monocarbonsäuren mittlerer Kettenlänge (10 bis 20 Glieder), aus dem die zur Seifenherstellung benötigten abgetrennt werden.]
Acidität von Carbonsäuren
Die Abgabe eines Protons aus der Carboxylgruppe an eine Base, wie z.B. Wasser, wird erleichtert:
a) durch den -I-Effekt der Carbonylgruppe (und zugleich -M-Effekt des Sauerstoffatoms der Carbonylgruppe):
Aus der Struktur (b) wird ersichtlich, wie der -I-Effekt der Carbonylgruppe das Sauerstoffatom der Hydroxylgruppe positiviert und somit die Abspaltung des Protons erleichtert.
Da bei den Strukturen (b) und (c) Ladungstrennung auftritt, ist die Mesomeriestabilisierung nur gering (Mesomerieenergie ca. 29 kJ · mol-1).
Je länger der Alkylrest ist, umso größer ist der durch ihn bewirkte +I-Effekt, d.h. umso weniger polar ist die Bindung zwischen dem Sauerstoff- und dem Wasserstoffatom, umso weniger leicht wird also das Wasserstoffatom als Proton abgegeben. Je länger der Alkylrest einer Carbonsäure ist, umso geringer ist demnach die Säurestärke.
b) durch die Mesomeriestabilisierung des Carboxylat-Anions:
(zwei energiegleiche Grenzformeln; Mesomerieenergie ca. 50 kJ · mol-1)
Im Vergleich zu den Mineralsäuren sind die Carbonsäuren nur schwache Säuren.
Ungesättigte Monocarbonsäuren
C2H3COOH CH2=CH–COOH Propensäure (Acrylsäure)
C17H33COOH (1 Doppelbindung) 9-Octadecensäure (Ölsäure)
C17H31COOH (2 Doppelbindungen) 9,12-Octadecadiensäure (Linolsäure)
C17H29COOH (3 Doppelbindungen) 9,12,15-Octadecatriensäure (Linolensäure)
Die mehrfach ungesättigten Fettsäuren nennt man auch essenzielle Fettsäuren, weil sie für den Menschen unentbehrliche Nahrungsbestandteile sind.
Aromatische Monocarbonsäuren
Benzolcarbonsäure (Bénzoesäure)
(kristallisiert in feinen, weißen Blättchen; in kaltem Wasser schwer, in heißem Wasser und in Alkohol leicht löslich; Dämpfe wirken stark hustenreizend; ihre Säurestärke [pKS-Wert: 4,22] liegt zwischen den Säurestärken von Methansäure und Ethansäure)
Die Benzoesäure und ihr Natriumsalz (Natriumbenzoat) werden in der Lebensmittelindustrie als Konservierungsstoffe verwandt.
Gesättigte Dicarbonsäuren
HOOC–COOH Ethandisäure (Oxalsäure oder Kleesäure)
HOOC–CH2–COOH Propandisäure (Malonsäure)
HOOC–(CH2)2–COOH Butandisäure (Bernsteinsäure)
HOOC–(CH2)3–COOH Pentandisäure (Glutarsäure)
HOOC–(CH2)4–COOH Hexandisäure (Adipinsäure)
(Worterklärungen: oxalis, lat. = wissenschaftlicher Name für den Sauerklee; malum, lat. = Apfel; gluten, lat. = Leim; adeps, lat. = Fett)
Die Ethandisäure ist die stärkste (nicht substituierte) organische Säure (pKS = 1,46). Ihre Salze heißen Ethandioate = Oxalate. Ethandisäure ist eine der verbreitetsten Pflanzensäuren. Calciumethandioat-Kristalle finden sich in den Zellen des Rhabarbers und des Spinats, Kaliumhydrogenethandioat ist gelöst im Zellsaft des Sauerklees und Sauerampfers enthalten.
Wegen der Schwerlöslichkeit des Calciumethandioats verwendet man das Ethandioat-Ion zum Nachweis von Ca2+-Ionen. Das schwer lösliche, giftige Kaliumhydrogenethandioat wird als Kleesalz bezeichnet und dient zur Entfärbung von Rostflecken (Bildung eines wasserlöslichen Eisenkomplexes).
