Unter einem Informatiksystem verstehen wir ein aus
Software und/oder Hardware bestehendes System, das
Aufgaben in der Informationsverarbeitung oder -über-
tragung erfüllt.
Es führt etwa Berechnungen durch, vermittelt Informationen
und übt Kontrollfunktionen aus. Es verwaltet, plant, koordiniert und steuert. Solche
Systeme gibt es in allen Größenordnungen. »Sehr klein« sind etwa Algorithmen für
elementare Funktionen, einfache Überwachungsaufgaben oder einfache Protokolle.
»Sehr groß« sind etwa das Fahndungssystem von Interpol, das Internet, weltumspan-
nende Telefonnetze oder Weltraumprogramme. Informatiksysteme können isoliert
auftreten, meist aber sind sie eingebettet in andere technische, wirtschaftliche oder
gesellschaftliche Systeme.
Die Ingenieurdisziplin Informatik befasst sich mit dem Entwurf, der Implementierung
und dem Einsatz solcher Systeme für unterschiedlichste Anwendungsgebiete. Im
Zentrum steht dabei die Konstruktion, meist bezogen auf abstrakte Objekte und oft
ohne direkte Veranschaulichungsmöglichkeiten. Die Anforderungen reichen vom
Neuentwurf über das Konfigurieren existierender Komponenten, die Kopplung, Inte-
gration und Anpassung verschiedener Informatiksysteme bis hin zur Aktualisierung
von Altsystemen in Industrie, Wirtschaft und Verwaltung. Charakteristisch ist dabei
das Arbeiten im Team mit Anwendern und Fachleuten anderer Disziplinen.
Neue Methoden und Erkenntnisse der für die Praxis relevanten Techniken und Vorge-
hensweisen werden heute vor allem in folgenden Teilbereichen der Informatik erar-
beitet:
>
Chipentwurf, Integrierte Hardware-Softwaresysteme, Migration
>
Rechnerarchitektur und hoch-parallele Hardware-Strukturen
>
Betriebssysteme und vernetzte Systemsoftware
>
Rechner- und Kommunikationsnetze, verteilte Systeme
>
Datenbanken und Informationssysteme
>
Eingebettete Systeme und Echtzeitsysteme
>
Modellierung und Simulation
Informatik
als Ingenieurdisziplin
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>
Grafische Datenverarbeitung, Visualisierung und virtuelle Welten
>
Künstliche Intelligenz und Agententechnologie
>
Mensch-Maschine-Interaktion und Ubiquitous Computing
>
Formale Grundlagen, Logik und Algorithmentheorie
>
Software Engineering und Systemarchitekturen
>
Sicherheit, Zuverlässigkeit, Fehlertoleranz und Qualitätssicherung
Durch die vielfältigen Anwendungen haben sich neue Wissensbereiche wie Bio-, Geo-,
Ingenieur-, Medien-, Medizin-, Rechts-, Verwaltungs- oder Wirtschaftsinformatik ent-
wickelt. Diese Vielzahl demonstriert zum einen die unbegrenzt scheinenden Anwen-
dungsmöglichkeiten, sie ist aber auch ein Ausdruck für das Zusammenwachsen von
Wissenschaften. Diese fächerübergreifenden Kooperationen, zu denen die Informatik
mit ihren Modellen und Methoden beiträgt, erfordern ingenieurmäßiges Arbeiten:
konstruktives Vorgehen, präzise Analysen, Spezifikation, Modellierung und prototypi-
sche Implementierung, Orientierung an Anwendern, systematische Planung, Arbeit
im Team, rasche Umsetzung neuester Erkenntnisse, Erstellung und Nutzung von
Werkzeugen usw. Das Ergebnis sind »Informations- oder »Informatikprodukte«, die in
der Regel in größere Systeme eingebaut werden.
Informatikprodukte müssen nach ihrer erstmaligen Herstellung nicht mehr gefer-
tigt, sondern nur noch elektronisch kopiert werden, sodass ihre Verbreitung besonders
einfach ist und sehr schnell abläuft. Sie lassen sich leichter als materielle Produkte an-
passen und verändern – aber auch leichter manipulieren. Da es sich um »geistige
Produkte« handelt, greifen sie in den Alltag nachhaltiger ein als übliche »anfassbare«
technische Produkte, die meist nur zu bestimmten Gelegenheiten benutzt werden.
Die Informatik hat daher eine besondere Verantwortung für die »Sinnhaftigkeit«, die
kulturelle Verträglichkeit und die am Menschen orientierte Nutzbarkeit ihrer Systeme.
Daher spielen auch ergonomische Kenntnisse, Fragen des Einsatzes und der sozialen
Auswirkungen, die Ontologie und ethische Anforderungen eine herausgehobene Rolle.
Interaktive Visualisierung eines hoch komplexen Boing 777 Modells
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Informatik ermöglicht das Experimentieren in einem
virtuellen Labor, das auf Modellierung und Simulation
beruht, auf der Formalisierung des Untersuchungs-
raums und dem Durchrechnen von Modellen.
Hier spielt
man Szenarien durch, die sich dem physischen Experiment verschließen, wie etwa
Landungen auf fremden Planeten, Schnitte durch lebende Wesen, etwa zur Diagnose
oder zur Vorbereitung von Operationen, Bevölkerungsentwicklungen unter verschie-
denen Voraussetzungen, Auswirkungen von Katastrophen technischer oder natürli-
cher Art, etwa den Ausfall von Steuerungen in Energiesystemen, Erdbeben oder Tan-
kerunfälle. Auch dort, wo etwas entwickelt oder endgültig fertig gestellt werden soll,
werden Situationen oder Strukturen voraus berechnet, um das weitere Vorgehen zu
ermitteln und abzusichern. Bei Simulation und Visualisierung wird mittlerweile eine
so hohe Detailtreue erreicht, dass viele der hierbei gewonnenen Aussagen als zuver-
lässig gelten dürfen, auch wenn sie nicht in
der Realität nachgeprüft werden können.
Besonders präzise, meist in Naturwissen-
schaft und Technik eingesetzte Simulationen
werden im Fachgebiet »Scientific Computing«
(»wissenschaftliches Rechnen«) untersucht.
Es kombiniert Methoden aus Mathematik
und Informatik mit einer Anwendungswis-
senschaft und stellt zusätzliche Anforde-
rungen in den Bereichen Modellierungsme-
thodik, Datenanalyse, parallele Algorithmen,
Höchstleistungsrechnen, Visualisierung, wis-
sensbasierte Systeme, Bildverarbeitung und
anderen.
Informatik
als Experimentalwissenschaft
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Level-Of-Detail: verschieden Detaillierungs-
stufen eines geometrischen Modells (dargestellt
mithilfe von Oktalbäumen, Stadt > Gebäude >
Büroeinrichtung) für unterschiedliche Simula-
tionsaufgaben (z.B. Verkehrssimulation, Außen-
umströmung, Innenraumklimatisierung).
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