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Robert Wilhelm Bunsen –
eine biographische Skizze
Mit dem Programm „Historische Stätten der Chemie“ würdigt
die Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh) Leistungen von
geschichtlichem Rang in der Chemie. Als Orte der Erinnerung
werden Wirkungsstätten beteiligter Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler in einem feierlichen Akt ausgezeichnet. Eine
Broschüre bringt einer breiten Öffentlichkeit deren wissenschaft-
liches Werk näher und stellt die Tragweite ihrer Arbeiten im
aktuellen Kontext dar. Ziel dieses Programms ist es, die Erinne-
rung an das kulturelle Erbe der Chemie wach zu halten und die
Chemie mit ihren historischen Wurzeln stärker in das Blickfeld
der Öffentlichkeit zu rücken.
Am 12. Oktober 2011 gedenken die GDCh, die Deutsche
Bunsen-Gesellschaft für Physikalische Chemie (DBG), die Che-
mische Gesellschaft zu Heidelberg (ChGzH) und die Ruprecht-
Karls-Universität Heidelberg des Wirkens von Robert Wilhelm
Bunsen, der als Wegbereiter der Physikalischen Chemie gilt.
Er war einer der bedeutendsten Chemiker des 19. Jahrhunderts.
Während seiner fast sechzigjährigen Forschungs- und Lehrtätig-
keit leistete er herausragende Beiträge zur Anorganischen und
Physikalischen Chemie. Zu seinen größten Verdiensten zählen die
Entwicklung gasometrischer Methoden, die gemeinsam mit Gus-
tav Robert Kirchhoff geleistete wissenschaftliche Begründung
der Spektralanalyse sowie zahlreiche Innovationen im Bereich
wissenschaftlicher Instrumente und Verfahren.
Lebensdaten
Göttingen (1811–1836)
30.3.1811
Geburt Robert Wilhelm (Eberhard) Bunsens
in Göttingen
1817–1828 Schulbesuch in Göttingen und Holzminden
1828–1831 Studium der Naturwissenschaften
an der Universität Göttingen
1831
Promotion an der Georgia Augusta
1832–1833 Studienreise durch verschiedene dt. Länder,
Frankreich, Tirol, Österreich, mit längeren
Aufenthalten in Berlin, Paris, Wien
1834
Habilitation in Göttingen
1834
–1836 Privatdozent in Göttingen; Arbeiten zu
Eisen-Cyano-Komplexen, Mineralogie,
pharmazeutisch-toxikologischer Chemie
Kassel (1836–1839)
1836–1839 Lehrer an der Gewerbeschule in Kassel;
Arbeiten zu Hochofengasen, Kakodyl
Marburg (1839–1851)
1839
Versetzung an die Universität Marburg als
a.o. Professor; Abschluss der Kakodylarbeiten,
Hinwendung zur Elektrochemie
1841
Ordinarius an der Universität Marburg;
Entwicklung des Zink-Kohle-Elements,
Arbeiten zu Hochofen- und Vulkangasen
1846
Islandreise, geologisch-chemische Arbeiten
Breslau (1851–1852)
1851–1852 Ordentlicher Professor an der Universität
Breslau; Analyse isländischer Proben,
jodometrische Arbeiten, Verbesserung der
Zink-Kohle-Batterie, Bekanntschaft mit
Gustav Kirchhoff
Heidelberg (1852–1899)
1852–1889 Ordentlicher Professor und Direktor
des Chemischen Laboratoriums an der
Universität Heidelberg
1852–1855 Elektrolytische Darstellung von Metallen
1853–1855 Neubau des Chemischen Laboratoriums
Ecke Plöck/Akademiestraße
1855–1862 Photochemische Arbeiten mit Henry Roscoe
1857
Erscheinen des Buches Gasometrische Methoden
1859
–1861 Spektralanalytische Arbeiten mit Kirchhoff
1860/1861 Entdeckung von Cäsium und Rubidium
1863
Ehrenbürger der Stadt Heidelberg
1887
Bunsens letzte Forschungsarbeit erscheint:
„Ueber das Dampfcalorimeter“
1888
Entpflichtung Bunsens, Umzug in die
Luisenstraße (seit 1893 „Bunsenstraße“)
1889
Übergabe der Direktion des Chemischen
Laboratoriums an Victor Meyer
16.8.1899
Tod Bunsens in Heidelberg
Bunsen war einer der Wegbereiter der Physikalischen Chemie
und ein bedeutender Vertreter der anorganisch-analytischen
Richtung. Seine wissenschaftliche Bedeutung liegt in der Ent-
wicklung und Perfektionierung von Methoden und Instrumen-
ten. Diese Arbeitsschwerpunkte hat Bunsen von Beginn seiner
Karriere an verfolgt und systematisch ausgebaut.
