Metapher
Herr Kapitän, der Steuermann
hat grade lallend kundgetan,
er brächte jetzt das Schiff zum Sinken -
me taph er wirklich nicht mehr trinken.
Symbol
Herr Dschingis Khan, das tut man nicht,
daß man in fremdes Land einbricht.
Nu aber raus mit Ihren Horden -
Sie sym bol wahnsinnig geworden!
allegorisch
Nichts wird sich ändern hier auf Erden,
bevor nicht alle gorisch werden.
sensibel
Herr Ober! Bringt mir einen Kübel!
Mir wird von diesem Nonsens ibel!
Garant
Der Hase trägt den Kopfverband,
seitdem er an die Wand garant.
Mandarin
Wir schafften uns den Beichtstuhl an,
weil man darin nett beichten kann.
Rudiment
Ach Lieschen, sei mal wieder froh,
der Rudi ment es doch nicht so!
Krise
Peter Pudding? So heißt du?
Ach, du kri se Tür nicht zu!
servil
Willst du dereinst in Frieden ruhn,
mußt du erst ser vil Gutes tun.
normal
He! Könnse mir mein Namen sagen?
Nein? Na, ich wollte nor mal fragen!
lesbisch
Und als die ersten Hörer grollten
und schon den Saal verlassen wollten,
da sprach der Dichter ungerührt:
"Ich les bisch euch der Arsch abfriert."
Ein Erlebnis Kants
Eines Tags geschah es Kant,
daß er keine Worte fand.
Stundelang hielt er den Mund,
und er schwieg - nicht ohne Grund.
Ihm fiel absolut nichts ein,
drum ließ er das Sprechen sein.
Erst als man zum Essen rief,
wurd' er wieder kreativ,
und er sprach die schönen Worte:
"Gibt es hinterher noch Torte?"
(Robert Gernhardt)
Der Panther
Sein Blick ist vom Vorübergehen der Stäbe
So müd geworden, daß er nichts mehr hält.
Ihm ist als ob es tausend Stäbe gäbe
Und hinter tausend Stäben keine Welt.
Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte,
der sich im allerkleinsten Kreise dreht
ist wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte
in der betäubt ein großer Wille steht.
Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille
Sich lautlos auf -. Dann geht ein Bild hinein,
geht durch der Glieder angespannte Stille -
und hört im Herzen auf zu sein
Rainer Maria Rilke
Der Papst
Der Papst lebt herrlich in der Welt.
Es fehlt ihm nicht am Ablaßgeld.
Er trinkt vom allerbesten Wein,
drum möcht ich auch der Papst gern sein.
Doch halt, er ist ein armer Wicht!
Ein holdes Mdächen küßt ihn nicht.
Er schläft in seinem Bett allein,
drum möcht ich doch der Papst nicht sein.
Der Sultan lebt in Saus und Braus,
in einem großen Freudenhaus
voller holder Mägdelein ,
drum möcht ich auch der Sultan sein.
Doch nein, er ist ein armer Mann!
Denn hält er sich an den Koran,
so trinkt er keinen Tropfen Wein,
drum möcht ich auch nicht Sultan sein.
Geteilt veracht ich beider Glück,
und bleibe gern in meinem Stand zurück.
Doch darauf lasse ich mich ein:
Halb Sultan und halb Papst zu sein.
Ihr Mägdlein gebt mit eine Kuß,
damit ich lebe wie der Sultanus.
Ihr trauten Brüder schenkt mir ein,
damit ich auch der Papst kann sein.
Der Schatzgräber
Arm am Beutel, krank am Herzen,
Schleppt' ich meine langen Tage.
Armut ist die groesste Plage,
Reichtum ist das hoechste Gut!
Und zu enden meine Schmerzen,
Ging ich, einen Schatz zu graben.
"Meine Seele sollst du haben!"
Schrieb ich hin mit eignem Blut.