Alle Alkandicarbonsäuren sind farblos kristallisierende Feststoffe mit kräftig saurem Geschmack und einer im Vergleich zu den entsprechenden Monocarbonsäuren stärkeren Acidität.
Ethansäure pKS = 4,76 Ethandisäure pKS = 1,46
Propansäure pKS = 4,88 Propandisäure pKS = 2,83
Butansäure pKS = 4,82 Butandisäure pKS = 4,19
Der Vergleich der pKS-Werte von Mono- und Dicarbonsäuren mit gleicher Anzahl von Kohlenstoffatomen zeigt, dass die Unterschiede in der Säurestärke nur zu einem geringen Teil darauf beruhen, dass die Moleküle der Dicarbonsäuren zwei Protonen abspalten können. Entscheidend ist vielmehr die wechselseitige Auswirkung des -I-Effekts der beiden Carboxylgruppen, die mit steigendem Abstand dieser beiden Gruppen in den Molekülen der Dicarbonsäuren schnell abnimmt.
Der Kohlenstoff im Ethandioat-Ion (Oxalat-Ion) wird durch Kaliumpermanganat in saurer Lösung zu CO2 oxidiert. Diese Reaktion wird zur Einstellung einer Permanganat-Lösung für Redoxtitrationen verwendet. (Man kann z.B. den Eisengehalt in einem Eisenerz bestimmen, indem man das Erz löst, das gesamte Eisen in Fe2+-Ionen überführt und die Lösung dann mit der Lösung eines Oxidationsmittels, dessen Konzentration bekannt ist, titriert. Als Oxidationsmittel können z.B. KMnO4, K2Cr2O7 oder Ce(SO4)2 verwandt werden.)
Redoxgleichung für die Oxidation des Ethandioat-Ions durch Kaliumpermanganat in saurer Lösung (bei Erwärmen):
Ungesättigte Dicarbonsäuren
Hydroxycarbonsäuren
HOCOOH Hydroxymethansäure; identisch mit der Kohlensäure H2CO3
CH3–CHOH–COOH 2-Hydroxypropansäure (Milchsäure)
als „Gärungsmilchsäure“ in der Sauermilch, in der Sauerkraut- und Salzgurkenflüssigkeit sowie in eingesäuerten Futtermitteln; als „Fleischmilchsäure“ bildet sie sich im arbeitenden Muskel und verursacht dessen Ermüdung; die Salze der Milchsäure heißen Lactate (lac, lat. = Milch)
Milchsäure dient u.a. zur Herstellung von Limonaden. - Durch Oxidation von Milchsäure (z.B. mit H2O2) entsteht die Propanonsäure (Brenztraubensäure), die beim Kohlenhydratabbau als Stoffwechselzwischenprodukt eine wichtige Rolle spielt.
HOOC–CHOH–CHOH–COOH Dihydroxybutandisäure (Weinsäure)
die Salze heißen Tartrate (tartarus, lat. = Weinstein); bei der Weingärung scheidet sich Kalium-hydrogentartrat als „Weinstein“ ab
Die kristalline Weinsäure dient in Mischung mit NaHCO3 zur Herstellung von Back- und Brausepulvern.
Milchsäure und Weinsäure sind „optisch aktive Verbindungen“: siehe Anhang 9
Anmerkung 23: Eine Hydroxytricarbonsäure ist die Citronensäure:
Die Citronensäure, deren Salze Citrate heißen, spielt eine große Rolle im tierischen Stoffwechsel beim oxidativen Abbau der Kohlenhydrate, Fette und Eiweißstoffe („Citronensäurecyclus“).
Eine aromatische Hydroxycarbonsäure ist die o-Hydroxybenzoesäure = Salicylsäure:
Die Salicylsäure kommt in den Blättern der Weide (salix) vor. Sie bildet weiße, geruchlose Kristallnadeln, wirkt gärungshemmend bzw. fäulniswidrig und wird daher in Form ihres Natriumsalzes als Konservierungsmittel verwandt.
Der Ethansäuresalicylester (Salicylsäure ist ein Alkohol!) kommt unter der Bezeichnung Acetylsalicylsäure (ASS) in den Handel.
