Der verantwortliche Konsument
Wie Verbraucher mehr Verantwortung für ihren Alltagskonsum übernehmen können
Björn Ahaus
Ludger Heidbrink
Imke Schmidt
Working Papers des CRR
Nr. 10/2011
ISSN 2190-5398
www.responsibility-research.de
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Der verantwortliche Konsument
Wie Verbraucher mehr Verantwortung für ihren Alltagskonsum übernehmen können
Björn Ahaus
Ludger Heidbrink
Imke Schmidt
Nr. 10/2011
ISSN 2190-5398
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Der verantwortliche Konsument
Wie Verbraucher mehr Verantwortung für ihren Alltagskonsum übernehmen können
Björn Ahaus
Prof. Dr. Ludger Heidbrink
Imke Schmidt
CRR (Center for Responsibility Research)
Kulturwissenschaftliches Institut, Essen
Diese Publikation geht auf das Forschungsprojekt „Konsumentenverantwortung - Neue Macht
und Moral des Verbrauchers“ des Center for Responsibility Research (CRR) am Kulturwissen-
schaftlichen Institut Essen (KWI) zurück.
Sie beschäftigt sich mit der Frage, welche Rolle Konsumenten angesichts der Risiken des Klima-
wandels, des ansteigenden Ressourcenverbrauchs und wachsender sozialer Ungleichheiten für eine
nachhaltige Entwicklung spielen können. Obwohl die Einsicht der Verbraucher in die negativen
Auswirkungen ihrer Konsumgewohnheiten zunimmt, besteht zwischen dieser Einsicht und ihrer
tatsächlichen Umsetzung im Alltagshandeln weiterhin eine Kluft. Die Autoren dieses Papiers ana-
lysieren am Beispiel des Wechselverhaltens von Stromkunden die Ursachen für diese Diskrepanz
und zeigen Strategien zur Förderung verantwortlichen Konsumentenverhaltens auf. Die These ist,
dass Verbraucher mehr Verantwortung für ihren Konsum übernehmen können, indem sie Strate-
gien der rationalen Selbstbindung entwickeln und stärkeren Einfluss auf Handlungsoptionen und
Marktangebote ausüben.
Das Center for Responsibility Research (CRR) befasst sich aus interdisziplinärer Sicht mit
Fragen der Verantwortung in der gegenwärtigen Gesellschaft. Aktuelle Themen wie die Zukunft
der Marktwirtschaft, das Verhältnis von Moral und Ökonomie, die Auswirkungen des Klima-
wandels und der Wandel liberaler Gesellschaften werden mit Blick auf notwendige Verantwor-
tungsressourcen untersucht.
Die Verantwortung der Konsumenten
Der Klimawandel mit seinen riskanten Auswirkungen auf die Umwelt, sozial prekäre Verhältnisse
in Herstellungsländern und sich verselbstständigende Finanzmärkte haben zu einer Situation
geführt, in der marktwirtschaftliches Handeln zunehmend moralisch hinterfragt wird. Immer
stärker wird ein Umdenken von ökonomischen Kalkülen hin zu einem sozial verantwortlichen
Wirtschaftsprozess gefordert. Vor diesem Hintergrund spielt die Frage nach der Verantwortung der
Konsumenten eine immer wichtigere Rolle. Das Prinzip der Verantwortung steht in den wirt-
schaftsethischen Debatten der letzten Jahre im Vordergrund, weil es nicht nur darum geht, an das
moralische Gewissen von Marktakteuren zu appellieren, sondern auch das Bewusstsein für komp-
lexe ökonomische Handlungszusammenhänge zu erzeugen. Verantwortung bedeutet nicht nur, die
Ursachen von Fehlentwicklungen zu erkennen. Es bedeutet auch, dass Akteure die Verantwortung
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für Konsequenzen ihres Handelns übernehmen und sich aktiv um die Beseitigung von Missständen
kümmern. Angesichts der globalen Verflechtungen wirtschaftlicher Prozesse sind deshalb nicht nur
Unternehmen und Politik, sondern auch die Verbraucher stärker aufgefordert, sich mit ihren
Verantwortungsaufgaben auseinanderzusetzen.
Nicht zuletzt das Wachstum al-
ternativer Märkte zeigt, dass hier in
den letzten Jahren einiges passiert
ist. So hat der Absatz fair gehandel-
ter Produkte in 2009 trotz der Wirt-
schaftskrise um 21 Prozent zuge-
nommen (Tagesspiegel 14.9. 2011).
Quelle: www.transfair.org
Der Zuwachs von Bio-Waren, deren
Marktanteil bei etwa 3,5 Prozent liegt,
stagnierte zwar in 2009 (BÖLW 2010).