Und so zog ich Kreis' um Kreise,
Stellte wunderbare Flammen,
Kraut und Knochenwerk zusammen:
Die Beschwoerung war vollbracht.
Und auf die gelernte Weise
Grub ich nach dem alten Schatze
Auf dem angezeigten Platze.
Schwarz und stuermisch war die Nacht.
Und ich sah ein Licht von weiten,
Und es kam gleich einem Sterne
Hinten aus der fernsten Ferne,
Eben als es zwoelfe schlug.
Und da galt kein Vorbereiten.
Heller ward's mit einem Male
Von dem Glanz der vollen Schale,
Die ein schoener Knabe trug.
Holde Augen sah ich blinken
Unter dichtem Blumenkranze;
In des Trankes Himmelsglanze
Trat er in den Kreis herein.
Und er hiess mich freundlich trinken;
Und ich dacht': es kann der Knabe
Mit der schoenen lichten Gabe
Wahrlich nicht der Boese sein.
"Trinke Mut des reinen Lebens!
Dann verstehst du die Belehrung,
Kommst mit aengstlicher Beschwoerung
Nicht zurueck an diesen Ort.
Grabe hier nicht mehr vergebens!
Tages Arbeit, abends Gaeste!
Saure Wochen, frohe Feste!
Sei dein kuenftig Zauberwort."
Goethe
Der Schwan
Diese Mühsal durch noch Ungetanes
Schwer und wie gebunden hinzugehen,
Gleicht dem ungeschaffnen Gang des Schwanes.
Und das Sterben, dieses Nichtmehrfassen
Jenes Grundes auf dem wir täglich stehen
Seinem ängstlichen Sich-Niederlassen - :
In die Wasser, die ihn sanft empfangen
Und die sich, wie glücklich und vergangen,
Unter ihm zurückziehen Flut um Flut;
Während er unendlich still und sicher
Immer mündiger und königlicher
Und gelassener zu ziehn geruht.
Rainer Maria Rilke
Der Sonnenuntergang
Ein Fräulein stand am Meere
Und seufzte lang und bang,
Es rührte sie so sehre
Der Sonnenuntergang.
Mein Fräulein, sein sie munter,
Das ist ein altes Stück;
Hier vorne geht sie unter
Und kehrt von hinten zurück.
Heinrich Heine 1797-1856
Der stürmische Morgen
Wie hat der Sturm zerrissen
Des Himmels graues Kleid !
Die Wolkenfetzen flattern
Umher im harten Streit.
Und rote Feuerflammen
Zieh'n zwischen ihnen hin;
Das nenn' ich einen Morgen
So recht nach meinem Sinn !
Mein Herz sieht an dem Himmel
Gemalt sein eig'nes Bild -
Es ist nichts als der Winter,
Der Winter kalt und wild !
Winterreise Schubert
Der Tanz
Siehe wie schwebenden Schritts im Wellenschwung sich die Paare
Drehen, den Boden berührt kaum der geflügelte Fuss.
Seh ich flüchtige Schatten, befreit von der Schwere des Leibes?
Schlingen im Mondlicht dort Elfen den luftigen Reihn?
Wie, von Zephyr gewiegt, der leichte Rauch in die Luft fließt,
Wie sich leise der Kahn schaukelt auf silberner Flut,
Hüpft der gelehrige Fuß auf des Taktes melodischer Woge,
Säuselndes Saitengetön hebt den ätherischen Leib.
Jetzt, als wollt es mit Macht durchreißen die Kette des Tanzes,
Schwingt sich ein mutiges Paar dort in den dichtesten Reihn.
Schnell vor ihm her entsteht ihm die Bahn, die hinter ihm schwindet,
Wie durch magische Hand öffnet und schließt sich der Weg.
Sieh! Jetzt schwand es dem Blick, in wildem Gewirr durcheinander
Stürzt der zierliche Bau dieser bewegten Welt.
