ERMLANDBRIEFE
9
Sommer 2010
Herzliches und freundschaftliches Miteinander
Sehnsucht nach Heimat
Von Regina Scherer, geb. Schmidt
Wer kennt sie nicht - die Sehnsucht
nach der „alten Heimat“. Schon viele
Heimatvertriebene und Flüchtlinge aus
Ostpreußen und Schlesien haben sich
in den letzten Jahren aufgemacht, um
noch einmal „nach Hause“ zu fahren.
Auch wir Schmidt's (Bruno Schmidt)
aus Krekollen haben uns schon einige
Male diesen Wunsch erfüllt. Zum ersten
Mal fuhren wir 1983, als es noch sehr
schwierig und nervenaufreibend war,
die Grenzen zu überschreiten, um in
die Heimat zu kommen. Mit einer Reise-
gesellschaft unter der kundigen Leitung
von Herrn Alfred Krassuski (†) traten
wir unsere erste Reise in die Heimat an.
Wie war es schön, in „unser“ Dorf, auf
unseren Hof zu kommen. Viele Erinne-
rungen wurden wach.
Janina Miekiewicz hat uns freund-
lich aufgenommen, obwohl wir nicht
angemeldet waren und wir auch nicht
wussten, ob wir überhaupt willkom-
men waren. Unsere polnischen Taxi-
fahrer hatten gedolmetscht und haben
uns diesen Besuch ermöglicht. Aus
dieser ersten Begegnung wurde ein
herzliches und freundschaftliches Mit-
einander, das in den kommenden Jah-
ren sehr gepflegt wurde. Mehrere Be-
suche von Familienmitgliedern und
unserer Mutter, die im Alter von über
80 Jahren noch einmal diese Anstren-
gung auf sich nahm, folgten in den wei-
teren Jahren. Auch Gegenbesuche bei
uns gab es, ein gutes Zeichen der Völ-
kerverständigung zwischen Polen und
Deutschland.
1999 starteten wir dann mit einer
sechsköpfigen Gruppe zu einem weite-
ren Besuch. Aufnahme fanden wir bei
Tadeusz und Jadwiga in Kraftshagen,
wo wir eine sehr schöne Zeit miteinan-
der verbringen durften. Die Gast-
freundschaft war unbeschreiblich und
die Tage sind uns noch immer in guter
Erinnerung. Am Ende des Besuches
entstand die Idee, unsere Kinder nach
Ostpreußen einzuladen und mitzuneh-
men, dass sie die Heimat ihrer Eltern
und Vorfahren kennenlernen. Und tat-
sächlich: die Jugend hat es gepackt.
U.a. war sie natürlich auch zu Besuch
auf dem Schmidt-Hof und konnte sich
so ein Bild machen, wie es früher ein-
mal war. Ganz begeistert kamen sie
wieder zurück und hatten sehr viel zu
erzählen.
Nach dieser Reise reifte ein weiterer
Plan: Wir wollten es mit allen drei Gene-
rationen versuchen. Und wirklich, es
hat geklappt. Mit etwa 40 Personen un-
seres Clans aus allen Teilen Deutsch-
lands im Alter von vier bis 82 Jahren
haben wir uns 2006 in Dietrichswalde in
einer sehr schönen Ferienanlage einge-
mietet. Von dort aus haben wir viel un-
ternommen. Am wichtigsten war natür-
lich ein Besuch in Krekollen.
Pfarrer Tokarz hat uns herzlich be-
grüßt. Gemeinsam mit ihm haben wir
den Gottesdienst gefeiert (und wir ha-
ben die „Schmidt-Bank“ sehr gut aus-
gefüllt!) Anschließend wurden wir
von ihm, Tadeusz und Jadwiga ins
Pfarrhaus zu einem opulenten Essen
eingeladen. Lange blieben wir noch in
geselliger Runde beisammen. Dann
fand eine ausgiebige Ortsbegehung
statt: „unser Zuhause“, der Friedhof,
die Schule und, und, und - bis es dann
wieder in unser Feriendomizil zurück-
ging. Auch ein Besuch bei Janina, die
nunmehr in Kraftshagen wohnt, war
ein absolutes Muss. Weitere Ausflüge
gingen nach Heilsberg, Allenstein, Ni-
kolaiken, Guttstadt, ...)