Dafür hat sich das Volumen ethischer
Fonds und Geldanlagen zwischen 2003
und 2008 von 4 auf über 30 Milliarden
Euro fast verachtfacht (FAZ 21.8.2008)
Quelle:http://www.oekolandbau.de
Das Marktpotential der so genannten
„LOHAS“, womit die Konsumenten-
gruppe
gemeint
ist,
die
einen
„Lifestyle of Health and Sustaina-
bility“ verfolgen, wird in Deutschland
inzwischen auf fast 200 Milliarden
Euro geschätzt. (Schulz 2008)
Quelle: Nachhaltiges Investment (Socially Responsible Investment, SRI), www.imug.de
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Was aber ist genau damit gemeint, wenn von der Verantwortung der Konsumenten die Rede
ist?Legt man das eingangs genannte Verständnis von Verantwortung zugrunde, bedeutet dies, dass
die Verbraucher ein Bewusstsein für die gesellschaftliche Relevanz ihrer Konsumhandlungen
entwickeln und sich mit deren externen Wirkungen auseinandersetzen.
Der verantwortliche Konsument hat, anders gesagt, nicht nur seine eigene Bedürfnisbefriedigung
oder sein persönliches Gewissen im Auge, sondern berücksichtigt darüber hinaus die
Konsequenzen für das gesellschaftliche Gemeinwohl durch sozial und ökologisch verträgliche
Konsumpraktiken, die dem Prinzip der Nachhaltigkeit folgen.
Nachhaltiger Konsum
Das Thema nachhaltiger und sozialverantwortlicher Konsum steht schon seit längerem im Zentrum
politischer und zivilgesellschaftlicher Aktivitäten. Wichtige Anstöße hierzu gaben 1992 die UN-
Konferenz von Rio des Janeiro mit der Agenda 21, der Roundtable von Oslo 1994 über
„Sustainable Consumption“ und der Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung in Johannesburg
2002.
Gegenwärtig wird das Thema auf nationaler und internationaler Ebene vor allem von drei
Prozessen vorangetrieben: dem Marrakesch-Prozess der Vereinten Nationen, dem Aktionsplan zu
nachhaltigem Konsumieren und Produzieren der EU und dem Dialogprozess Konsum in
Deutschland. Während es bei dem Marrakesch-Prozess vor allem darum geht, die Produktions-
und Konsumgewohnheiten in den verschiedenen Erdregionen zu analysieren und durch UN-„Task
Forces“ voran zu bringen, verfolgt die EU mit ihrem Aktionsplan das Ziel, mit Hilfe von marktba-
sierten Instrumenten wie Steuern, Öko-Labels oder Verbraucherinformation die Bürger zum nach-
haltigen Konsum zu motivieren. In Deutschland soll der vom Bundesministerium für Umwelt
(BMU) und dem Umweltbundesamt (UBA) getragene Dialogprozess dafür sorgen, dass die
Öffentlichkeit durch Konferenzen, Fachdialoge und Initiativen besser über die Nachhaltigkeit von
Produkten und Dienstleistungen aufgeklärt wird.
Trotz dieser Entwicklungen stellt sich die Frage, ob die Übernahme moralischer und ökologischer
Verantwortung tatsächlich der treibende Faktor für die neuen Formen nachhaltigen Konsums ist.
Handelt es sich wirklich um eine Änderung moralischer Einstellungen, oder dient der meist teurere
nachhaltige Konsumstil in gut situierten Kreisen wie denen der LOHAS nicht eher als soziales
Distinktionsmerkmal, so wie der Soziologe Thorstein Veblen schon Ende des 19. Jahrhunderts
vom „demonstrativen Konsum“ sprach?
Ist der moralische Konsum womöglich nur ein Modetrend, der selbst keine nachhaltige Wirkung
besitzt? Sind die Verbraucher tatsächlich so verantwortungsbewusst, wie die genannten Marktver-
änderungen es nahelegen?
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Kluft zwischen Wissen und Handeln
Versteht man unter verantwortlichem Konsum nicht nur, dass man sich zu einem nachhaltigen
Lebensstil bekennt, sondern diesen Lebensstil auch konsequent umsetzt, sieht die Diagnose von
der „Moralisierung der Märkte“ (Nico Stehr), wie sie seit einiger Zeit in der Soziologie und den
Wirtschaftswissenschaften diskutiert wird, etwas anders aus. So setzen nach einer Studie des
Umweltbundesamtes von 2009 lediglich 10% der Konsumenten ihre ökologische Einstellung auch
konsequent in die Praxis um. Zwar geben über 40 Prozent der Konsumenten beispielsweise an,
umweltverträgliche Waschmittel und Haushaltsreiniger zu kaufen, der Marktanteil dieser Produkte
liegt aber nur bei etwa 5 Prozent; bei Bioprodukten liegt das Verhältnis bei etwa 20 zu 3 Prozent
(FAZ 10.10.2009).
Besonders interessant ist hierbei die Kluft zwischen der Selbsteinschätzung und dem realen
Konsumverhalten. So sind nach dem jüngsten Eurobarometer von 2010 über 40 Prozent der
Deutschen der Ansicht, besonders viel für den Klimaschutz zu tun und gehören damit zur
europäischen Spitzengruppe. Beim konkreten Handeln zählen die Deutschen aber nur zum
Mittelfeld. 41 Prozent sind der Ansicht, der Bürger tue schon genug gegen den Klimawandel. Auch
beim letzten globalen Öko-Ranking der Zeitschrift National Geographic (2010) sind die Deutschen
weit hinter Indien, Brasilien und China nur auf dem zwölften von siebzehn Plätzen gelandet, da sie
im Alltagskonsum (z.B. durch den Verbrauch auswärtigen Mineralwassers) an alten Gewohnheiten
festhalten und trotz gegenteiliger Bekundungen nur eine geringe ökologische Lernwilligkeit
zeigen.
