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Blitzlicht – Persönlichkeiten zwischen Rhein, Maas und Ruhr
„als ein niedriger Bürger zum Dienste meines Nächsten gelebt“
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Johann Gottlob Leidenfrost. Bericht über eine historische Me-
daille zu seinen Ehren
von Hans-Werner Wolf (Göttingen)
Johann Gottlob Leidenfrost war einer der bedeutendsten
Professoren der
alten Universität Duisburg. So ist anzunehmen, dass dort jetzt, genau drei
Jahrhunderte nach dem Tage seiner Geburt, das Leben und Wirken dieses
verdienstvollen Mannes gebührend in Erinnerung gerufen wird. Deshalb
eingangs nur ein paar skizzenhafte biographische Angaben, ehe seine Me-
daille und ihr Umfeld genauer betrachtet werden sollen.
J. G. Leidenfrost kam am Mittwoch, dem 27. November 1715, abends gegen 17 Uhr
in Rosperwenda an der Goldenen Aue – damals ein kleines Dorf in der Grafschaft
Stolberg-Roßla – zur Welt. Sein Vater Johann Heinrich war der dortige Pastor;
dessen Ehefrau Louisa Sophia, geb. Friderici, stammte ebenfalls aus einer Theo-
logenfamilie. Getauft wurde Johann Gottlob am darauf folgenden Sonntag, dem 1.
Advent. Rosperwenda gehört heute zu Berga „am Kyffhäuser“ (Landkreis Mansfeld-
Südharz in Sachsen-Anhalt). Johann Gottlob studierte zunächst Theologie in Gießen
und Leipzig, wandte sich bald aber, spätestens in Halle, ganz der Medizin zu und
wurde dort im April 1741 zum Dr. med. promoviert. Für kurze Zeit ließ er sich in
Berlin nieder, war als tüchtiger Arzt sehr beliebt und konnte hier einige wichtige
Kontakte knüpfen. Als Zeitgenosse und mittlerweile Untertan Friedrichs des Großen
von Preußen zog er für diesen als Feldmedicus in den Ersten Schlesischen Krieg
(beendet 1742). Sein solchen Einsatz sehr schätzender König sah es daher gern, dass
der erst 27-Jährige im darauf folgenden Jahre den Lehrstuhl des am 24. November
1742 gestorbenen Ordinarius Johann Arnold Timmermann an der medizinischen
Fakultät der Universität Duisburg bezog.
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Das Wohlwollen und die Gunst des Sou-
veräns sollten sich als Glücksfall für Duisburg erweisen. Professor Leidenfrost blieb
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Leidenfrost zurückblickend in einem Schreiben von 1793, überliefert von seinem Kollegen im
Duisburger akademischen Senat A.W.P. Möller, 1795 (vgl. hierzu Anmerkung 12, dort auf S. 85).
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Weitere Literatur zur alten Universität Duisburg und somit auch zu Leidenfrost findet sich vor allem bei:
Ring, Walter: Geschichte der Universität Duisburg. Duisburg 1920; Roden, Günter von: Die Universität
Duisburg (Duisburger Forschungen. 12. Bd.). Duisburg 1968; Born, Gernot/Kopatschek, Frank: Die alte
Universität Duisburg 1655-1818. Duisburg 1992; Geuenich, Dieter/Hantsche, Irmgard (Hg.): Zur Ge-
schichte der Universität Duisburg 1655-1818 (Duisburger Forschungen. 53. Band). Duisburg 2007.
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nicht nur, trotz mancher ehrenvoller und lukrativer Rufe (so nach Harderwijk, Leiden
und Göttingen), seiner Alma mater ein Leben lang treu, sondern er hob auch deren
nicht immer glanzvolles Ansehen beträchtlich. Zugleich praktizierte er über
Jahrzehnte segens- und erfolgreich als von christlicher Nächstenliebe geprägter,
menschenfreundlicher Arzt. Seine wissenschaftlichen Interessen waren breit
gefächert – bemerkenswert zu einer Zeit vor Humboldt, in der die deutschen
Universitäten noch hauptsächlich der Lehre, weniger der Forschung zu dienen hatten.
In seiner fachlichen Ausrichtung war Leidenfrost beeinflusst von den Ansichten des
gelehrten niederländischen Arztes und Naturforschers Hermannus Boerhaave (1668-
1738), Professors in Leiden, einem genauen Beobachter und empirischen, auf Erfah-
rung bauenden Kliniker. Zu dessen Schülern zählte wiederum der berühmte Albrecht
von Haller aus Bern. Neben seinen vielen medizinischen Publikationen
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veröffent-
lichte Leidenfrost auch Arbeiten auf anderen Gebieten. Ihn deshalb
als Polyhistor
oder Universalgelehrten zu bezeichnen, wie Wolfram Kaiser es in seinem Aufsatz
von 1991 andeutet, erscheint jedoch, wie der Verfasser dann selbst zugeben muss,
übertrieben.
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Allerdings waren die Bereiche, denen Leidenfrosts Aufmerksamkeit
galt, recht vielfältig. So beschäftigte er sich u. a. im Jahre 1751 mit dem Grund-
nahrungsmittel Brot – darin sein Versuch, das Wort „Pumpernickel“ zu erklären.
1760 berichtete er „Von Hannibals Kunst, die Felsen durch Essig zu zermalmen“.
1768 folgte die „Unpartheiische und historische Betrachtung über den Schaden des
Caffeetrinkens“ – vornehmlich ging es um den obrigkeitlich unerwünschten teuren
Kaffeegenuss des einfachen Volkes (sog. Kaffeeregie). Und in den Wöchentlichen
Duisburgischen Anzeigen, 13. Stück, Dienstag, den 28. März 1775, machte er sich
ernsthafte Gedanken über den Schaden der langen Ferien auf einer Universität. Als
weniger kurios können heute seine Betrachtungen über den Ursprung des Brunnen-
wassers (1754) gelten, mit denen Leidenfrost frühe Anregungen zur Erforschung von
Mineralwasser und entsprechenden Heilquellen gibt. Zwanzig Jahre später nahm der
Duisburger stud. med. Franz Wilhelm Kauhlen (1750-93) aus Roisdorf bei Bonn in
seiner Dissertation das Thema wieder auf. Leidenfrosts wichtigste und am meisten
nachhaltige Veröffentlichung war jedoch seine lateinische Schrift „De aquae com-
munis nonnullis qualitatibus tractatus“ (Abhandlung über einige Eigenschaften des
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So z. B. über die „Kriebelkrankheit“, vgl. Nabielek, Klaus: Kriebelkrankheit und Mutterkorn bei Johann
Gottlob Leidenfrost. Diss. (med.), Düsseldorf 1974.
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Kaiser, Wolfram: Johann Gottlob Leidenfrost (1715-94). Zur 275. Wiederkehr seines Geburtstages am
27. November 1990, in: Zeitschrift für die gesamte Innere Medizin. 46. Jg., H. 4 (1991), S. 126-131 (mit
einem wertvollen Literaturverzeichnis).