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Unter Vakuum
Faszinierende Entdeckungen, neue Erkenntnisse und span-
nende Experimente bieten Themenbereiche rund um das
Vakuum. Interdisziplinär können Experimente durchgeführt
und ausgewertet werden. Das Vakuum präsentiert sich mit-
nichten als ein Nichts, vielmehr als Lieferant ungewöhnlicher
Erscheinungen, sozusagen als „Forschungsschatzkiste”.
Das wohl bekannteste Vakuum-Experiment erdachte der Magde-
burger Bürgermeister Otto von Guericke im Jahr 1654. Die neu-
gierigen Zuschauer staunten nicht schlecht, als mittels zweier abge-
dichteter Halbkugeln, eines Ventils und einer Luftpumpe ein solch
starkes Vakuum erzeugt wurde, dass zwei Gespanne aus jeweils
acht Pferden die beiden Kugelhälften nicht zu trennen vermochten.
Mit diesem berühmten Experiment begann die Vakuumforschung.
Auch heute sind solche Versuche von großer Bedeutung – wenn
auch nicht mehr mit Pferden, die an Halbkugeln ziehen, sondern
mit Hightech-Instrumenten, wie sie beispielsweise in der Raum fahrt
eingesetzt werden. Denn bekanntlich gibt es im Weltraum keine
Luft. Wie aber kann da ein Raketentriebwerk „brennen”, wenn es
die dichten Schichten der Erdatmosphäre verlassen hat?
Kraft des Vakuums
Ausschlaggebend für den Zusammenhalt
der beiden Halbkugeln in Guerickes Ver-
such ist der Umgebungsluftdruck, der
durch die Bewegung der Luftmoleküle
hervorgerufen wird. Diese würden in den
leeren Raum innerhalb der Kugel strö-
men, aber können es nicht, weil das
Ventil die Kugel luftdicht verschließt.
Schon die alten Griechen untersuchten
das Strömungsverhalten der Luft. Sie
beobachteten immer wieder eine Strö-
mung zum Gebiet mit niedrigem Druck.
In diesem Zusammenhang sprachen sie
vom „horror vakuui” (Angst vor der
Leere). Ein Bereich mit Unterdruck wird
immer mit Luft aufgefüllt, er kann nicht
lange bestehen. Technische Geräte wie
Ventile (die dies verhindern) gab es zu
dieser Zeit noch nicht.
Wie groß ist aber überhaupt die drucker-
zeugende Gewichtskraft der Luft in unse-
rer Umgebung? Das kann leicht ermittelt
werden, wenn man weiß, wie viel Luft
wiegt. Die Dichte der Luft hat einen Wert
von 1,29 kg/m³. Das bedeutet, dass die
Masse eines Kubikmeters Luft 1,29 kg be -
trägt. Dafür, dass diese Masse ja eigent-
lich gar nicht wahrgenommen wird, ist
das schon ein stattlicher Wert.
Auftreten des Vakuums
Ein Vakuum ist immer da vorhanden,
wo innerhalb eines Gefäßes weniger
Luftmolekü le pro Volumeneinheit sind
als außerhalb. Umgangssprachlich be -
zeichnet das Vakuum einen luftleeren
Raum.
In großen Teilen des Universums herrscht
Vakuum. Für die Raumfahrt bedeutet
das: Probleme, die ein Aufenthalt im
Vakuum mit sich bringen könnte, müssen
vorher genau erfoscht werden. So finden
Unter suchungen von Weltraumantrieben
im Höhenprüfstand des DLR-Standorts
Lampoldshausen im Auftrag der Europä-
ischen Weltraumorganisation ESA statt.