Greendex 2010
Der Greendex 2010 zeigt die Ergebnisse einer weltweit vergleichenden Studie zur Nachhaltigkeit
von Konsummustern. Je höher der Wert auf der Skala zwischen 1 und 100, desto
umweltverträglicher ist im Durchschnitt das Konsumverhalten eines Bürgers.
Quelle: Greendex 2010 (National Geographic und GlobeScan),
http://images.nationalgeographic.com/wpf/media-live/file/GS_NGS_Full_Report_June10-
cb1275498709.pdf.
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Die Situation ist also alles andere als eindeutig. Dem Trend zum Konsum von nachhaltigen
Produkten und der Berücksichtigung sozialer Standards steht eine zwar kontinuierlich, aber nur
langsam wachsende Bereitschaft der Verbraucher gegenüber, ihren Lebensstil tatsächlich an
Kriterien der Nachhaltigkeit und Fairness auszurichten. Obwohl die meisten Verbraucher grund-
sätzlich wissen, dass ihr Konsumverhalten Auswirkungen auf Umwelt, Ressourcennutzung und so-
ziale Herstellungsbedingungen hat, klafft in der Alltagspraxis weiterhin eine Lücke zwischen Wis-
sen und Handeln.
Grenzen verantwortlichen Konsums. Worin bestehen die Hinderungsgründe?
Worin liegen die Gründe für dieses widersprüchliche Verhalten der Konsumenten? Neben den
bekannten Ursachen, dass es beim Einkaufen häufig an Zeit fehlt oder Verbraucher sich aus
schlichter Bequemlichkeit und Gewohnheit für das nächstbeste Angebot entscheiden, sind es vor
allem sechs Faktoren, die in diesem Zusammenhang eine zentrale Rolle spielen: unklare Informa-
tionen, kontraproduktive Verhaltenseffekte, hohe Preise, mangelnde Transparenz, Wachstums-
orientierung und fehlende Handlungsalternativen.
Unklare Informationen
Viele Verbraucher fühlen sich durch die Flut an Kennzeichnungen und Labels für nachhaltige
Produkte überlastet und finden sich im Dschungel von gegenwärtig über zwanzig Siegeln für
umweltfreundliche und biologische Waren nicht zurecht: Je größer die Auswahl an bestimmten
Konsumangeboten ist, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass am Ende keine oder eine rein
willkürliche Entscheidung getroffen wird. Zu viele und zu unklare Informationen verwirren den
Verbraucher, anstatt ihm hilfreiche Kaufkriterien an die Hand zu geben.
Auch Unklarheiten, die paradoxerweise aus der wachsenden Informiertheit der Verbraucher
resultieren, bilden wesentliche Hinderungsgründe. So herrschen gerade unter kritischen
Konsumenten große Unsicherheiten, welcher Anteil an Erlösen aus Fairtrade-Produkten tatsächlich
den Erzeugern zukommt, ob es etwa besser ist, über den Winter eingelagerte Äpfel aus dem ei-
genen Umland oder frische Äpfel aus entfernten Regionen zu kaufen, und welche wirtschaftlichen
Folgen es für Entwicklungsländer hat, wenn die Touristen aus Umweltgründen zu Hause bleiben.
Diese „Trade-Offs“ sorgen für eine Zurückhaltung bei Kaufentscheidungen, die mit der Einsicht in
die globalen Verkettungen von Herstellung, Verteilung und Verkauf nachhaltiger Güter zunimmt.
Kontraproduktive Verhaltenseffekte
Darüber hinaus lässt sich im Alltagskonsum immer wieder das Phänomen beobachten, dass nach-
haltige Konsumentscheidungen durch gegenläufige Folgehandlungen konterkariert werden. Es gibt
in der Praxis zahlreiche Beispiele für diese so genannten „Rebound-Effekte“: Der ökobewusste
Käufer legt sich einen verbrauchsarmen Kleinwagen zu, um dann weitaus häufiger als früher mit
ihm zu fahren. Beim Fliegen sorgen CO
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-Abgaben für ein gutes Gewissen – mit dem Resultat,
dass die Passagiere beim nächsten Mal umso unbeschwerter in ihr Flugzeug steigen. Untersuchun-
gen haben gezeigt, dass nach dem Austausch von Nachtspeicherheizungen der Energieverbrauch
sehr häufig ansteigt, da die Bewohner im Vertrauen auf die sparsamere Technik umso mehr heizen.
