Historischer Verein für Ermland
VII
Sommer 2010
Fortsetzung auf Seite VIII
Fortsetzung von Seite VI
tius Pacelli bei den Verhandlungen
in der vordersten Front der Interes-
sen freilich ganz andere Dinge stan-
den.
Sodann findet sich bezüglich der
finanziellen Regelungen des Kon-
kordats in dem Aufsatz eine Stelle,
die uns mehr als peinlich berührt:
Dem Bischof von Ermland sei „das
bischöfliche Einkommen auf ein
schmähliches Restquantum herab-
gesetzt worden“. Wir trauen unse-
ren Augen nicht. Wir sind nicht be-
fugt, Zahlen zu nennen, die nicht im
Konkordatstext stehen. Aber das
können wir sagen, besonders wenn
wir Vergleiche mit der finanziellen
Lage der Bischöfe und Geistlichen
in Frankreich, England, Polen und
Italien anstellen, dass im Konkordat
für die Bischöflichen Stühle und die
Domkapitel ihrer Würde, ihrem
Amt und ihren seelsorglich-finan-
ziellen Aufgaben entsprechend ge-
sorgt ist. Das Gehalt des Ermländer
Bischofs ist nicht einmal um ein
Viertel seiner früheren Höhe ge-
kürzt worden.
„Dann endlich“, schreibt der Ver-
fasser, wo er auf dem Höhepunkt
des Leidensweges von Bischof Blu-
dau angelangt ist, „kam von all dem
schmerzlichen das Letzte: aus ir-
gendwelchen uns nicht begreifli-
chen Gründen wurde eine ostdeut-
sche Kirchenprovinz geschaffen,
unser Bischof, der noch das Palli-
um trug, verlor mit der Diözese die
Exemption: Ende einer langen,
rühmlichen Diözesangeschichte“. –
Nun wollen wir die Dinge aber
doch ruhig und sachlich nehmen.
Für die Schaffung der ostdeutschen
Kirchenprovinz lagen sehr wohl
Gründe vor. Wenn schon alle preu-
ßischen Diözesen in Kirchenprovin-
zen zusammengeschlossen werden
sollten, dann war dieser Zusam-
menschluss für den Osten beson-
ders wertvoll, auch und gerade un-
ter einem Gesichtspunkt, der das
Bistum Ermland mehr als die ande-
ren Diözesen berührt und den der
hochwürdige Verfasser selbst als
Ermländer durchaus zu würdigen
versteht, wenn er Ermland „diese
von Deutschlands Körper abge-
trennte Diözese“ nennt. Die Einglie-
derung in Kirchenprovinzen macht
übrigens die Bistümer von der Me-
tropole nicht abhängig. Berlin und
Ermland und Schneidemühl sind
selbstständige kirchliche Verwal-
tungsbezirke. Man schlage doch
nur das Kirchliche Rechtsbuch
nach! Die höheren Rechte der Me-
tropoliten sind einfach minimal. Die
Kirchenprovinzen sind mehr, fast
ganz eine Arbeits- und Vertrauens-
gemeinschaft.
Die Exemption ging Ermland da-
mit freilich verloren. Aber wir wol-
len auch hier die Lebensregel gel-
ten lassen, die Herr Dr. Miller an Bi-
schof Bludau rühmt: „Er sieht das
Im Gegenteil, sie wurden für ihre
„wackere“ Haltung gegenüber dem
Päpstlichen Nuntius reichlich be-
lohnt. Nachdem Weichsel wegen
seiner schweren Vergehen in Allen-
stein kanonisch suspendiert wor-
den war, wurde er, zum Gespött für
den Patron von Schönwiese, den
Grafen Sierakowski, der vergeblich
protestiert hatte, Pfarrer von
Schönwiese.
Wir stellen fest die Tatsache, dass
die deutschen Geistlichen Erm-
lands gegen den hl. Vater vorgehen,
obwohl dieser sie, wie sie selbst zu-
geben, mit großer, sehr herzlicher
Freundschaft beschenkt hat und
beschenkt; wir stellen fest die Tat-
sache, dass die Bemühungen, die
Geistlichkeit Ermlands durch Nach-
giebigkeit zu gewinnen, zunichte
wurden und eitel sein werden, weil
die deutschen Geistlichen Dank
den Bemühungen der Preußen ex
professo dem Luthertum günstig,
aber abgeneigt und häufig geradezu
feindselig gegen Rom gestimmt
sind.