Hier wird das Oberstufentriebwerk der
Trägerrakete Ariane 5 unter Weltraum-
bedingungen – also im Vakuum – getes-
tet. Da im Weltraum kein Sauerstoff für
die Verbrennung vorhanden ist, wird er
als zweite Treibstoffkomponente neben
dem Wasserstoff in flüssiger Form in der
Rakete mitgeführt. Auch beim Bau und
Betrieb einer Raumstation wie der ISS ist
besonders sorgfältig darauf zu achten,
dass das Innere der Station vollständig
gegen das Vakuum des Weltalls isoliert
ist. Raumstationen und Satelliten, wie sie
z. B. im DLR-Standort Neustrelitz empfan-
gen werden, sollen zuverlässig über viele
Jahre nutzbar sein. Um das zu gewährleis-
ten, müssen die Entwicklungsingenieure
beachten, dass viele ihrer Baugruppen
unter Weltraumbedingungen ganz an -
ders funktionieren als auf der Erde. Expe-
rimente unter Vakuumbedingungen und
auch unter Schwerelosigkeit liefern dazu
wichtige Informationen.
Aber auch im Alltag gibt es viele Dinge,
bei denen das Vakuum genutzt wird.
Staubsauger erzeugen ein Vakuum,
damit der Staub durch den Saugschlauch
in den Beutel gedrückt wird. In sofern ist
der Begriff Staubsauger eigentlich irre-
führend. Andere Beispiele sind vakuum-
verschlossene Konserven, die beim ersten
Öffnen – bedingt durch den dabei statt-
findenden Druckausgleich – das charak-
teristische Knacken von sich geben.
Unter Vakuum
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Stich von Guerickes berühmtem
Versuch aus seinem Werk
„Experimenta nova (ut vocantur)
Magdeburgica de vacuo spatio“
Höhenprüfstand auf dem Testgelände im
DLR-Standort Lampoldshausen
© Wikipedia
© DLR
natürlich nicht. Aber dass alle Körper
gleich schnell fallen, gilt nur im Vakuum.
Die Luft um uns auf der Erde bremst
jeden Körper in seinem Fall. So kommt
es, dass eine Feder langsamer „herunter-
segelt” als der Stein. Anders auf dem
Mond: Hier bestätigten die amerikani-
schen Astronauten eindrucksvoll Galileis
Behauptung und zeigten, dass ein Ham-
mer und eine Feder tatsächlich gleich
schnell fallen. Dass das wirklich so ist,
kann auch im DLR_School_Lab nachge-
wiesen werden. Dazu werden in einer
speziellen Röhre, die luftleer gepumpt
wurde, verschiedene Körper fallen
gelassen.
Auch in der Forschung werden solche
Fallröhren genutzt. Das Zentrum für an -
gewandte Raumfahrttechnologie und
Mikrogravitation (ZARM) betreibt in
Bremen einen Fallturm, der eine 110 m
lange Fallröhre besitzt. Sie wird vor jedem
Experiment nahezu luftleer gepumpt.
Das ist erforderlich, damit die Experi-
ment-Kapsel tatsächlich frei fallen kann
und nicht durch den Luftwiderstand
verzögert wird. Nur so können in ihrem
Inneren die Experimente in Schwere-
losigkeit ablaufen.
Die Experimente
Im DLR_School_Lab können die Schüle-
rinnen und Schüler neben den vorbereite-
ten Experimenten auch mitgebrachte,
selbst entwickelte Versuchsaufbauten
im Vakuum testen.
Aus klein wird groß
Wird ein unaufgeblasener Luftballon dem
Vakuum ausgesetzt, so ist kein Effekt zu
sehen. Wurde er dagegen vorher mit Luft
gefüllt, so ist Erstaunliches zu beobach-
ten: Der Luftballon wird größer und grö-
ßer und ... platzt. Warum das so ist, lässt
sich gut mit dem Teilchenmodell erklä-
ren. Im Luftballon bewegen sich die
Luftmoleküle sehr schnell und treffen
dabei ständig von innen auf die Gummi-
haut. Ihre Ausdehnung wird aber durch
die von außen wirkenden Moleküle der
Umgebungsluft verhindert. Im Vakuum
fehlen diese äußeren Teilchen jedoch.
Nichts kann mehr den Bewegungsdrang
der Luftmoleküle im Ballon unterdücken.