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Hohe Preise
Nachhaltige Güter sind immer noch überdurchschnittlich teuer. Für zahlreiche Verbraucher
bedeuten die relativ hohen Preise ökologischer und fair hergestellter Produkte eine Belastung, da
sie notgedrungen auf andere Waren und Güter verzichten müssen. Die Ursache dafür, dass
nachhaltige Produkte teurer als konventionelle sind, liegt vor allem darin, dass sich ökologische
und soziale Kosten konventioneller Produkte nicht im Preis niederschlagen, also externalisiert
werden. Billigflieger sind unter anderem deshalb so günstig, weil die Emissionen von
klimaschädlichen Treibhausgasen nicht eingerechnet werden und Kerosin einem günstigen
Steuersatz unterliegt. Auch Fleisch aus Massentierhaltung wird zu niedrigen Preisen gehandelt,
weil die externen Kosten nicht artgerechter Tierhaltung, gesundheitliche Risiken und Umweltbe-
lastungen nicht berücksichtigt werden. Besonders im landwirtschaftlichen Bereich werden die
Preise zusätzlich durch die Subventionierung industrieller Methoden verzerrt. Dadurch erscheinen
nachhaltige Produkte für den Verbraucher als unverhältnismäßig teuer.
Mangelnde Transparenz
Ein weiterer Hinderungsgrund liegt in dem Fehlen von Transparenz und Vertrauen zwischen
Produzenten und Konsumenten. Marketing und Werbung von Unternehmen sind häufig durch eine
Irreführung der Konsumenten gekennzeichnet. Die Beispiele reichen von praxisfernen Verbrauchs-
angaben bei Autos bis hin zu Naturkosmetik, deren einziger natürlicher Bestandteil eine Duftnote
ist. Solche und ähnliche Vorgänge, die in der Regel erst durch die Untersuchungen von Experten
oder Nichtregierungsorganisationen bekannt werden, zeigen, dass die nachhaltige Qualität von
Produkten eine Vertrauenseigenschaft ist, die vom Käufer selber selten überprüft werden kann. Bei
Verbrauchern hat sich durch Skandale und Irreführungen eine erhebliche Skepsis gegenüber den
Aussagen von Unternehmen entwickelt.
Wachstumsorientierung
Ein weiterer wichtiger Verhinderungsfaktor resultiert aus dem Umstand, dass verantwortlicher
Konsum bislang vorrangig mit negativen Attributen behaftet ist. In einer Kultur, die auf dem
Wachstumsprinzip beruht, bedeutet die Einschränkung der gewohnten Konsumweisen den Verzicht
auf das gewohnte Streben nach „mehr“: ein größeres Haus, Kirschen essen im Winter und Ski fah-
ren im Sommer. Nach wie vor gilt v.a. das Vorhandensein von (möglichst vielen) Konsumoptionen
als Anzeige für Wohlstand und Fortschritt. Verbraucher sind in dieser Kultur nur begrenzt in der
Lage, ihre Konsumansprüche zurückzuschrauben. Die Abkehr vom erreichten Anspruchsniveau –
etwa durch weniger Luxusgüter, Urlaub im eigenen Land oder ein leistungsschwächeres Auto –
wird als Einbuße an Lebensqualität wahrgenommen. So lange die Erfahrung des Verzichts im
Vordergrund steht, wird sich eine nachhaltige Veränderung des Konsumentenverhaltens nur
zögerlich durchsetzen.
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Fehlende Handlungsalternativen
Schließlich kommt der verantwortliche Konsum aber auch darum nicht zustande, weil zu wenig
(nachhaltigen) Handlungsalternativen existieren. Exemplarisch hierfür ist der Bereich der Mobili-
tät, bei dem erhebliche Defizite im Nahverkehr bestehen. So entsprechen Liniennetze und Fahr-
pläne nicht den Mobilitätsbedürfnissen vieler Verkehrsteilnehmer, einige ländliche Gebiete sind
erst gar nicht an das Verkehrsnetz angebunden. Zahlreiche Menschen sind weiterhin auf das Auto
angewiesen und können nur ausweichen, wenn sie bereit sind, erheblich verlängerte Fahrzeiten auf
sich zu nehmen. Noch schwieriger gestaltet sich die Wahl emissionsarmer Fahrzeuge. Die Technik
und Nutzung von Elektroautos ist längst noch nicht so weit ausgereift, dass sie eine echte
Alternative bieten, zudem ist die Umweltbilanz nicht unbedingt besser als bei konventionellen
Fahrzeugen, solange der eingespeiste Strom aus herkömmlichen Kraftwerken stammt.
Zentrale Hinderungsgründe für verantwortliches Konsumentenverhalten:
• Unklare Informationen über Qualität und Eigenschaften von Produkten.
• Kontraproduktive Verhaltenseffekte bei der Nutzung nachhaltiger Produkte.
• Ein Preissystem, das die „wahren“ Kosten von Produkten nicht widerspiegelt.
• Mangelnde Transparenz hinsichtlich der Herstellungsbedingungen von Produkten.
• Wachstumsorientierung und steigendes Anspruchsniveau hinsichtlich des materiellen
Lebensstandards.
• Fehlende Handlungsalternativen für nachhaltige Konsumpraktiken.
Wie lassen sich Hürden im Alltagskonsum überwinden? Das Beispiel des Wechselverhaltens
am regenerativen Strommarkt
Am Beispiel des regenerativen Strommarkts lässt sich deutlich machen, worin die Hürden für die
Änderung von Konsumgewohnheiten liegen und worin Ansatzpunkte für eine Stärkung der
Rahmenbedingungen für mehr Konsumentenverantwortung liegen.