1811 als jüngster von vier Söhnen einer bürgerlichen protestan-
tischen Familie in Göttingen geboren, begann Bunsen dort 1828
das Studium der Naturwissenschaften. Seine wichtigsten Lehrer
waren der Chemiker Friedrich Stromeyer (1776–1835) und
der Mineraloge, Geologe und Bergfachmann Johann Friedrich
Ludwig Hausmann (1782–1859). Als Dissertation wurde eine
instrumentenkundliche Arbeit über verschiedene Arten von
Hygrometern anerkannt, mit der Bunsen 1830 die Preisaufgabe
der Philosophischen Fakultät gewonnen hatte; die Promotion
erfolgte im Herbst 1831.
Im Anschluss daran, von Mai 1832 bis September 1833, unter-
nahm Bunsen eine Studienreise durch verschiedene deutsche
Länder, Frankreich, die Schweiz, Tirol und Österreich. Dabei
sah er Fabriken und Bergwerke, suchte Sammlungen und geolo-
gisch interessante Punkte auf und nahm an ausgewählten Lehr-
veranstaltungen teil. Nicht zuletzt machte er die Bekanntschaft
sowohl aufstrebender als auch etablierter Gelehrter wie Justus
Liebig (1803–1873) und Friedrich Wöhler (1800–1882), Eilhard
Mitscherlich (1794–1863), Leopold Gmelin (1788–1853) und
Théophile-Jules Pelouze (1807–1867). Bei Heinrich Rose
(1795–1864) und Henri-François Gaultier de Claubry (1792–
1878) arbeitete er auch in deren Laboratorien mit. Die zentralen
Stationen der Reise waren Berlin, Paris und Wien.
Nur vier Monate nach seiner Rückkehr im September 1833
reichte Bunsen eine Habilitationsschrift ein, die neben einer
chemischen präparativ-analytischen Untersuchung von Eisen-
Cyano-Komplexen auch Beiträge zur Kristallographie und
Mineralogie enthielt. Unmittelbar danach, im Frühjahr 1834,
begann Bunsen ein gemeinsames Forschungsprojekt mit dem
Göttinger Physiologen Arnold Adolph Berthold (1803–1861).
Darin konnten sie zeigen, dass Eisenhydroxid ein wirksames
Gegengift bei Arsenvergiftungen ist. Es war eine für Bunsen
wie für Berthold in jeder Hinsicht erfolgreiche und breit
wahrgenommene Forschungskooperation. Allerdings blieb es
Bunsens einzige Arbeit im Grenzbereich zwischen Pharmazie
und Toxikologie. Zur gleichen Zeit, im Sommersemester 1834,
nahm Bunsen als Privatdozent die chemische Lehrtätigkeit in
Göttingen auf; nach dem Tod des Ordinarius’ Stromeyer über-
nahm er sogar für ein Semester dessen Hauptvorlesung.
Im April 1836 trat Bunsen die Nachfolge Friedrich Wöhlers als
Lehrer für Chemie und chemische Technologie an der Höheren
Gewerbeschule in Kassel an. Seine Hauptarbeitsgebiete in
dieser Zeit waren Gasuntersuchungen an Hochöfen und Mine-
ralienanalytik. Zugleich erwarb er mit seinen Kakodyluntersu-
chungen die ersten Meriten im Bereich der ‚reinen’ präparativen
Chemie.
1839 wurde Bunsen als außerordentlicher Professor nach Marburg
versetzt; 1841 erhielt er dort seine erste ordentliche Professur.
Hier führte er seine Arbeiten zu den metall-organischen
Komplexverbindungen zu Ende, baute seine Expertise auf dem
Gebiet der Gasanalytik aus und wandte sich der Elektrochemie
und chemischen Geologie zu. Einer der Höhepunkte seiner
Marburger Tätigkeit war für ihn die 1846 gemeinsam mit dem
Göttinger Vulkanforscher Wolfgang Sartorius von Waltershausen
(1809–1876), dem Anatomen und Physiologen Carl Bergmann
(1814–1865) und dem französischen Mineralogen Alfred Louis
Olivier Descloiseaux (1817–1897) unternommene Forschungs-
reise nach Island. Die von der dänischen Regierung initiierte
Expedition diente der Untersuchung der geologischen Verhält-
nisse der Insel. Anlass bot der nach fast 80jähriger Ruhepause
erwartete Ausbruch des Vulkans Hekla, den die Wissenschaftler
letztlich jedoch knapp verpassen sollten.
Bunsen vor Antritt der Heidelberger Professur im Alter
von 35 Jahren. Aus: Leena Ruuskanen, Der Heidelberger
Bergfriedhof: Kulturgeschichte und Grabkultur. Ausgewählte
Grabstätten (Heidelberg 1992), 198–200, hier 199.