6
Geschichte der Zeit einzubetten. Daneben wurden Spuren
der Benutzer selbst, beispielsweise
Vermerke, auf den Karten untersucht. Ergänzend zu dieser Arbeit an den Quellen wurden
Johannes Dörflinger folgend zeitgenössische Verlagsanzeigen durchforstet, um Hinweise auf
Benutzung, Zielgruppe und Preise der Landkarten zu erhalten.
5
Präsentiert wird die Geschichte der Sammelatlanten im Schottenstift jedoch in umgekehrter
Reihenfolge. Nach einer knapp gehaltenen Forschungsgeschichte zur Kartographiegeschichte
allgemein sowie zur Aufarbeitung von Kartensammlungen wird zuerst der technische Aspekt der
Kartenherstellung im 18. Jahrhundert vorgestellt. Im nächsten Schritt
stehen die zeitgenössischen
Konsumenten der Karten im Mittelpunkt, bevor auf die Kartensammlung des Schottenstifts
eingegangen wird. Das nächste Kapitel handelt von den Menschen und Geschichten, die hinter
der Produktion der Karten stehen: Produkte welcher Verlage befinden sich in den Atlanten? Wer
hat diese Unternehmen gegründet? Wer hat dort gearbeitet? Es ist erstaunlich, wie viele
wirtschaftsgeschichtliche und biographische Informationen auf den Kartenblättern erhalten
geblieben sind.
Im letzten Teil der Arbeit befindet sich die Auswertung der Daten – sowohl der einzelnen Bände
als auch gesamt – und anschließend
folgt der Katalog der Atlanten, in dem alle enthaltenen
Einzelkarten nach bestem Wissen und Gewissen aufgenommen wurden.
5
Dörflinger, 18. Jahrhundert, 21-23.
7
2. Forschungsgeschichte
2.1 Kartographiegeschichte der Neuzeit
Was Daniel Schlögl 2002 in seinem Beitrag „ Historische Geographie – Historische Kartographie
– Kartographiegeschichte“ dargelegt hat, gilt noch immer: Die Kartographiegeschichte ist
innerhalb der historischen Hilfswissenschaften eine vernachlässigte Disziplin. In der deutschen
Forschung steht vor allem ihr geowissenschaftlicher
Aspekt im Vordergrund, dabei kann sie viel
zu Kodikologie, Chronologie, Heraldik, Paläographie und im Fall von Karten mit
Vertragscharakter auch zur Diplomatik und Sphragistik beitragen.
6
Thomas Horst betrachtet die
Geschichte der Kartographie 2008 in seinem Beitrag “Die Altkarte als Quelle für den Historiker“
für die Publikationsreihe „Archiv für Diplomatik. Schriftgeschichte, Siegel- und Wappenkunde“
bereits im Rahmen der Historischen Hilfswissenschaften, da vor allem
historische Methoden zur
Auswertung von Altkarten angewendet werden.
7
Wolfgang Scharfe sieht das Ziel der Kartographiegeschichte in der Geschichte der Entwicklung
der „Wissenschaft von den analogen räumlichen Systemen“ und ihre zentrale Methode ist der
„Komplex der formal-inhaltlichen Kartenanalyse“. Damit können Fragen nach dem zugrunde
liegenden Raummodell geklärt werden, wie dieses in eine Karte transformiert wird und welcher
Kommunikationsprozess hinter Landkarten steckt.
8
Mit dem Stichwort des
Kommunikationsprozesses trifft Scharfe einen wichtigen Aspekt in der Erforschung von
Landkarten: Landkarten sind Medien, die eine Botschaft vermitteln. Dieser
Aspekt steht auch
stark im Fokus der Forschungen von Markus Heinz. Er sieht Karten als Informationsprozess,
wodurch auch dem Konsumenten der Publikationen eine bedeutende Rolle zugesprochen wird, da
das Ziel der Kartenproduktion nicht der Gegenstand der Karte selbst sei, sondern, dass der
„Kartenleser das Kartenbild in seinem Kopf zu einer individuellen Vorstellung von der Karte und
6
Daniel
Schlögl, Historische Geographie – Historische Kartographie – Kartographiegeschichte. In: Franz-Albrecht
Bornschlegel, Christian
Friedl, Georg
Vogeler (Hg.),Sedes scientiarum auxiliarium. Ausstellung der Abteilung
Geschichtliche Hilfswissenschaften des Historischen Seminars der LMU München (München 2002) 9.