Seitdem die Verbraucher 1998 mit der Liberalisierung des Strommarktes in die Lage versetzt
wurden, den Stromanbieter zu wechseln, haben etwa 20 Prozent der Verbraucher von dieser Mög-
lichkeit Gebrauch gemacht. Der Marktanteil der Ökostromanbieter lag laut einer Untersuchung
von TNS Infratest Mitte 2009 bei ca. 4 Prozent. Insgesamt ist der Anteil der Wechsler zu Öko-
stromprodukten an den Gesamt-Wechslern zwischen 2007 und 2009 von 2 auf 13 Prozent
gestiegen, damit ist Ökostrom trotz geringen Marktanteils relativ gesehen das Stromsegment mit
den höchsten Zuwachsraten, bleibt aber bislang ein Nischenprodukt.
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Bei der Befragung von TNS Infratest gaben 63 Prozent der Verbraucher an, aus finanziellen
Motiven gewechselt zu haben; bei 13 Prozent der Befragten war das Motiv der Wunsch, Ökostrom
zu beziehen; 11 Prozent gaben an, aufgrund eines Umzuges gewechselt zu haben. Bei der Befra-
gung gab ein Großteil der Befragten (92 Prozent) an, grundsätzlich Strom beziehen zu wollen, der
die Umwelt schont. Es zeigt sich also auch hier ein Widerspruch zwischen grundsätzlichen
Umwelteinstellungen und konkretem Konsumentenverhalten. Preise scheinen zudem wirk-
mächtiger als Umwelteinstellungen zu sein.
Wenn Verbraucher zu Ökostrom wechseln möchten, können sie aus über 900 Produkten auswählen
und stehen damit vor der Qual der Wahl. Dabei sehen sie sich auch mit der Tatsache konfrontiert,
dass es keine klaren Kriterien dafür gibt, was echten Ökostrom ausmacht, und kein einheitliches
Siegel existiert, welches echten Ökostrom kennzeichnet. Dies erleichtert die Verbrauchertäuschung
seitens der Anbieter, was ein wichtiges Hemmnis für eine stärkere Wechselbereitschaft darstellt.
Denn Verbraucher können nicht ausschließen, im Falle eines Wechsels mehr Geld für ein Strom-
produkt mit fragwürdigem Umweltnutzen zu zahlen. Echter Ökostrom zeichnet sich insbesondere
dadurch aus, dass der Anbieter kontinuierlich in den Ausbau erneuerbarer Stromerzeugungs-
kapazitäten investiert und keinen Strom aus schon länger bestehenden Anlagen vermarktet. Erst
durch Investitionen in neue Anlagen ergeben sich langfristige Umwelteffekte, die Ökostrom zu
einem positiven Kollektivgut machen.
Strom besitzt einige besondere Eigenschaften. Zunächst ist er nur begrenzt sinnlich wahrnehmbar:
man kann ihn weder sehen noch fühlen, was zu seiner Abstraktheit beiträgt. Durch die physika-
lischen Eigenheiten des Stromes lässt sich ein Endverbraucher zudem nicht einem bestimmten
Stromerzeuger zuordnen, was auch als Nicht-Identität bezeichnet wird. Der Kunde kann nicht
direkt erkennen, ob der Stromanbieter tatsächlich echten Ökostrom ins Netz eingespeist hat – er
muss es dem Anbieter glauben. Aus diesem Grund handelt es sich bei Ökostrom um ein typisches
Vertrauensgut. Dies bedeutet, dass der Verbraucher auf glaubwürdige Angaben des Anbieters und
Produkttransparenz angewiesen ist.
Zudem bringt Ökostrom keinen zusätzlichen Qualitätsunterschied wie etwa geringere Schadstoff-
belastung bei Biolebensmitteln im Vergleich zu konventionellen Erzeugnissen mit sich. Er-
schwerend kommt hinzu, dass Strom zwar allgegenwärtig ist, wir uns dessen im Alltag aber nicht
bewusst sind. Der Fernseher wird eingeschaltet, egal, welche Stromkosten er verursacht. Zwischen
Nutzung und Bezahlung liegt in der Regel eine große Zeitspanne, was den Stromkonsum zu einem
Gewohnheitskauf macht.
Diese Gründe tragen dazu bei, dass Strom kaum distinktionsfähig ist und auch als Low
Involvement-Produkt bezeichnet wird. In der Umfrage von TNS Infratest äußerte fast die Hälfte
der Befragten, ihr sei es egal, bei welchem Stromanbieter sie Kunde sei. Gleichzeitig empfinden
viele Verbraucher eine Abhängigkeit vom Strom, woraus das Bedürfnis nach Versorgungs-
sicherheit resultiert und der Wechsel zu einem anderen Anbieter als potentielles Risiko wahrge-
nommen wird.