Deutsche Übersetzung des polni-
schen Originals in Schreibmaschi-
nenschrift aus der Gazeta Gdańska
vom 5. April 1930.
3
Unerhörte Ausfälle der „Gazeta
Gdańska“ gegen den ermländi-
schen Klerus
Protest des Dompropstes Prälat
Sander von Frauenburg
Erst heute kommt uns ein uner-
hörter Angriff der polnischen Zei-
tung „Gazeta Gdańska“ gegen den
gesamten Klerus des Ermlandes
zur Kenntnis, den wir mit aller
Schärfe und mit größtem Nach-
druck als gemeine Verleumdung
brandmarken und zurückweisen
müssen.
Anlässlich des plötzlichen Todes
des Bischofs Dr. Augustinus Bludau
von Ermland hatte dessen ehemali-
ger Geheimsekretär Pfarrer Dr. Mil-
ler (Thiergart) in der „Ermländi-
schen Zeitung“ einen langen, über-
aus warm gehaltenen Artikel über
den verstorbenen Kirchenfürsten
geschrieben, in dem er auch kurz
die Abtrennung einiger Gebiete von
der Diözese infolge des Versailler
Diktats, die jetzige Unterteilung des
bisher exempten Bistums Ermland
als Suffraganbistums unter Breslau,
den damit folgenden Verlust des
Palliums usw. berührte. Es finden
sich bei dieser Gelegenheit einige
Wendungen in dem Artikel, die
man bedauern muss, die man u. E.
auf keinen Fall billigen kann. Aber
wer Pfarrer Dr. Miller kennt, weiß,
dass er eine überaus spitze Feder
hat, dass er in seinen Worten mit-
unter nicht wählerisch ist, weiß
Große groß, das Kleine klein“. Ge-
genüber den ungemessenen, riesi-
gen Fragen und Aufgaben der Seel-
sorge, der Bistümer der katholi-
schen Kirche in unserem Jahrhun-
dert ist das Exemptionsproblem
ganz gewiß „klein“ zu nennen. Und
sagen wir doch nicht, dass das En-
de der Exemption das „Ende einer
langen, rühmlichen Diözesange-
schichte“ sei. Der Ruhm eines Bis-
tums lag immer und liegt heute erst
recht in anderen Leistungen als in
Exemption.
Herr Dr. Miller schließt an die
eben erwähnten Worte noch einen
eigentümlichen Satz an: „Schlag auf
Schlag. Wer weiß, ob diese Dinge
nicht mit Schuld sind an seinem
Herzschlag? Wer weiß? ... Tragi-
sches Ende: wie vom Blitz gefällt,
fiel der letzte exempte Bischof Erm-
lands tot zu Boden“. Ist der hoch-
würdige Verfasser des angedeute-
ten Zusammenhanges sicher? Und
wenn er es ist, was wir nicht glau-
ben, müssten wir dann nicht bei al-
ler Ehrfurcht vor dem hochseligen
Toten sagen, dass Bischof Bludau
seelisch zu sehr abgekämpft durch
das Schwere der Kriegs- und Nach-
kriegszeit, das wir mit ihm empfan-
den und das wir ja alle in verschie-
densten Formen durchgekostet ha-
ben, hier doch Nebensächliches zu
tragisch genommen und falsch ge-
sehen hat. Durfte dann der Verfas-
ser so schreiben? Vor unseren ein-
fachen Gläubigen, die sich in die-
sen kein eigenes Urteil zu bilden
vermögen? Vor unserem Volk, das
in seinem nichtkatholischen und
leider mehr und mehr auch in sei-
nem katholischen Teil auf Kritik an
Rom besonders bitter und scharf
reagiert? - Wir bedauern diese und
andere schwere Entgleisungen in
dem sonst schönen Artikel.
Aus: Germania (Ausgabe A) vom
7.3.1930.