7
Thomas
Horst, Die Altkarte als Quelle für den Historiker. Die Geschichte der Kartographie als Historische
Hilfswissenschaft. In: Walter
Koch, Theo
Kölzer (Hrsg.) Archiv für Diplomatik. Schriftgeschichte, Siegel- und
Wappenkunde, Bd. 35 (Köln-Weimar-Wien 2008) 309-378, 311f. Horst bezieht sich hauptsächlich auf den Nutzen
der Kartographiegeschichte für das Verständnis antiker und mittelalterlicher Karten.
8
Schlögl, Kartographiegeschichte, 92f.
8
der Realität“
9
umformt.
10
Für den Verlag Homann hat Heinz in
seiner Dissertation an der
Universität Wien ein Werkverzeichnis erstellt, was ihn zum besten Kenner von Homann-Karten
und der Verlagsgeschichte macht.
11
Heinz bringt viele innovative Thesen in die
Kartographiegeschichte ein und setzt überlieferten wissenschaftlichen Fehleinschätzungen neue
Impulse entgegen. So unterstellte Christian Sandler 1882 den süddeutschen Verlagen, sie würden
Quantität gegenüber der Qualität der Karten vorziehen und deswegen oft Kopien oder veraltetes
Material veröffentlichen. Heinz betrachtet die Entscheidung,
welche Karten veröffentlich
wurden, als heiklen Balanceakt zwischen Wirtschaftlichkeit und teurer Aktualität.
12
Johannes Dörflinger betrachtet in seinen Untersuchungen zur österreichischen Privatkartographie
des 18. und des frühen 19. Jahrhunderts vor allem die geschichtswissenschaftlichen
Fragestellungen an das Material. Dabei berücksichtigt er wissenschaftsgeschichtliche,
kunstgeschichtliche, wirtschaftsgeschichtliche und sozialgeschichtliche Aspekte sowie die
politische Geschichte der Zeit. Zu den wissenschaftsgeschichtlichen Aspekten der
Kartographiegeschichte zählen beispielsweise die Biographien der an der Kartenherstellung
beteiligten Personen, die Qualität der Karte in wissenschaftlicher
Hinsicht sowie der
Innovationsgrad der Darstellungsmethode. Der kunstgeschichtliche Aspekt umfasst die Qualität
des Stiches und die Deutung und Art der dekorativen Elemente. Die Erforschung des
Verlagswesens, der Produktion und der Benutzung von Karten deckt den wirtschafts- und
sozialgeschichtlichen Aspekt der Kartographiegeschichte ab.
13
Für die Kartographiegeschichte des 18. und frühen 19. Jahrhunderts im deutschsprachigen Raum
sind die Forschungen von Peter Meurer und Michael Ritter maßgeblich, die sich vor allen mit den
biographischen Geschichten der Augsburger Verleger Seutter, Lotter, Probst und Walch
auseinandersetzen.
14
Kazimierz Kozicas und Michael Ritters genaue Analyse der insgesamt 13
9
Heinz, „allerneueste Landkarten“, 73. Markus
Heinz, Über Zweck und Verwendung der Karten Johann Baptist
Homanns anhand seines "Neuen Atlas über die gantze Welt" (1707). In: Wolfgang
Scharfe (Hrsg.), 6.
Kartographieshistorisches Colloquium Berlin 1992. Vorträge und Berichte (Berlin 1994) 153-165, 153.
10
Heinz,
Zweck und Verwendung, 153.
Heinz, „allerneueste Landkarten“, 10, 73.
11
Markus
Heinz, Modell eines Werkskataloges des kartographischen Verlages Homann, Homanns Erben und
Fembo in Nürnberg (1702-1848), 2 Bände (Diss., Wien 2002).
12
Markus
Heinz, „auserlesene und allerneueste Landkarten“ In: Michael
Diefenbacher, Markus
Heinz, Ruth
Bach-
Damaskinos (Hrsg.), „auserlesene und allerneueste Landkarten“. Der Verlag Homann in Nürnberg 1702-1848
(Nürnberg 2002) 34-47, 73-137, 202-205, 74-88.
Christian
Sandler, Johann Baptista Homann, die Homännischen Erben, Matthäus Seutter und ihre Landkarten,
Neuauflage (Amsterdam 1979) 5.
13
Dörflinger, 18. Jahrhundert, 15f.
14
Peter H.
Meurer, Das Druckprivileg für Matthäus Seutter. In: Cartographica Helvetica 8 (1993) 32-36.