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Überwindung von Hürden
Wie lassen sich solche Hürden im Alltagskonsum abbauen? Zunächst lässt sich relativ einfach eine
Verbesserung der individuellen Aufmerksamkeit für den Stromverbrauch durch häufigere Ver-
brauchsrückmeldungen erreichen. Ein Mittel hierfür ist die Umstellung auf eine monatliche Ab-
rechnung des Stromverbrauchs, wie man es von der Telefonrechnung kennt, statt der bisherigen
Praxis, bei der nur einmal im Jahr abgerechnet wird und dann Pauschalen festgelegt werden. Die
Stromrechnung ist bei vielen Menschen der einzige Moment bewusster Auseinandersetzung mit
dem eigenen Verbrauch. Häufigere Abrechnungen bedeuten ein häufigeres Feedback und sorgen
damit für eine potenziell höhere Bereitschaft, sich mit dem Wechsel zu einem Ökostrom-Anbieter
zu befassen. Zudem bieten technische Innovationen wie intelligente Stromzähler – die sogenann-
ten Smart Meter – oder internetbasierte Anwendungen die Möglichkeit, mehr Rückmeldungen be-
züglich des Stromverbrauchs zu geben. Außerdem haben Konsumenten schon heute die Mög-
lichkeit, sich mit Internetanwendungen wie dem Energiesparkonto einen genauen Überblick über
ihr Energienutzungsverhalten zu verschaffen.
Umfragen haben gezeigt, dass Ökostromkunden ein höheres Involvement aufweisen – sich also
stärker mit dem Stromprodukt identifizieren und sich bewusster mit dem eigenen Energie-
verbrauch auseinandersetzen. Der persönliche Beitrag des Ökostromkunden zum Klimaschutz und
zum Ausbau der erneuerbaren Energien kann vor diesem Hintergrund durch zielgruppen-
orientiertes Marketing kommuniziert und unterstützt werden. Zudem können Stromkunden selber
zu Stromproduzenten werden, indem sie z.B. eine Photovoltaikanlage installieren. Durch die akti-
ve Teilhabe an der Energieerzeugung wird der Glaube an die eigene Selbstwirksamkeit bei den
Konsumenten gestärkt.
Darüber hinaus sind insbesondere Maßnahmen hilfreich, die eine transparentere Produktgestaltung
fördern. Hierzu zählen vergleichbare Serviceinformationen und einfache, aber aussagekräftige
Kennzeichnungen, die es den Verbrauchern erleichtern, Qualitätsdifferenzen zwischen Anbietern
auszumachen und seriöse Angebote von Greenwashing-Produkten zu unterscheiden
Greenwashing
Das Oxford Dictionary definiert Greenwashing als „Desinformation, verbreitet von einer
Organisation um ein Image ökologischer Verantwortung zu erzeugen“. Greenwashing kann der
Verschleierung einer umstrittenen Geschäftspraktik bzw. der Schaffung von Akzeptanz für diese
dienen. Dasd Ziel kann auch darin bestehen, eigenverantwortliches Handeln des Unternehmens zu
suggerieren um Politik von gesetzlicher Regulierung abzuhalten. Bezogen auf den Endverbraucher
dient Greenwashing insbesondere dem Ziel, den wachsenden Zweifeln von Verbrauchern entgegen
zu treten und den Eindruck verantwortlichen Unternehmenshandlens zu vermitteln. In nicht (nur)
auf ökologische Auswirkungen des Handelns einer Organisation bezogenen Kontexten wird auch
von Bluewashing oder Schönfärberei gesprochen. So z.B. wenn versucht wird, menschenunwürdi-
ge Bedingungen in der Textilproduktion in Billiglohnländern zu verschleiern.
Hier könnte z.B. ein Ökostromlabel des Blauen Engel hilfreich sein, wie es zurzeit im Gespräch
ist. Wichtig ist in diesem Zusammenhang eine detaillierte Bilanz des Versorgers über die Umwelt-
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qualität der Stromerzeugung und den ökologischen Fördereffekt des Produktes. Letztlich stellt die
Nichteinpreisung externer Kosten der konventionellen Stromproduktion - wie Klimaschäden bei
der Kohleverstromung und Atommüllentsorgung bei der Atomkraftnutzung - eine indirekte
Subventionierung nicht-nachhaltiger Energieerzeugung dar. Wird dieses Problem vom Gesetzgeber
angegangen, wird die Konkurrenzfähigkeit von Ökostrom deutlich gestärkt. Schon heute existieren
aber viele Ökostrom-Angebote am Markt, die günstiger sind als die Angebote der konventionellen
Anbieter.
Unterstützung der Konsumentenverantwortung am Strommarkt:
- Förderung der bewussten Auseinandersetzung mit dem individuellen Stromverbrauch
- Häufigere Rückmeldungen durch Energieverbrauchskontrollen als Anreiz zur Senkung des
Stromverbrauches und zum Wechsel des Anbieters
- Stärkung der Identifikation mit dem Stromprodukt durch zielgruppenorientiertes Marketing
- Bewusstsein der Selbstwirksamkeit durch Teilhabe an der Energieerzeugung
- Verbesserung der Transparenz und Vergleichbarkeit von Stromprodukten
Wie Konsumenten mehr Verantwortung für ihren Alltagskonsum übernehmen können
Der vorangegangene Abschnitt hat deutlich gemacht, dass Stromkunden vor allem dann eine
höhere Wechselbereitschaft zu einem Anbieter von Ökostrom entwickeln, wenn sie mit den
Konsequenzen ihres Stromverbrauchs konfrontiert werden und aktiv auf ihre Energieversorgung
Einfluss nehmen können. Um die Verantwortung für den Alltagskonsum zu fördern, kommt es da-
rauf an, das Bewusstsein der Verbraucher für ihre Handlungswirksamkeit zu stärken und ihre vor-
handene Bereitschaft zu nachhaltigen Verhaltensänderungen zu unterstützen. Dies kann insbeson-
dere auf vier Wegen geschehen: Durch die Nutzung vorhandener Potentiale beim Alltagskonsum,
durch Strategien der rationalen Selbstbindung, durch die organisierte Einflussnahme auf politische
Rahmenregeln und durch die aktive Mitgestaltung der Angebotsstruktur.
