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großen Korkstopfen am Ballonhals führte, blubberte
es dann und verlockte immer wieder zu langem
Zuschauen und Zuhören, gelegentlich auch zum
Riechen an der Röhre.
Den ausgegorenen Wein zog Vater an einem Sonn-
tagvormittag auf Flaschen und verkorkte sie, dass es
nur so fluppte und quietschte. Ich sah und hörte
dabei gerne zu. Der aus hellem Buchenholz gedrech-
selte Flaschenkorker wirkte immer wie gerade
gekauft. So gut pflegte Vater ihn.
Wasser holten wir in verzinkten Eimern von einer
etwa 50 Meter entfernten Gemeinschaftspumpe. Die
Eimer hingen an Ketten von einer über der Schulter
liegenden selbst gemachten Trage und wurden in
der Küche neben dem Herd auf einer Bank abge-
stellt, deren runde Füße aus Ästen bestanden, die
aber mit dem Zieheisen auch an den Knorren geglät-
tet worden waren. Darüber baumelten an den Haken
eines graublau emaillierten Blechschildes immer die
Kellen, mit denen das Wasser geschöpft wurde und
aus denen wir auch Wasser tranken. Besser schmeck-
te das Wasser noch, wenn es direkt aus der Pumpe
in die Hände lief und in den Mund gesogen wurde.
Im Winter wurden unter der Wasserbank, auf der
das gleiche Wachstuch wie auf dem Tisch lag, Torf
und Holz zum Befeuern des Ofens gelagert. Das
Brennmaterial für den Herd lagerte in einer Holzkis-
te. Für den Kienspan zum Feuermachen in Herd und
Wasser
holen und
trinken
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Ofen sorgte Großvater immer so, als könne und
dürfe das kein anderer. Holz und Torf waren immer
für Jahre vorrätig und deshalb im Gebrauch auch
immer knochentrocken.
Unsere weiß emaillierte und blau geränderte
Waschschüssel stand im Flur auf einem aus Rundei-
sen geschmiedeten und schwarz lackierten Ständer.
In einem Ring unter der Waschschüssel steckte das
Schälchen für Seife, Handwaschbürste und den
hellgrauen Bimsstein in der Form eines stilisierten
kleinen Igels. Mit ihm konnten besonders hartnäckig
verschmutzte Schwielen an den Händen gereinigt
werden. Der größere Ring weiter unten im Ständer
diente nur der Standfestigkeit.
Wir wuschen uns – so ist es mir in Erinnerung –
mit Kernseife, während des Krieges mit rationierter
farbiger Schwimmseife oder mit selbst fabrizierter
Seife. Sie wurde aus Seifenstein und Knochen ge-
kocht. Es stank dann fürchterlich im und ums Haus.
Aber diese Seife war qualitativ besser als die blau,
gelb, grün und rosa gefärbte Schwimmseife. Hände
reinigten sich aber auch beim Kneten des Schweine-
futters von gekochten Kartoffeln, Wasser und Schrot.
Das Schmutzwasser wurde auf den unmittelbar an
den Hauseingang grenzenden Kartoffelacker oder an
den Zaun zum Gemüsegarten geschüttet.
Im Flur hingen rechts an der Tür zur Küche die
Handtücher, links war eine Holzleiste mit Kleiderha-
Kernseife,
Schwimm
seife und
Eigenbau
Wasch-
schüssel
und Seife
Hausflur
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ken angebracht. Solche Haken waren auch auf dem
Blatt der Tür befestigt, die vom Flur ins Zimmer der
Eltern führte. Von der Innenseite des Zimmers war
die Tür aber mit einem Möbel zugestellt.
Irgendwo im Flur stand immer Vaters selbst ge-
zimmerter und schon etwas älterer Stiefelknecht.
Wenn er im Winter zu lange brauchte, um mit den
wärmenden dicken Fußlappen aus den Stiefeln zu
kommen, konnte man ihm behilflich sein und mit
den Händen kräftig auf die Stiefelspitze drücken
oder mit einem Fuß vergnüglich dagegen halten.
Das war dann auch Anlass für einen der sonst nur
spärlich geführten kleinen Wortwechsel.
Torf- und Holzfeuer verbreiteten ihre unterschied-
lichen Gerüche im Haus. Wie gerne wüsste ich noch,
ob wir am Küchentisch auf Bänken oder auf Stühlen
saßen, wo der Schrank für das Geschirr stand.
Vom Flur führte eine holzverschalte Treppe auf
den Hausboden. Die Tür zum Treppenaufgang, die
Treppe und die Verschalung waren wie die Wasser-
bank und der Herd in der Küche mit einer hellen
rotbraunen Farbe gestrichen, die den Ziegelsteinen
des Fußbodens ähnelte. Auf dem Hausboden hatte
Vater durch einen Bretterverschlag noch Platz für
Betten unserer ständigen Berliner Sommergäste
geschaffen: für Onkel Emil, Tante Grete und Cousine
Ruth. Primär war der Hausboden aber Heuboden
und ab Herbst auch die Obstlagerstätte. Auf ihm
Heuboden
und
Räucher-
kammer
Gerüche
im Haus,
auf dem
Boden
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befand sich außerdem die Räucherkammer für
Wurst, Schinken, Spickbrust und Fische. Holz,
Sägespäne, Torfstücke und Wacholder lagerten als
Räuchermaterial in einer offenen Kiste daneben.
Räucherkammer und der mit Sand bestreute Kü-
chenfußboden hatten jeweils ihre unverwechselba-
ren raumfüllenden Gerüche.
Zum Landarbeiterhaus gehörten auch Gehöfte für
zwei Kühe, Schweine, Geflügel und Kaninchen
sowie Schuppen für Holz, Torf und Gerätschaften.
Bei Dunkelheit wurden die Gehöfte mit einer Later-
ne betreten. Anfang der vierziger Jahre elektrifizierte
man aber auch sie.
Schweine, Gänse, Hühner und Enten durften in
beliebiger Zahl zur Selbstversorgung und zum
Verkauf gefüttert werden. Eine zweite Kuh durfte
gehalten, musste aber vor dem ersten Kalben ver-
kauft werden. Vorübergehend stand in unserem
Kuhstall auch noch eine mächtige hellbraune Ziege
mit großem Euter. Ich musste damit eines Tages zum
Ziegenbock nach Groß Nossin und sie danach bei
infernalischem Bockgestank an der kurzen Leine
wieder nach Klein Nossin zurückführen.
Vor dem Kuh- und Schweinestall türmte sich der
Misthaufen, auf dem auch Gartenabfälle landeten
und Vater den Inhalt aus unserem Plumpsklo ver-
grub.
Viehwirt-
schaft
Viehstall
und
Schuppen
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