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Kunst im Konflikt: Strategien zeitgenössischer Kunst
auch lokale Akteure, sind die Interessen und Nöte
der lokalen Bevölkerung, ihre Unterstützung oder
auch Vereinnahmung durch die eine oder andere
Partei nicht außer Acht zu lassen. In Form von Waf-
fenlieferungen,
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Stellvertreterkriegen, Söldner-
armeen, aber auch Hilfsersuchen und Allianzen
können die lokalen und globalen Akteure unter-
schiedliche Verbindungen eingehen.
Auf den ersten Blick erscheint Kunst auf diesem
Gebiet als ein denkbar ungeeignetes Mittel: Wo es
weder Armeen, noch groß angelegten Verhand-
lungsrunden gelingt, Frieden herzustellen, wie sol-
len da ausgerechnet künstlerische Aktivitäten Erfol-
ge erzielen, die schon in friedlichen Zeiten nur ein
vergleichsweise kleines Publikum erreichen? Wenn
es um Leib und Leben geht, ist Kunst da nicht eher
als ein entbehrliches Luxusgut zu betrachten? Kann
eine künstlerische Position überhaupt einen neutra-
len Standpunkt einnehmen oder droht sie nicht im-
mer von der einen oder anderen Seite vereinnahmt
zu werden? Der folgende Abschnitt soll zunächst im
historischen Überblick das wechselnde Verhältnis
von Kunst zu Krieg und Frieden beleuchten.
Die Rolle der Kunst in
kriegerischen
Auseinandersetzungen:
Historischer Rückblick
Der Pergamonfries, das Alexanderschlachtmosaik,
die römischen Triumphbögen, aber auch die zahlrei-
chen Schlachtengemälde der Neuzeit seit Paolo Uc-
cello und Piero della Francesca: Viele der bedeu-
tendsten Werke der Kunstgeschichte beschäf-
tigen sich mit den Themen Krieg und Gewalt, und
zwar ohne eine Spur von Kritik. Im Gegenteil: Sie
verherrlichen die kriegerischen Taten der Herrscher,
indem sie sie in aller Grausamkeit darstellen. Sie
dienten, um es in heutiger Sprache zu formulieren,
eher der Kriegspropaganda.
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Einer Untersuchung des
Stockholm Peace Research Institute (SIPRI)
zufolge ist Deutschland nach den USA
und Russland der
drittgrößte Waffenexporteur der Welt,
http://www.sipri.org/yearbook.
Es hat relativ lange gedauert, bis Künstler/-innen
begannen, eine andere Sicht auf das Thema zu ent-
wickeln. Und noch länger, bis sie damit ein nen-
nenswertes Publikum erreichten. Allgemein bekannt
sind heute Goyas „Desastres de la guerra‚. Doch die
erste Auflage wurde seinerzeit umgehend aus dem
Verkehr gezogen und fand erst Jahrzehnte später
weitere Verbreitung. Goyas Modell waren die
„Misères de la guerre‚ von Jacques Callot: winzige
Radierungen, in kleiner Auflage verbreitet. Der An-
lass für die Darstellung von Elend und Unheil ist
leicht in der zunehmenden Grausamkeit der neu-
zeitlichen Kriege zu erkennen, die auch zunehmend
die Zivilbevölkerung betrafen: sei es der Dreißigjäh-
rige Krieg im Falle Callots oder die napoleonischen
Kriege im Fall Goyas. Aber erst die Erfahrung der
Schützengräben des Ersten Weltkriegs äußerte sich
in einer größeren, auch zeitnah veröffentlichten
Produktion von Kunstwerken, die dem Krieg kri-
tisch gegenüberstanden. Hierfür stehen Namen wie
Otto Dix oder Käthe Kollwitz, aber auch Max Beck-
mann und viele weitere, heute eher unbekannte
Künstler/-innen.
Dix und Beckmann verarbeiten ihr eigenes Kriegser-
lebnis als Soldaten im Ersten Weltkrieg. Beckmann
hält bereits 1915, im Einsatz als Sanitäter das
Kriegsgeschehen in Zeichnungen und Radierungen
fest. Er erleidet einen Nervenzusammenbruch, wird
beurlaubt und versucht das Thema mit christlicher
Ikonografie zu beantworten, bevor er zu einer ganz
eigenen, verschlüsselten Bildsprache gelangt, in der
Krüppel und Kriegsversehrte eine wiederkehrende
Rolle spielen. Dix zeichnet das Geschehen in seiner
1924 erschienenen Radierfolge „Der Krieg‚ und dem
gleichnamigen Triptychon 1929-1932 in einer über-
deutlichen, apokalyptisch zugespitzten Genauigkeit.
Dagegen schildert Käthe Kollwitz in ihrem ersten
Holzschnittzyklus „Krieg‚ 1920-1922 in starkem
Schwarzweiß-Kontrast die Sicht der Frauen und
setzt sich mit dem bekannten Plakatmotiv „Nie wie-
der Krieg!‚ aktiv in der entstehenden Friedensbe-
wegung ein.