ASS ist ein weit verbreiteter schmerzstillender, blutgerinnungs- und entzündungshemmender sowie fiebersenkender Wirkstoff. ASS wurde insbesondere unter dem Markennamen „Aspirin“ bekannt.
[Name abgeleitet von „Acetyl“ und „Spire“, einer Bezeichnung für ein salicylathaltiges Rosengewächs, das Echte Mädesüß] Die korrekte IUPAC-Bezeichnung für ASS ist 2-Acetoxybenzoesäure.
……….
Halogencarbonsäuren
Werden Wasserstoffatome im Kohlenwasserstoffrest einer organischen Säure durch Halogenatome ersetzt, so erhält man die Halogencarbonsäuren, z.B. die feste Monochlorethansäure CH2Cl-COOH. Die Darstellung der Halogencarbonsäuren erfolgt gewöhnlich durch Einwirkung von Halogenen auf die freien Säuren, wobei Schwefel oder roter Phosphor als Katalysator dienen. Die Substitution erfolgt dabei in Nachbarstellung zur Carboxylgruppe:
H3C-CH2-COOH + Cl2 H3C-CHCl-COOH + HCl
Propansäure 2-Chlorpropansäure
Ein Überschuss an Halogen führt zu mehrfach halogenierten Säuren, z.B. zu der festen Trichlorethansäure CCl3-COOH.
Acidität der Halogencarbonsäuren
Die Säurestärke nimmt zu
1.) mit der Elektronegativität der Substituenten:
Ethansäure pKS = 4,76
Monofluorethansäure pKS = 2,66
Monochlorethansäure pKS = 2,81
Monobromethansäure pKS = 2,87
Monoiodethansäure pKS = 3,13
2.) mit der Anzahl der Halogenatome:
Monochlorethansäure pKS = 2,81
Dichlorethansäure pKS = 1,30
Trichlorethansäure pKS = 0,89 [Trifluorethansäure pKS = 0]
3.) mit abnehmender Entfernung des Substituenten von der Carboxylgruppe:
Butansäure pKS = 4,82
2-Chlorbutansäure pKS = 2,84
3-Chlorbutansäure pKS = 4,06
4-Chlorbutansäure pKS = 4,52
Salze der Carbonsäuren
Die Alkalisalze der Carbonsäuren mit 12 bis 18 Kohlenstoffatomen bezeichnet man als Seifen. (Im weiteren Sinn versteht man unter Seifen alle Salze der höheren Carbonsäuren!) Schmierseifen sind Kaliseifen; sie sind meist bräunlich gefärbt. Kernseifen sind Natronseifen. Die wässrigen Lösungen der Alkalisalze von Carbonsäuren reagieren infolge der Protolyse alkalisch.
Die bei Körpertemperatur klebenden Bleisalze der höheren Carbonsäuren nennt man Pflaster. (Medizinische „Pflaster“ sind streichbare Medikamente: Bleiseife wird mit Fett, Öl, Wachs, Harz, Terpentin und dem Arzneimittel gemischt und in Stangen erstarren gelassen. Zur Anwendung wird ein Stück davon im Wasserbad wieder erweicht, als warmer Brei auf eine Stoffunterlage gestrichen und auf die Wunde gelegt. - Moderne Heftpflaster werden dagegen hauptsächlich aus Kautschuk und Zinkoxid hergestellt, die z.B. auf Zellwollgewebe oder eine Folie aufgetragen werden. Wundschnellverbände werden noch mit einer Wundauflage und Folienstreifen darüber versehen.)
Ester der Carbonsäuren
Versuch 43
[In biologischen Versuchen gelangen häufig schwere, stabile Isotope von Sauerstoff (18O) bzw. Stickstoff (15N) zur Anwendung, da hier keine radioaktiven Isotope von geeigneter Halbwertszeit und Strahlenstärke herstellbar sind. Man erkennt dann die markierte Substanz mit Hilfe des Massenspektrometers an dem verschobenen Isotopenverhältnis.]
allgemein:
(Anwendung des MWG!)