Voller guter und bleibender Eindrük-
ke kehrten wir dann wieder in unsere
jetzige Heimat zurück. Schön war das
harmonische Miteinander aller Famili-
enmitglieder. Besonders erfreulich auch
deswegen, weil auch die eingeheirate-
ten Familienmitglieder von dieser Reise
in die Vergangenheit so angetan waren.
Es war ganz einfach schön. - Und noch
lange werden wir an diese schönen er-
eignisreichen Momente denken.
Vielleicht packt uns aber noch ein-
mal die Sehnsucht. - Man soll ja nie
„NIE“ sagen.
Menschen enger zusammenführen
Neue Orgel für Lichtenau
Für die gemeinsame Wallfahrt Werl 2010
Herzliches Dankeschön!
Von Bernhard Hagelüken
Die Partnerschaft von Lichtenau zum
ermländischen Pieniezno und dem klei-
nen Dorf Lechowo (Lichtenau) soll um
ein wichtiges Bindeglied fester werden.
Die Mitglieder des Partnerschaftskomi-
tees, vertreten durch Ehrenbürgermei-
ster Franz Josef Sievers, den Vorsitzen-
den des Förderkreises für Heimatge-
schichte Heinrich Karl Hillebrand, den
Vorsitzenden des Caritas-Verwaltungsra-
tes Hans-Georg Mackowiak, Ortsvorste-
her Bernd Fecke und Bürgermeister
Dieter Merschjohann wollen einer ein-
dringlichen Bitte von Pfarrer Leszek
Wojton, Lechowo, nachkommen, und in
der Kirche St. Johannes d. Täufer eine
funktionsfähige Orgel installieren. Dort
besteht die Kirchenorgel nur noch aus
dem Prospekt (Vorderansicht) des ehe-
maligen Instrumentes, das Klangwerk
ist zerstört.
Franz Josef Sievers, selbst Organist,
hat ein für Lechowo passendes, zwar ge-
brauchtes, aber fachlich geprüftes In-
strument beim Orgelbauer Lothar Si-
mon in Muddenhagen ausgemacht. Die-
se Orgel würde 10.000 Euro kosten. Die-
ses Geld aufzubringen, dazu appelliert
die Partnerschaft zu Lechowo an die
Menschen in der Stadt Lichtenau und in
der Region. Sievers: „Vielleicht gelingt
es uns, Interesse bei den Menschen, bei
Vereinen und Institutionen zu wecken.
Das würde die Menschen in Westfalen
und im Ermland noch enger zusammen-
führen. Es wäre eine Hilfe, die die Her-
zen der Menschen direkt erreicht.“ Und
Pfarrer Leszek Wojton schreibt: „Die Or-
gel, die in unserer Kirche wieder erklin-
gen möge, sie soll ein Symbol sein der
Verbundenheit und der Gemeinschaft
der vormaligen und jetzigen Generatio-
nen von Lechowo und Lichtenau.“ Zum
Annen-Tag ist nun eine Begegnung von
Pfarrer Leszek Wojton und Orgelbauer
Simon geplant, die Einzelheiten des Pro-
jektes besprechen wollen. Die zusätzli-
chen Kosten für den Transport und den
Einbau des Kircheninstrumentes wollen
die Menschen aus Lechowo tragen.
Spenden, auch Kleinstspenden, erbit-
tet das Partnerschaftskomitee auf das
Konto der Kirchengemeinde St. Kilian
Lichtenau: Kto-Nr.: 460109004, BLZ:
47260121, Volksbank PB-HX-DT, Kenn-
wort: Kirche Lechowo. Ende September
möchte Franz Josef Sievers den Trans-
port nach Lechowo organisieren. Er ist
zuversichtlich, dass sich die Menschen
in Stadt und Region und die Leser der
Ermlandbriefe ansprechen lassen und
für das Projekt „Orgel für Lechowo“
spenden.