Sie „schießen“ von innen derart gegen
die Ballonhaut, dass sie sich dehnt und
im Extremfall sogar zerreißt. In umge-
kehrter Richtung findet dieser Vorgang –
natürlich ohne Ausdehnung – bei den
Magdeburger Halbkugeln statt und
bewirkt ihren Zusammenhalt.
Auftrieb in der Luft
Genau wie im Wasser erfahren Körper im
Gas einen Auftrieb. Mit Hilfe einer Styro-
porkugel kann dieser Effekt nachgewie-
sen werden: Die Kugel hängt an einer
austarierten Balkenwaage, die unter die
Vakuumglocke gebracht wird. Nach dem
Auspumpen der Luft ist zu beobachten,
dass sich die Seite des Waagebalkens mit
der Styroporkugel gesenkt hat. Warum
ist das so?
3
Schüler experimentieren mit der
Drehschieberpumpe
Die Lösung liefert das Auftriebsgesetz,
das von Archimedes von Syrakus formu-
liert wurde: Die auf einen Körper wirkende
Auftriebskraft ist gleich der Gewichtskraft
des durch den Körper verdrängten Medi-
ums. Das bedeutet für den Fall der Styro-
porkugel, dass sie im Ausgangszustand
ein gewisses Volumen an Luft verdrängt.
Aufgrund dieser Verdrängung erhält die
Kugel ihren Auftrieb. Im Vakuum sinkt
die Kugel, weil die Luft immer „dünner“
wird. Das durch die Kugel verdrängte
Gasvolumen bleibt zwar gleich, jedoch
nimmt die Dichte der Luft ab. Diese Ab -
nahme hat immer eine Verringerung der
Auftriebskraft zur Folge. Dabei sind die
auf den Körper wirkende Auftriebskraft
und die Dichte des durch ihn verdrängten
Mediums zueinander direkt proportional.
Lärm im Weltall? Kein Thema!
Die Luft setzt sich aus 78% Stickstoff,
21% Sauerstoff sowie 1% Edelgasen und
Kohlenstoffdioxid zusammen. Die enthal-
tenen Gasmoleküle bewegen sich sehr
schnell, sodass sie in kürzester Zeit einen
Raum gleichmäßig ausfüllen können. Sie
sind unglaublich klein und können nicht
einzeln wahrgenommen werden. Anders
ist es mit dem – durch eine große Anzahl
von Molekülen hervorgerufenen – Gas-
druck. Druckunterschiede in verschiede-
nen Gebieten bzw. den zwischen ihnen
stattfindenden Druckausgleich nehmen
wir als Druckwelle in Form einer mehr
oder minder starken Strömung (Wind)
wahr. Aber auch an der Membran eines
Lautsprechers oder an unseren Stimm-
bändern werden Druckwellen (Schall-
wellen) ausgelöst. Fakt ist dabei: Ohne
Luft könnten sich diese Wellen nicht
ausbreiten und wir uns auf der Erde
beispielsweise nichts zurufen und auch
keine anderen Geräusche wahrnehmen.
Im Weltraum, wo tatsächlich keine Luft
existiert, wäre der Mensch ohne Hilfs-
mittel taub. Hier sind alternative Kom-
munikationsmittel wie Funkverbindungen
erforderlich, um in Kontakt bleiben zu
können.
Wer hoch steigt, der kann tief fallen
... nur wie schnell ist die Frage. Das inter-
essierte auch Galileo Galilei, der nach ein-
gehenden Beobachtungen behauptete,
dass alle Körper gleich schnell fallen.
