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Ergänzend zum Abbildungstext noch ein genauerer Blick auf die Medaille. Ihre Vor-
derseite zeigt das Brustbild des im Profil nach links blickenden, trotz skeptischen
Mundwinkels Güte ausstrahlenden greisen Professors der, wie es seinerzeit hieß,
„Arzeney-Gelahrtheit“, modern schon ganz
ohne Zopf und Perücke, mit nach hinten
gekämmtem Haar. Die Kleidung ist bürger-
lichen Zuschnitts mit der üblichen Halsbinde
und vorn, gerade noch erkennbar, einem
Spitzen-Jabot. Der Überrock wirkt schlicht und
ist, fast salopp, im oberen Bereich aufgeknöpft.
Um bei der Umschrift das kleine Vornamen-
Problem „Johann“ oder „Johannes“ zu umgeh-
en, hat der Medailleur schlicht die Abkürzung
„IOH:“ gewählt.
Die Kehrseite der Medaille bietet Allegorisches. Rechts von einem mit seitlichen
Girlanden geschmückten
Altar steht Hygieia, die griechische Göttin der Gesundheit
(vgl. Hygiene) und Tochter des Heilkunde-Gottes Asklepios, römisch Äskulap, antik
gewandet und nach links gewendet. Um ihren bloßen linken Arm windet sich eine
Schlange. Sie galt den alten Griechen als Sinnbild des Wissens und des Lebens –
wahrscheinlich wegen ihrer stets als Neugeburt erachteten wiederholten Häutungen.
Die ausgestreckte Rechte der Göttin hält eine Schale (bis heute ein
Apothekensymbol) opfernd über Flammen, die oben aus dem Altar emporzüngeln.
Die stilistisch bereits dem Klassizismus verpflichtete Darstellung nimmt Bezug auf
des Medizinprofessors lebenslanges, seinen Mitmenschen zugewandtes, hilfreiches
Wirken. Außerdem ließe sich darüber nachdenken, ob vielleicht in dieser antiken
Szene zugleich eine Anspielung auf Leidenfrosts klassischen Wassertropfen-Versuch
von 1756 gesehen werden könnte. Wie oben bereits kurz erwähnt, gibt die
Leidenfrost-Medaille mit ihrer kleinen Signatur auf der Vorderseite (Abb.3) ihre
künstlerische Herkunft an. Über den Berliner Stempelschneider, Medailleur und
Wappenstecher Johann Jakob Gottfried Stierle (1764-1806) ist bislang kaum
Nr. 14092, S. 694; Ring, Walter: S. 177; Katalog der Sammlung Dr. Josef Brettauer MEDICINA IN
NUMMIS. Verfasst von Dr. Eduard Holzmair, Wien 1937, auch als Nachdruck: Wien 1989
(Veröffentlichungen der Numismatischen Kommission. Bd. 22), Nr. 644, S. 50; Roden, Günter von: S.
269, 363 f., 365 (Anm. 609) und Abbildungen 50 u. 51 (vor S. 353); Thönnessen, Willy: Johann Gottlob
Leidenfrost. In: PHOTORIN. Mitteilungen der Lichtenberg-Gesellschaft e.V., (1980), H. 3, S. 42
(Abbildungen) u. S. 43 f.; Kersken, Hartwig: Johann Gottlob Leidenfrost (1715-94). In: Geuenich,
Dieter/Hantsche, Irmgard: S. 307 f.
Abb. 3: Medailleur-Signatur.
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geforscht worden. Genannt wird er aber in einigen Publikationen, die unter seinem
Namenstichwort im Künstlerlexikon von Thieme/Becker schon im Jahre 1938
zusammengestellt sind.
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Seitdem hat sich nicht viel getan. Nach brieflicher Auskunft
von
Frau Elke Bannicke, Staatliche Museen zu Berlin, Münzkabinett, vom 6. Februar
2015 soll er der Sohn eines Sattlermeisters gewesen sein. Getauft wurde er am 27.12.
1764. Fast noch ein Kind, begann er 1776 eine gründliche achtjährige Lehre bei dem
berühmten königlichen Hofmedailleur und späteren Mitglied der Berliner Akademie
der Künste Daniel Friedrich Loos (1735-1819).
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Danach war er, mit Unterbrechun-
gen, an der Königlichen Münze zu Berlin angestellt. Daneben führte er, zur finan-
ziellen Absicherung, private Aufträge aus – wahrscheinlich billiger und rascher als
der viel beschäftigte Loos. Stierles gewiss am weitesten verbreitetes Werk ist der so
genannte Sterbetaler Friedrichs des Großen, geprägt in der Berliner Neuen Münze. Er
zeigt unten auf seiner Rückseite den von je einem Punkt begleiteten Münzbuchstaben
A inmitten der Jahreszahl 1786, volkstümlich als Abkürzung für den Todestag des
Königs gedeutet: 17. A. 86 = 17. August 1786.
Weitere Arbeiten Stierles sind bei
Thieme/Becker a. a. O. und im fünften Band des nach
wie vor unentbehrlichen Lexi-
kons von Leonard Forrer
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aufgeführt, dort auch die Leidenfrost-Medaille (S. 688).
Stierle wohnte, wie Friedrich Nicolai angibt, um das Jahr 1786 „in der Königsstraße
dem Rathhause gegen über, im Holzingerschen Hause.“
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Nebenher betätigte er sich,
gleich seinem einstigen Lehrherrn, als eifriger Freimaurer. Stierlé, wie er sich selbst
gern nannte, starb 41-jährig am 30.09.1806 in Berlin. Sein namhaftester Schüler war
der Berliner Hofmedailleur Johann Ludwig Jachtmann (1776-1842).
Zurück zu Leidenfrost. Beim Nahen seines 50-jährigen Dozentenjubiläums am 14.
September 1793 verbat sich der Jubelgreis – ein damals durchaus gebräuchlicher und
sogar respektvoll gemeinter Begriff – aus Alters- und Krankheitsgründen, vor allem
aber gewiss wegen seiner fast schon sprichwörtlichen Bescheidenheit, alle offiziellen
Reden und Feierlichkeiten zu seinem Ehrentage.
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Dennoch: „Als der Senat ihm eine
7
Thieme, Ulrich/Becker, Felix: Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler. 32. Bd., Leipzig 1938, S.
45.
8
Vgl. Sommer, Klaus: Die Medaillen des Königlich Preußischen Hof-Medailleurs Daniel Friedrich Loos
und seines Ateliers (Monographien zur Numismatik und Ordenskunde. Bd. 2). Osnabrück 1981.
9
Forrer, Leonard Steyning: Biographical Dictionary of Medallists. Volume V, London 1912, S. 687 f.
10
Nicolai, Friedrich: Beschreibung von Berlin u. Potsdam. Berlin 1786, III, Anh., S. 51, zitiert nach
Thieme, Ulrich/Becker, Felix: Literaturverzeichnis.
11
Erwähnenswert in diesem Zusammenhang ist die 16-seitige, ganz auf Seide gedruckte Würdigung durch
den Bremer Prediger Doktor Gottfried Wagner: „Dem Wohlgebornen und Hochgelehrten Herrn Herrn
[sic] D. Joh. Gottlob Leidenfrost ordentlichen Professor der Medicin auf der Königl. Preußs. Universität
zu Duisburg am Rhein bei dessen fünfzigjähriger akademischer Jubelfeier am 14. September 1793