Die Ester niedriger und mittlerer Carbonsäuren mit einfachen primären Alkoholen sind leichtflüchtige, angenehm duftende Flüssigkeiten, die sich in der Natur vielfach als Geruchs- und Geschmacksstoffe in reifen Früchten und edlen Weinen finden und als Aromastoffe für die Lebens- und Genussmittelindustrie künstlich hergestellt werden.
z.B. Ethansäurepentylester CH3COOC5H11 Geruch nach Birnen
Butansäureethylester C3H7COOC2H5 Geruch nach Ananas
[Methansäureethylester Geruch nach Arrak
Benzoesäureethylester Geruch nach Pfefferminz]
Die Fette sind Ester des Propantriols mit meist langkettigen Monocarbonsäuren. Die Bezeichnung „Verseifung“ für die hydrolytische Spaltung eines Esters ist darauf zurückzuführen, dass auch das „Seifensieden“ von Fetten mit Laugen eine Esterspaltung ist.
Wachse sind Fettsäureester, in denen höhere Carbonsäuren nicht mit Propantriol, sondern mit höheren, primären, einwertigen Alkoholen verestert sind (z.B. im Bienenwachs mit Myricylalkohol, einem Gemisch von C30H61OH und C32H65OH [im Walrat mit Hexadecanol = Cetylalkohol]).
Mechanismus der protonenkatalysierten Esterbildung:
1.) Protonierung der Carbonylgruppe der Carbonsäure:
2.) nucleophiler Angriff durch den Alkohol:
3.) intramolekulare Protonenwanderung und Austritt von Wasser:
4.) Austritt eines Protons (Rückbildung des Katalysators H+):
(Die Carbokationen I und II sind mesomeriestabilisiert und haben deshalb eine relativ große Bildungstendenz.)
Da es sich um eine reversible Reaktion handelt, sind alle Teilschritte umkehrbar, d.h. die Esterspaltung verläuft über die gleichen Zwischenstufen.
(Hinweis: Außer der protonenkatalysierten gibt es auch eine basenkatalysierte Esterspaltung.)
Carbonsäurehalogenide
Wird in organischen Säuren das Hydroxyl der Carboxylgruppe durch Halogen ersetzt, so entstehen die Carbonsäurehalogenide, zum Beispiel:
Ethansäurechlorid ist eine farblose Flüssigkeit mit stechendem Geruch, die an feuchter Luft stark nebelt. - Alle Säurechloride sind sehr reaktionsfähig. Sie werden schon von kaltem Wasser sofort zersetzt.
Carbonsäureanhydride
Denkt man sich aus den Carboxylgruppen zweier Carbonsäuremoleküle ein Molekül Wasser abgespalten, so erhält man die Säureanhydride. Ihre Darstellung erfolgt jedoch meist so, dass man das Halogenid und das Alkalisalz der Säure aufeinander einwirken lässt. Zum Beispiel bildet sich aus Ethansäurechlorid und Natriumethanoat das Ethansäureanhydrid, eine Flüssigkeit, deren Geruch zu Tränen reizt:
Sonderstellung der Methansäure
Als erstes Glied der homologen Reihe der Monocarbonsäuren zeigt die Methansäure Besonderheiten in ihren Eigenschaften und chemischen Reaktionen, die bei ihren Homologen, und zwar bereits bei der Ethansäure, fehlen:
1.) Methansäure zerfällt leicht. Sie wird z.B. beim Erhitzen mit konzentrierter Schwefelsäure in Wasser und Kohlenstoffmonooxid zerlegt:
Versuch 44
2.) Methansäure wirkt stark reduzierend, da sie die Aldehydgruppe enthält:
Versuch 45
Redoxgleichung für die Reduktion einer schwefelsauren Kaliumpermanganat-Lösung durch warme Methansäure:
Redoxgleichung für die Reduktion von ammoniakalischer Silbernitrat-Lösung durch Methansäure:
4 Stickstoffhaltige und schwefelhaltige Verbindungen
4.1 Salpetersäureester