Nein, dort schwebt es frohlockend herauf, der Knoten entwirrt sich,
Nur mit verändertem Reiz stellet die Regel sich her.
Ewig zerstört, es erzeugt sich ewig die drehende Schöpfung.
Und ein stilles Gesetz lenkt der Verwandlungen Spiel.
Sprich wie geschiehts, daß rastlos erneut die Bildungen schwanken
Und die Ruhe besteht in der bewegten Gestalt?
Jeder ein Herrscher, frei, nur dem eigenen Herzen gehorchend
Und im eilenden Lauf findet die einzige Bahn?
Willst du es wissen? Es ist des Wohllauts mächtige Gottheit,
Die zum geselligen Tanz ordnet den tobenden Sprung,
Die, der Nemesis gleich, an des Rhythmus goldenem Zügel
Lenkt die brausende Lust und die verwilderte zähmt.
Und dir rauschen umsonst die Harmonieen des Weltalls,
Dich dergreift nicht der Strom dieses erhabnen Gesangs,
Nicht der begeisternde Takt, den alle Wesen dir schlagen,
Nicht der wirbelnde Tanz, der durch den ewigen Raum
Leuchtende Sonnen schwingt in kühn gewundenen Bahnen?
Das du im Spiele doch ehrst, fliehst du im Handeln, das Maß.
Friedrich Schiller, 1759-1805
Der Tod und das Mädchen
Das Mädchen
Vorüber! Ach, vorüber!
Geh wilder Knochenmann!
Ich bin noch jung, geh Lieber!
Und rühre mich nicht an.
Der Tod
Gib Deine Hand, du schön und zart Gebild!
Bin Freund, und komme nicht, zu strafen.
Sei guten Muts! Ich bin nicht wild,
Sollst sanft in meinen Armen schlafen!
Matthias Claudius
Der Tod
Rasch tritt der Tod den Menschen an,
es ist ihm keine Frist gegeben;
er stürzt ihn mitten aus der Bahn,
er reißt ihn fort vom vollen Leben.
bereitet oder nicht, zu gehen,
muss er vor seinem Richter stehen!
Friedrich Schiller
Der Totentanz
1. Der Türmer, der schaut zu Mitten der Nacht
Hinab auf die Gräber in Lage;
Der Mond hat alles ins Helle gebracht,
der Kirchhof, er liegt wie am Tage.
Da regt sich ein Grab, ein anderes dann:
Sie kommen hervor, ein Weib, da ein Mann
In langen und schleppenden Hemden.
2. Das reckt nun, es will sich ergetzen sogleich,
Die Knöchel zur Runde, zum Kranze.
So arm und so jung, so alt und so reich;
Doch hindern die Schleppen beim Tanze.
Und weil hier die Scham nun nicht weiter gebeut,
so schütteln sich alle, da liegen zerstreut
die Hemdelein über den Hügeln.
3. Nun hebt sich der Schenkel, nun wackelt das Bein
Gebärden da gibt es vertrackte;
Da klipperts und klapperts mitunter hinein,
Als schlüg man die Hölzlein zum Takte.
Das kommt nun dem Türmer so lächerlich vor;
Da raunt ihm der Schalk, der Versucher, ins Ohr:
Geh! hole dir einen der Laken.
4. Getan wie gedacht, und er flüchtet sich schnell
Nun hinter geheiligte Türen.
Der Mond und noch immer er scheinet so hell
Zum Tanz, den sie schauderlich führen.
Doch endlich verlieret sich dieser und der
Schleicht eins nach dem anderen gekleidet einher
Und husch ist es unter dem Rasen.
5. Nur einer, der trippelt und stolpert zuletzt
Und tappt und grapst an den Grüften;
Doch hat kein Geselle so schwer ihn verletzt
Er wittert das Tuch in den Lüften.
Er rüttelt die Turmtür, sie schlägt ihn zurück,
Geziert und gesegnet, dem Türmer zum Glück,
Sie blinkt von metallenen Kreuzen.