Nutzung vorhandener Potentiale beim Alltagskonsum
In einer kürzlich erschienenen Studie wurde nachgewiesen, dass im Bereich des Klimaschutzes
durch das Ausschöpfen bestehender Verhaltenspotentiale ca. acht Prozent der gesamtdeutschen
Treibhausgasemissionen bis 2020 eingespart werden können (Meyer 2010). Angesichts des deut-
schen Reduktionszieles von 40 Prozent bis 2020 (gegenüber 1990) ist das bereits ein erheblicher
Beitrag.
Bereits vorhandene Handlungspotentiale sollten gerade dort besser genutzt werden, wo bisher
nachhaltige Alternativen nicht ausreichend vorhanden sind. So ist es zwar richtig, dass
Elektromotoren die herkömmlichen Verbrennungsmotoren noch nicht ersetzen können und dass
die Malediven sich nur mit dem Flieger erreichen lassen. Auch Bio-Produkte werden nicht in je-
dem Supermarkt angeboten. Es bestehen jedoch etliche weitere Möglichkeiten, seine Konsumge-
wohnheiten umzustellen, ohne dass darunter die Lebensqualität leiden muss: Kürzere Fahrten
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lassen sich gerade in Ballungsräumen besser mit dem Fahrrad oder zu Fuß zurücklegen als mit
dem Auto. Es ist nicht notwendig, nach Paris zu fliegen, da diese Strecke bequem mit dem Zug
bewältigt werden kann. Der Kauf von regionalem oder saisonalem Gemüse und Obst ist unab-
hängig vom jeweiligen Bio-Angebot des Supermarktes möglich. Das Argument, nicht zu handeln,
da Handlungsalternativen fehlen, steht hier im krassen Kontrast zu der Fülle nicht genutzter, aber
vorhandener Optionen.
Strategien der rationalen Selbstbindung
In ihrem 2007 erschienenen Buch „Nudge“ stellen Richard H. Thaler und Cass R. Sunstein
Möglichkeiten der rationalen Selbstbindung vor, durch die Menschen aus eigener Initiative
Strukturen schaffen, die für die Verfolgung ihrer langfristigen Ziele förderlich sind. Bankkunden
legen zum Beispiel vertraglich geregelte Bausparkonten an, um nicht der Versuchung zu erliegen,
das Geld direkt auszugeben. Ähnliches wäre auch im Bereich des Konsums denkbar. Zeit-
schaltuhren an Elektrogeräten können etwa helfen, das Ausschalten des Stand-by-Modus nicht zu
vergessen. Hierzu gehört auch die im vorigen Kapitel vorgeschlagene monatliche Stromab-
rechnung. Sie kann aktiv eingefordert werden, um den eigenen Stromverbrauch im Auge zu haben
und so Feedback-Schleifen zu erzeugen, die zu Verhaltensänderungen führen. Der Grundgedanke
dieser Vorschläge ist es, die Wahrscheinlichkeit von Fehlern und Schwächen in spezifischen Ent-
scheidungssituationen bewusst einzuplanen und sich durch selbst erzeugte Signale und Anreize zu
erwünschten Handlungskorrekturen zu motivieren. Da Menschen nicht fehlerfrei sind und nicht
immer rational handeln, bieten sich langfristig Vorteile, wenn Ziele durch selbstbindende
Strategien verfolgt werden.
Organisierte Einflussnahme auf politische Rahmenregelungen
Erwünschte Handlungsziele lassen sich nicht nur durch die Änderung alltäglicher Konsum-
praktiken erreichen, sondern auch durch die aktive Einflussnahme auf politische Rahmenregeln
und die Partizipation an öffentlichen Entscheidungsprozessen. So können Konsumenten über die
Teilnahme an Wahlen ihre politischen Präferenzen zum Ausdruck bringen und über ihre Kaufkraft
die Geschäftsstrategie von Unternehmen beeinflussen. Der nachhaltige Umbau der Industriege-
sellschaft macht es erforderlich, dass Verbraucher sich besser organisieren - eine Praxis, die in
Deutschland anders als in Ländern wie den USA bisher nur in Ansätzen verfolgt wird. Der Bürger-
protest gegen das Verkehrsprojekt „Stuttgart 21“ hat gezeigt, dass sich quer durch die sozialen
Schichten öffentliche Willensbekundungen mobilisieren lassen. Durch bürgergesellschaftliche
Formen der Selbstorganisation können Hinweise auf mangelnde Handlungsalternativen öffentlich
wirksam vorgebracht und Lösungen besser durchgesetzt werden, die den eigenen Vorstellungen
entsprechen oder Strategien der rationalen Selbstbindung unterstützen. So könnten Verbraucher-
gruppen sich etwa politisch dafür einsetzen, ein individuelles, jährliches CO
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-Limit festzulegen
und das Budget wie bei Emissionszertifikaten öffentlich zu handeln. Der Grundgedanke ist hierbei,
dass diejenigen, die weniger Emissionen verursachen, ihren Überschuss an diejenigen verkaufen
können, deren Lebensstil emissionsintensiver ist. Durch einen Zuwachs an politischer Partizipation
und marktlicher Teilhabe lassen sich das Bewusstsein der Selbstwirksamkeit und damit die
Bereitschaft zur Übernahme von mehr Eigenverantwortung für den Alltagskonsum stärken.