Stimmt das? Fällt nicht aus gleicher Höhe
eine Feder um einiges langsamer als ein
Stein? Liegt also Galilei falsch? Nein,
Schokokuss im Vakuum
© DLR
© DLR
DLR_School_Lab_Unter Vakuum_D-
08/12
Kochendes Eis
Ein ganz besonderes Phänomen ist zu
beobachten, wenn Wasser im Vakuum
ohne zusätzliche Heizung siedet. Obwohl
das Wasser kocht, kann man mit Hilfe
eines Thermometers feststellen, dass es
sich immer weiter abkühlt. Unter günsti-
gen Bedigungen kühlt das Wasser sogar
so stark ab, dass sich Eis bildet. Die Er -
klärung dafür liegt in der Überwindung
der Kohäsionskräfte, die für die Anzie -
hung zwischen den Wassermolekülen
verantwortlich sind. Wenn Wasser siedet,
geht es in den gasförmigen Aggregat-
zustand über. Für die Moleküle bedeutet
dies, dass sie einen größeren Aufenthalts-
raum einnehmen, sich schneller bewegen
und einen großen Abstand zum nächsten
Molekül haben.
Der Zustandswechsel von flüssig zu gas-
förmig ist nur möglich, weil im Vakuum
keine Luftmoleküle den Wassermolekülen
mehr im Weg sind und sie zurückdrän-
gen. Die Moleküle an der Wasser ober-
fläche haben dadurch die Möglichkeit,
sich aus der Flüssigkeit zu lösen. Wie ist
das möglich? Durch die Wirkung der
Kohäsionskräfte im Wasser werden sie
doch eigentlich daran gehindert. Die
Antwort: Zur Überwindung der Bindung
ans Wasser ist Energie erforderlich, die
von tieferliegenden Wassermolekülen
„geliefert” wird. Diese Moleküle „verlie-
ren” dabei einen Teil ihrer eigenen Ener-
gie. Weniger Energie bedeutet weniger
Bewegung und damit eine niedrigere
Temperatur. Das Sieden hat so das
Gefrieren eines Teils des Wassers zur
Folge.
Auch dieser auf den ersten Blick paradox
erscheinende Effekt zeigt, dass unter be -
stimmten Bedingungen Vorgänge ganz
anders als auf der Erde gewohnt ablau-
fen können. Die Erforschung solcher Pro-
zesse ist für den Erfolg der Raumfahrt
von entscheidender Bedeutung und wird
auch vom DLR mit vorangetrieben.
Bei Raumtemperatur im Vakuum erstarrtes
Wasser
DLR_School_Lab Neustrelitz
Kalkhorstweg 53
17235 Neustrelitz
Leitung: Dr. Albrecht Weidermann
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www.DLR.de/dlrschoollab
Das DLR im Überblick
Das DLR ist das nationale Forschungs-
zentrum der Bundesrepublik Deutsch-
land für Luft- und Raumfahrt. Seine
umfangreichen Forschungs- und
Ent wicklungsarbeiten in Luftfahrt,
Raumfahrt, Energie, Verkehr und
Sicherheit sind in nationale und inter-
nationale Kooperationen eingebunden.
Über die eigene Forschung hinaus ist
das DLR als Raumfahrt-Agentur im
Auftrag der Bundesregierung für die
Planung und Umsetzung der deutschen
Raumfahrtaktivitäten zuständig. Zudem
fungiert das DLR als Dachorganisation
für den national größten Projektträger.
In den 16 Standorten Köln (Sitz des
Vorstands), Augsburg, Berlin, Bonn,
Braunschweig, Bremen, Göttingen,
Hamburg, Jülich, Lampoldshausen,
Neustrelitz, Oberpfaffenhofen, Stade,
Stuttgart, Trauen und Weilheim beschäf-
tigt das DLR circa 7.000 Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter. Das DLR unterhält Büros
in Brüssel, Paris und Washington D.C.
Das DLR Neustrelitz
Der DLR-Standort Neustrelitz liegt etwa
100 Kilometer nördlich von Berlin im
Bundesland Mecklenburg-Vorpommern.
Hier arbeiten über 70 Wissenschaftler,
Ingenieure und Angestellte.
Die Forschungs- und Entwicklungs arbeiten
am Standort sind den Themenbereichen
satellitengestützte Erdbeobachtung,
Navigation und Ionosphärenerkundung
zugeordnet und gliedern sich in verschie-
dene Forschungsprogramme ein.
© DLR
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