2
Ausfälle von
deutschen Geistlichen
gegen den Apostolischen Stuhl
Angriffe der deutschen katholi-
schen Geistlichkeit Ermlands auf
den hl. Vater Pius XI. erregten in
Deutschland eine große Sensation.
Die „Ermländische Zeitung“, das
amtliche Organ der Geistlichkeit
der Diözese Ermland, brachte eine
Erinnerung an den unlängst ver-
storbenen Bischof Bludau, einen
Nekrolog aus der Feder des frühe-
ren langjährigen Sekretärs des Bi-
schofs Bludau Dr. Miller. Dieser
Geistliche, heute einer der einfluss-
reichsten Geistlichen der ermländi-
schen Diözese, protestiert augen-
scheinlich im Einvernehmen mit al-
len anderen Geistlichen der Erm-
ländischen Diözese mit großem Pa-
thos gegen die Beraubung der Di-
özese Ermland durch den Apostoli-
schen Stuhl. Die „Ermländische
Zeitung“ behauptet, dass die Abtre-
tung einiger Pfarrgemeinden von
der Diözese Ermland an die Diöze-
se Danzig ein schwerer Schlag für
den ermländischen Bischof Bludau
gewesen sei, dem dieser im Diöze-
sananzeiger (Pastoralblatt) Aus-
druck verliehen habe, und dass
durch das Konkordat dem Bischof
ein ungeheures Unrecht zugefügt
worden sei.
Die Berliner „Germania“ sah sich
genötigt, in der Nummer 111 in ei-
nem Leitartikel gegen diese Angrif-
fe der Geistlichkeit auf den Papst
aufzutreten.
Das unerhörte Vorgehen des erm-
ländischen katholischen Blattes ist
für Fremde unverständlich. Aber ein
jeder, der Gelegenheit gehabt hat,
die ermländischen Verhältnisse ken-
nen zu lernen, kann es sich erklären.
Nirgends in der Welt unter Katho-
liken sind nationalistische Tenden-
zen und Antipathien gegen Rom so
stark wie im Ermland. Die preußi-
sche Regierung hat alle Anstren-
gung gemacht, das Ermland zu ver-
luthern und zu verpreußen. Hier
war der Bischof eine Kreatur Fried-
richs II. – so nennt sich dieser Bi-
schof selbst – der Freimaurer Karl
von Hohenzollern, hier war Bischof
Krementz, der eine von zwei Bi-
schöfen, die bis zum Ende gegen
das Dogma von der Unfehlbarkeit
des Papstes opponierte, hier war in
Braunsberg der Hauptsitz des Alt-
katholizismus (Mentzel und Miche-
lis, Professoren an der geistlichen
Akademie), hier war der Anfang
des Kulturkampfes in Deutschland
aus Anlass des Auftretens der rom-
gegnerischen Religionslehrer am
Gymnasium und Lehrerseminar,
hier weigerten sich die Theologie-
professoren an der geistlichen Aka-
demie bis zum äußersten, den Anti-
modernisteneid abzulegen, hier hat
man mit einem Zynismus, der aller
Kultur spottet, von der Akademie
die Aufschrift „Lyceum Hosianum“
heruntergerissen, hier hat man in
der geistlichen Akademie am 20. Ja-
nuar d. J. den größten Bischof sei-
ner Zeit, Hosius, heruntergemacht,
weil er zu scharf gegen die Anders-
gläubigen aufgetreten ist.
Gegenüber diesen antirömischen
Tendenzen war Rom immer uner-
hört nachsichtig und nachgiebig. In
der Abstimmungszeit schikanierte
die deutsche katholische Geistlich-
keit in unerhörter Weise den Päpst-
lichen Nuntius, den gegenwärtig re-
gierenden hl. Vater. Man nannte
ihn in Gegenwart der Kinder einen
italienischen Vagabunden, einen
Wolf im Schafspelze (Mayska), man
verweigerte ihm die Zelebration
der hl. Messe (Weichsel). In nor-
malen Verhältnissen hätten diese
Geistlichen wegen so unerhörter
Beleidigungen des Päpstlichen
Nuntius eo ipso die Exkommunika-
tion erwirkt. Diesen Geistlichen ist
nicht ein Haar gekrümmt worden.