Lässt man in Nitriersäure (ein Gemisch von konzentrierter Salpetersäure und konzentrierter Schwefelsäure im Volumenverhältnis 1 : 2) unter starker Kühlung in kleinen Mengen Propantriol (Glycerin) einfließen, so entsteht der Trisalpetersäureester des Propantriols („Glycerintrinitrat“), fälschlich auch Nitroglycerin genannt:
Versuch 46
Der Trisalpetersäureester des Propantriols ist eine gelbliche, ölige Flüssigkeit, die beim Anzünden gefahrlos abbrennt, auf Schlag oder Stoß aber mit furchtbarer Gewalt explodiert („Sprengöl“), wobei nur gasförmige Verbrennungsprodukte entstehen:
4 C3H5(ONO2)3 12 CO2 + 10 H2O + 5 N2 + 2 NO | H = -x kJ
1866 entdeckte Alfred Nobel, dass durch Aufsaugen von „Nitroglycerin“ in Kieselgur eine nicht mehr stoßempfindliche und daher transportsichere Masse entsteht, das Dynamit (dynamis, gr. = Kraft). Dynamit kann nur noch durch einen Initialsprengstoff zur Detonation gebracht werden. In verbesserter Form (z.B. Verwendung eines Gemisches von Kalisalpeter und Holzmehl statt Kieselgur) ist Dynamit ein wichtiger Sprengstoff, der überall dort eingesetzt werden kann, wo eine weitgehende Zersplitterung des Materials nicht von Nachteil ist, also z.B. bei Unterwassersprengungen, beim Tunnelbau und bei der Trümmerbeseitigung.
[Beispiele für Initialsprengstoffe:
Knallquecksilber = Quecksilberfulminat Hg(CNO)2: ein Salz der Knallsäure HCNO
Bleiazid Pb(N3)2: ein Salz der Stickstoffwasserstoffsäure H–N=N≡N ]
4.2 Nitroverbindungen
Nitroverbindungen enthalten die einwertige Nitrogruppe –NO2, bei der das Stickstoffatom unmittelbar an das Kohlenstoffatom gebunden ist.
Unterscheide:
Beispiele für Nitroverbindungen:
Nitrobenzol
(schwach gelbliche, schwere, ölige Flüssigkeit mit kräftig bittermandelartigem Geruch; die Dämpfe wirken als Blut- und Nervengift; Nitrobenzol wird zu Anilin weiterverarbeitet)
Bei der Nitrierung von Benzol handelt es sich um eine elektrophile Substitution durch das aus der Nitriersäure entstehende Nitronium-Kation NO2+ (siehe Anhang 7, Seite 4).
1-Methyl-2,4,6-trinitrobenzol = Trinitrotoluol
(fest; unter dem Namen Trotyl oder TNT bekannter Sprengstoff; schmilzt bereits bei 81 °C und wird in geschmolzenem Zustand in die Sprengkörper eingefüllt)
1-Hydroxy-2,4,6-trinitrobenzol = Trinitrophenol = Pikrinsäure
(pikros, gr. = bitter)
(hellgelbe Kriställchen, die beim Erhitzen oder auf Schlag verpuffen; sie haben einen bitteren Geschmack und sind in heißem Wasser löslich)
4.3 Amine
Ebenso wie Ammoniak reagieren auch die Amine als schwache Basen und bilden mit Säuren Salze:
[Diese alkylsubstituierten Ammoniumhalogenide entstehen auch durch Umsetzung von Halogenalkanen mit Ammoniak bzw. Aminen (nucleophile Substitution: das NH3 als Nucleophil greift das Substrat an, und ein Halogenid-Ion wird abgespalten):
In Anwesenheit einer starken Base - auch schon durch überschüssiges Ammoniak - wird das Amin aus seinem Salz in Freiheit gesetzt:
Mit weiterem Chlormethan kann sich die Reaktion fortsetzen und führt dann über das Dimethylamin zum Trimethylamin. Auch dieses tertiäre Amin kann mit Chlormethan weiterreagieren unter Bildung eines quartären Ammoniumsalzes:
]
Methyl-, Dimethyl- und Trimethylamin sind bei Zimmertemperatur gasförmig. Sie sind in der Heringslake enthalten. Trimethylamin bedingt den typischen Geruch von Seefischen und Hummern.