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Aktive Mitgestaltung der Angebotsstruktur
Und nicht zuletzt können sich Konsumenten auch direkt an der Schaffung neuer Markt- und An-
gebotsstrukturen beteiligen. Ein erfolgreiches Beispiel hierfür sind die Schönauer Stromrebellen,
die in Folge der Tschernobyl-Katastrophe keinen Atomstrom mehr beziehen wollten. Da sich der
lokale Stromversorger nicht bereit zeigte, auf regenerative Stromquellen umzusteigen, kauften die
Bürger 1997 das Stromnetz der Stadt auf und gründeten die Elektrizitätswerke Schönau (EWS).
Die Schönauer Bürger haben damit aus eigener Motivation heraus ihre Konsumentenrolle in den
Bereich der Produktion – als sogenannte „Prosumenten“ – ausgedehnt und ein außerordentlich er-
folgreiches Geschäftsmodell geschaffen: Die EWS sind mittlerweile einer der führenden
Ökostrom-Anbieter in Deutschland. Dieser Fall steht exemplarisch dafür, dass die Rolle von Kon-
sumenten nicht auf die passive Abnahme eines bestehenden Produkts festgeschrieben sein muss,
sondern dass es für die Verbraucher zahlreiche Möglichkeiten gibt, Marktangebote aktiv zu beein-
flussen.
Schluss
Die vorangegangenen Beispiele sollten deutlich machen, dass ungeachtet bestehender Hürden die
Konsumenten sehr wohl in der Lage sind, ihre Verbrauchsgewohnheiten zu ändern und mehr
Eigenverantwortung für ihren Alltagskonsum zu übernehmen. Dazu sind vor allem Maßnahmen
erforderlich, die bestehende Handlungspotentiale verstärken und Verhaltensänderungen er-
leichtern. Durch intelligente Anreize und Mechanismen der Selbstbindung können sich Konsu-
menten selbst in die Lage versetzen, umwelt- und sozialverträgliche Konsumpraktiken zu reali-
sieren. Darüber hinaus bilden politische Partizipation und die aktive Mitgestaltung von Markt-
prozessen wichtige Wege, um das Bewusstsein der Selbstwirksamkeit zu stärken und damit die Be-
reitschaft zum nachhaltigen Konsum zu erhöhen.
Fazit
Verbraucher können mehr Verantwortung übernehmen, indem sie....
-
vorhandene Nachhaltigkeitspotentiale besser nutzen
-
Strategien der Selbstbindung entwickeln, mit denen nachhaltige Konsumpraktiken
erleichtert werden
-
ihre Interessen öffentlich vertreten und politischen Einfluss nehmen
-
nachhaltige Marktangebote mitgestalten.
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Literatur
Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft e.V. (BÖLW) (2010), Zahlen, Daten, Falten: Die Bio-
Branche 2010, Berlin.
Umweltbundesamt (2009), Umweltbewusstsein und Umweltverhalten der sozialen Milieus in
Deutschland,
http://www.umweltdaten.de/publikationen/fpdf-l/3871.pdf
(abgerufen
am
12.08.2010).
Stehr, Nico (2007), Die Moralisierung der Märkte. Eine Gesellschaftstheorie, Frankfurt am Main.
Veblen, Thorstein (1971 [1899]), Theorie der feinen Leute. Eine ökonomische Untersuchung der
Institutionen, München.
Meyer, Bernd/Meyer, Mark/Meyer zu Holte, Ines (2010), Die ökologischen Wirkungen eines
nachhaltigeren Konsums in Deutschland, Osnabrück.
Thaler, Richard H./Sunstein, Cass R. (2009), Nudge. Improving Decisions About Health, Wealth,
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Friedemann, Anne/Döring, Nicola/Westermann, Dirk (2009), Passives Verbraucherverhalten auf
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BÖLW 2010.
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IMPRESSUM
Erscheinungsort:
Essen
Herausgeber:
Prof. Dr. Ludger Heidbrink
Prof. Dr. Dr. Peter F. Seele
Postanschrift:
CRR (Center for Responsibility Research)
Kulturwissenschaftliches Institut, Essen
Goethestrasse 31
45128 Essen
Telefon: + 49 (0)201/72 04-216
Fax: + 49 (0)201/72 04-111
Homepage:
www.responsibility-research.de
ISSN:
2190-5398
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