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Kunst im Konflikt: Strategien zeitgenössischer Kunst
gründete sich 1992 das Stipendiatenprogramm der
Thami Mnyele Foundation für afrikanische Künstler,
benannt nach dem südafrikanischen Künstler und
Aktivisten.
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Gewalt und Deformation, Soldaten, Polizisten, Poli-
tiker und Aufständische, Folterkeller, Waffen, ge-
panzerte Fahrzeuge sind in der südafrikanischen
Kunst weit über das Ende der Apartheid hinaus
allgegenwärtig. Aber auch positive Zeichen der Af-
firmation des Lebens, des Zusammenhalts in der
Opposition und der Zukunftshoffnung. Die Funkti-
on und Wirkung dieser Kunst ist nicht leicht be-
nennbar. Sie reicht von der Aufarbeitung histori-
scher Ursachen und persönlich erlebter traumati-
scher Ereignisse über die Verbreitung von Neuigkei-
ten durch Bilder bis hin zur Selbstvergewisserung
durch aktive Teilnahme am Kampf gegen die
Apartheid und Ausbildung von Allianzen gegen das
repressive System. Wie Desmond Tutu schreibt, ist
Kunst nicht einfach nur Mittel zum Zweck, sondern
selbst ein Zweck, indem sie ermöglicht, einem men-
schenverachtenden System die eigene Aktivität und
Kreativität entgegenzusetzen und so ungeahnte
Reserven des Widerstands erst mobilisiert.
Nach dem Ende der Apartheid
Seit 1994 ist die Rassentrennung überwunden, doch
paradoxer Weise hat sich an vielen Problemen des
Landes wie wirtschaftliche Ungleichheit, Perspektiv-
losigkeit der vormals aufgrund der Hautfarbe be-
nachteiligten ärmeren Bevölkerungsschichten, Aus-
grenzung und Gewalt nur wenig geändert. Wie
Künstler auf diese Situation reagieren, sollen exemp-
larisch drei Beispiele zeigen.
Kendell Geers
Wie kein anderer Künstler hat Kendell Geers die
Paradoxien einer Existenz als „Weißer‚, dessen Fa-
milie bereits seit 300 Jahren in Afrika ansässig ist,
reflektiert.
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1993 verschickte er Mitgliedsanträge an
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http://www.thami-mnyele.nl;
http://www.sahistory.org.za/pages/people/bios/mnyele-t.htm.
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Kendell Geers, „Die Perversität meiner Geburt: Die
Geburt
meiner Perversität‛, in:
Inklusion : Exklusion. Kunst im Zeitalter von
Postkolonialismus und globaler Migration, hrsg. von Peter Weibel
zum Steirischen Herbst 1996, Köln 1997, S. 121-126; ders., „Der
sämtliche südafrikanische Parteien vom ANC bis zu
der rechtsradikalen
Afrikaner Weerstandsbeweging
(AWB), die ihn alle bereitwillig aufnahmen. In sei-
nen Arbeiten nach 1994 thematisiert er wie wohl
kein anderer Gewalt und Ausgrenzung: In einer
Ausstellung im Württembergischen Kunstverein
2001 waren in der Mitte des Kuppelsaals wie
Schweinehälften in einer Metzgerei zwei Reihen rote
Kunststoffsäcke aufgehängt, wie sie von Hilfsorga-
nisationen in Katastrophengebieten zum Abtrans-
port der Leichen verwendet werden (
Song of the Pig).
An die Kuppel projizierte Geers in großem Format
Standbilder aus Fernsehkrimis, die den Moment
einer Erschießung zeigen (
Shooting Gallery).
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Auf
der Documenta stellte er im selben Jahr Schwarz-
weißfotos von Grundstücksgrenzen und Eingangs-
toren privater Wohnhäuser in Johannesburg aus, die
mit Nato-Draht, spitzen Maueraufsätzen, Verbots-
schildern sowie Hinweisen auf Sicherheitsfirmen
aufgerüstet erscheinen wie sonst nur Staatsgrenzen
(
Suburbia).
Xolile Mtakatya
Zu den Paradoxien der Zeit nach der Apartheid
gehört auch, dass die Ungleichheit zwischen hell-
und dunkelhäutigen Künstlern in Südafrika eher
wieder zugenommen hat. Einige Künstler aus der
privilegierten „weißen‚ Oberschicht, die ein regulä-
res Kunststudium absolviert haben, sind sehr erfolg-
reich, während ihre dunkelhäutigen Kollegen größe-
ren Schwierigkeiten begegnen, auf dem internatio-
nalen Kunstmarkt zu reüssieren. Daher bleibt man-
chen von ihnen nichts anderes übrig, als wieder
vorwiegend für einen Markt zu produzieren, der
Interesse an bunten Bildern des indigenen „Ande-
ren‚ hat. So scheinen die Gemälde des 1968 gebore-
nen Xolile Mtakatya, im Angebot mehrerer Galerien
in Kapstadt, eher den Erwartungen an eine bunte,
dekorative Malerei zu entsprechen, die eben nicht
ganz den Standards einer heutigen Gegenwarts-
kunst genügt.
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Dass Mtakatya auch anders kann,
Horror der Horror‚, in:
7. Triennale der Kleinplastik 1998,
zeitgenössische Skulptur Europa Afrika, Ostfildern-Ruit 1998, S. 33-
39.
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Kendell Geers:
Televisionaries, Württembergischer Kunstverein,
14.2.-15.4.2001; vgl. Sophie Perryer, „Kendell Geers‚, in:
ArtThrob
58, Juni 2002, http://www.artthrob.co.za/02jun/artbio.html.
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The Cape Gallery, ASAI, Rose Korber Art.