Aminobenzol = Phenylamin = Anilin
(anil, span. = Indigo, da Anilin erstmals aus diesem natürlichen Farbstoff hergestellt worden ist; farblose, ölige, in Wasser schwerlösliche Flüssigkeit von eigentümlich „dumpfem“ Geruch; an der Luft und im Licht verfärbt sich Anilin rasch rotbraun; Anilindämpfe sind giftig)
Wegen seiner großen Reaktionsfähigkeit ist Anilin eine wichtige Zwischenverbindung bei der Herstellung von Farbstoffen („Anilinfarben“), Arzneimitteln und fotografischen Entwicklern.
Technisch wird Anilin durch Reduktion von gasförmigem Nitrobenzol mit Wasserstoff unter Verwendung von Kupfersalzen als Katalysatoren hergestellt. Ein weiteres technisches Verfahren zur Gewinnung von Anilin ist das Erhitzen von Monochlorbenzol mit Ammoniak (340 °C; 340 bar; Cu2O als Katalysator):
C6H5-Cl + 2 NH3 C6H5-NH2 + NH4Cl
Basizität von Aminen
Aliphatische Amine sind erwartungsgemäß stärker basisch als Ammoniak (+I-Effekt der Alkylgruppe, d.h. elektronenabstoßende Wirkung).
pKB-Werte
NH3 4,75; CH3-NH2 3,36; (CH3)2NH 3,29; (CH3)3N 4,26 (!)
CH3-CH2-NH2 3,25; (CH3-CH2)2NH 3,02; (CH3-CH2)3N 3,24 (!)
Die in wässriger Lösung teilweise vorliegenden Alkylammoniumhydroxide, z.B. [RNH3]+OH–, sind wie das Ammoniumhydroxid nur in Lösung beständig. Die Basizitätsabnahme bei den tertiären Aminen zeigt, dass die Basenstärke eines Amins in Wasser nicht nur durch die Elektronendichte am Stickstoffatom bedingt wird. Sie hängt auch davon ab, wie weitgehend sich das gebildete Alkylammoniumion hydratisieren und damit stabilisieren kann. Je mehr Wasserstoffatome noch am Stickstoffatom des Kations sitzen, desto mehr Wasserstoffbrücken können sich mit den Molekülen des Lösemittels Wasser ausbilden:
In der Reihe NH3, RNH2, R2NH, R3N wird zwar durch den +I-Effekt der Alkylgruppen die Elektronendichte am Stickstoffatom immer größer, doch wird zugleich die Stabilisierung des Kations durch Hydratisierung immer geringer.
Anilin ist bedeutend schwächer basisch als aliphatische primäre Amine (pKB-Wert: 9,42), da die Phenylgruppe einen -I-Effekt ausübt und das Anilinmolekül durch Mesomerie stabilisiert ist:
Nach Aufnahme eines Protons sind dagegen nur 2 mesomere Grenzformeln für das Aniliniumkation (Phenylammoniumion) möglich:
4.4 Aminosäuren
Die Aminocarbonsäuren (kurz: „Aminosäuren“ genannt) leiten sich von den Carbonsäuren durch Ersatz von Wasserstoffatomen des Kohlenwasserstoffrestes durch die Aminogruppe -NH2 ab.
Die einfachste Aminosäure ist die Aminoethansäure = Glycin = Glykokoll:
Die Aminoethansäure bildet weiße, süß schmeckende Kristalle.
Bei der Aminopropansäure gibt es 2 Stellungsisomere:
Die 2-Aminocarbonsäuren sind die Bausteine der Eiweißstoffe:
2 bis 9 Aminosäuren: Oligopeptide
10 bis 100 Aminosäuren: Polypeptide
über 100 Aminosäuren: Makropeptide = Proteine
Außer der Aminoethansäure sind alle 2-Aminocarbonsäuren optisch aktiv. Die natürlich vorkommenden Aminosäuren gehören fast alle der l-Reihe an.
Aminosäuren können auch mehrere Aminogruppen enthalten, aber auch andere funktionelle Gruppen, wie z.B. -OH oder -SH. Man kennt heute rund zwanzig 2-Aminocarbonsäuren, die am Aufbau der Eiweißstoffe beteiligt sind. (Ferner sind rund 240 „non-protein Aminosäuren“ nachgewiesen, z.B. als Zwischenprodukte des Stoffwechsels oder als giftige „Schutzstoffe“ in Pflanzensamen.) Diejenigen Aminosäuren, die vom Organismus nicht selbst hergestellt werden können, bezeichnet man als essenzielle Aminosäuren.