Entstanden war die Partnerschaft zwi-
schen dem Ermland und Lichtenau
durch die Verbindung des ehemaligen
Lichtenauer Bürgermeisters Johannes
Hoischen und dem Pfarrer Braun. Sie
entdeckten, dass die beiden Lichtenaus
im Jahre 1926 ihre 600-Jahr-Feier began-
gen hatten, ohne voneinander zu wis-
sen. Dabei wurde auch deutlich, dass
sich im ausgehenden Mittelalter Men-
schen aus Westfalen in Ostpreußen an-
gesiedelt haben mussten.
Blick in die Kir-
che St. Johannes
der Täufer, mit
dem Orgelpro-
spekt ohne funk-
tionierendes
Werk. Hier soll
die neue Orgel
eingebaut wer-
den.
Foto: Bernhard
Hagelüken
Neues Buch über Papst Benedikt XVI.
Distanz und Nähe
Von Norbert Matern
Im Mai 1976 schrieb der Redakteur
der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“
Heinz Joachim Fischer sein erstes Por-
trait von Kardinal Ratzinger. Zu Recht
nennt er das für sich einen journalisti-
schen Glücksfall, denn ab 1978 hatte er
als römischer Korrespondent seiner
Zeitung hinreichend Gelegenheit, das
Auf und Ab im Leben des Kardinals,
der 2001 an Einfluss im Vatikan zu ver-
lieren schien und dann ein Jahr später
zum Dekan des Kardinalsgremiums
aufrückte, um dann schließlich selbst
Papst zu werden, zu verfolgen.
Aus Anlass des fünfjährigen Pontifi-
kats hat er nun seine wichtigsten Kom-
mentare und Berichte aus der FAZ zu-
sammengestellt und in 22 Kapiteln mit
einer manchmal mit „heisser Nadel ge-
strickten“ Einleitung versehen aufbe-
reitet. Natürlich durfte am Schluss das
Thema „Missbrauch“ nicht fehlen.
Zwischen dem „Kirchenmann mit
Kontinuität“ und dem Journalisten bau-
te sich ein Vertrauensverhältnis auf,
das den Kardinal auch zu Besuchen in
die Privatwohnung Fischers führte. Di-
stanz und Nähe bestimmten von da an
ihre Kontakte. Die Sympathie für Rat-
zinger durchzieht viele Beiträge des
Korrespondenten. In seinem Buch zi-
tiert er auch wichtige Passagen aus den
päpstlichen Reden und Ansprachen. So
kann sich der Leser z.B. über die Re-
gensburger Vorlesung noch einmal sein
eigenes Urteil bilden oder den ganzen
Text des päpstlichen Hirtenbriefs an die
Katholiken Irlands nachlesen.
Nach Fischers Meinung wird Bene-
dikt XVI. als „päpstlicher Kirchenleh-
rer“ in die Geschichte eingehen. Die
großen Themen des Pontifikats sind
deutlich behandelt: Das Verhältnis zwi-
schen Theologie und Wissenschaft,
zwischen dem Christlichen und dem
Menschlichen, zwischen Glaubensge-
meinschaft und moderner Gesell-
schaft, die Beziehungen zwischen
Christen und Muslimen, Christen und
Juden, die zentrale Gestalt des Jesus
von Nazareth.
Schon 1993 beklagte Kardinal Ratzin-
ger den pausenlosen Beschuss der Kir-
che. Dass ihm, wie Fischer festhält,
nach den Erfahrungen der letzten Jahre
die Freude am höchsten Kirchenamt
„vergällt“ ist, lässt sich nachvollziehen.
Fischer, Heinz-Joachim: Vom
Theologen zum Papst - Joseph Rat-
zinger - Benedikt XVI, LIT Verlag
Berlin 2010, 342 S., kart. 34,90 Euro
Teilnehmer aus dem Ermland der Werlwallfahrt 2010 nach dem Abschlussgottes-
dienst in der Kirche in Ludwigsfelde.
Foto zugeschickt: Domherr Schmeier