[Bedeutung der Aminosäuren für die Ernährung
Für den Menschen sind 8 Aminosäuren essenziell, d.h. sie müssen in der Nahrung enthalten sein: Isoleucin, Leucin, Lysin, Methionin, Phenylalanin, Threonin, Tryptophan und Valin. Für das Kleinkind ist außerdem das Histidin eine essenzielle Aminosäure. Eine spezielle Stellung nehmen die Aminosäuren Cystein und Tyrosin ein. Cystein wird im Stoffwechsel aus Methionin gebildet. Enthält die Nahrung eine ausreichende Menge Cystein oder Cystin, so kann ein Teil des Methionins eingespart werden. Gleiches gilt für Tyrosin, das aus Phenylalanin synthetisiert wird und einen Teil des Phenylalanins ersetzen kann. Da bei Neugeborenen die zur Umwandlung notwendigen Enzyme noch nicht voll funktionsfähig sind, gelten Cystein bzw. Cystin und Tyrosin in den ersten Lebenstagen als essenziell. Für den Erwachsenen sind Arginin und Histidin semiessenziell. Das bedeutet, dass die Syntheseleistung in extremen Stoffwechsellagen, z.B. bei schweren Verletzungen, nicht ausreicht, um den Bedarf zu decken.
Der Bedarf an einzelnen essenziellen Aminosäuren ist sehr unterschiedlich. Er hängt außerdem vom Lebensalter ab. In der stärksten Wachstumsphase, beim Säugling, werden pro kg Körpergewicht am Tag ca. 2,5 g essenzielle und nichtessenzielle Aminosäuren benötigt. Für den Erwachsenen wird am Tag ca. 1 g pro kg Körpergewicht veranschlagt.]
Das chemische Verhalten der Aminosäuren wird durch das gleichzeitige Vorhandensein von basischen (-NH2) und von sauren (-COOH) funktionellen Gruppen bestimmt. Aminosäuren liegen als Zwitterionen vor und können daher sowohl mit starken Säuren als auch mit starken Basen Salze bilden: Aminosäuren sind Ampholyte. Die hierbei entstehenden Kationen bzw. Anionen machen sich durch die in verschiedenen pH-Bereichen unterschiedliche Wanderung in einem elektrischen Feld bemerkbar. Zwischen beiden Bereichen liegen bei einem ganz bestimmten pH-Wert praktisch alle Aminosäuremoleküle als Zwitterionen vor. Diese Dipolmoleküle können im elektrischen Feld nicht mehr wandern. Diesen für jede Aminosäure charakteristischen pH-Wert, bei dem die Wanderungsgeschwindigkeit im elektrischen Feld ein Minimum erreicht, nennt man den isoelektrischen Punkt. (Für die Aminoethansäure liegt er bei pH = 5,97.)
Die Zwitterionen bedingen den „salzartigen Charakter“ der Aminosäuren: Aminosäuren sind farblose, kristallisierte Feststoffe, deren Schmelztemperaturen relativ hoch liegen (über 230 °C), sodass sie nicht ohne Zersetzung geschmolzen werden können. - Vor allem die Glieder mit kurzer Kohlenstoffatomkette sind in Wasser gut löslich, in unpolaren Lösemitteln dagegen praktisch unlöslich.
Eine besonders empfindliche Nachweisreaktion für Aminosäuren ist die Ninhydrinprobe: Beim Kochen von Aminosäuren mit Ninhydrin entsteht ein blauer bis blauvioletter Farbstoff.
Anmerkung 24: Ninhydrin ist 2,2-Dihydroxy-1,3-indandion:
Endprodukt der Reaktion mit Aminosäuren:
……….
Wird die Carboxylgruppe einer Aminosäure mit der Aminogruppe einer zweiten Aminosäure unter Wasserabspaltung verknüpft, so entsteht die Peptidbindung:
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