6. Das Hemd muss er haben, da rastet er nicht,
Da gilt auch kein langes Besinnen;
Den gotischen Zierrat ergreift nun der Wicht,
Und klettert von Zinne zu Zinnen.
Nun ists um den armen, den Türmer getan!
Es ruckt sich von Schnörkel zu Schnörkel hinan,
langbeinigen Spinnen vergleichbar.
7. Der Türmer erbleichet, der Türmer erbebt,
Gern gäb er ihn wieder, den Laken.
Da häkelt - jetzt hat er am längsten gelebt -
Den Zipfel ein eiserner Zacken!
Schon trübet der Mond sich, verschwindenden Scheins,
die Glocke, sie donnert ein mächtiges Eins,
Und unten zerschellt das Gerippe.
Goethe
Der wackere Schwabe
1
Als Kaiser Rotbart lobesam
Zum heil'gen Land gezogen kam,
Da mußt er mit dem frommen Heer
Durch ein Gebirge wüst und leer.
2
Daselbst erhub sich große Not,
Viel Steine gab's und wenig Brot,
Und mancher deutsche Reitersmann
Hat dort den Trunk sich abgetan;
3
Den Pferden war's so schwer im Magen,
Fast mußte der Reiter die Mähre tragen.
Nun war ein Herr aus Schwabenland,
Von hohem Wuchs und starker Hand,
4
Des Rößlein war so krank und schwach,
er zog es nur am Zaume nach;
Er hätt' es nimmer aufgegeben,
Und kostet's ihn das eigne Leben.
5
So blieb er bald ein gutes Stück
Hinter dem Heereszug zurück;
Da sprengten plötzlich in die Quer
Fünfzig türkische Ritter daher.
6
Die huben an auf ihn zu schießen,
Nach ihm zu werfen mit den Spießen.
Der wackre Schwabe forcht sich nit,
Ging seines Weges Schritt vor Schritt,
7
Ließ sich den Schild mit Pfeilen spicken
Und tät nur spöttisch um sich blicken,
Bis einer, dem die Zeit zu lang,
Auf ihn den krummen Säbel schwang.
8
Da wallt dem Deutschen auch sein Blut,
Er trifft des Türken Pferd so gut,
Er haut ihm ab mit einem Streich
Die beiden Vorderfüß' zugleich.
9
Als er das Tier zu Fall gebracht,
Da faßt er erst sein Schwert mit Macht,
Er schwingt es auf des Reiters Kopf,
Haut durch bis auf den Sattelknopf,
10
Haut auch den Sattel noch zu Stücken
Und tief noch in des Pferdes Rücken;
Zur Rechten sieht man wie zur Linken,
Einen halben Türken heruntersinken.
11
Da packt die andern kalter Graus;
Sie fliehen in alle Welt hinaus,
Und jedem ist's, als würd' ihm mitten
durch Kopf und Leib hindurchgeschnitten.
12
Drauf kam des Wegs 'ne Christenschar,
Die auch zurückgeblieben war;
Die sahen nun mit gutem Bedacht,
Was Arbeit unser Held gemacht.
13
Von denen hat's der Kaiser vernommen.
Der ließ den Schwaben vor sich kommen;
Er sprach: "Sag an, mein Ritter wert!
Wer hat dich solche Streich' gelehrt?"
14
Der Held bedacht sich nicht zu lang:
"Die Streiche sind bei uns im Schwang;
Sie sind bekannt im ganzen Reiche,
Man nennt sie halt nur Schwabenstreiche."
Ludwig Uhland 1787-1862
Der Wegweiser
Was vermeid' ich denn die Wege,
Wo die ander'n Wand'rer geh'n,
Suche mir versteckte Stege,
Durch verschneite Felsenhöh'n ?
Habe ja doch nichts begangen,
Daß ich Menschen sollte scheu'n, -
Welch ein törichtes Verlangen
Treibt mich in die Wüstenei'n ?
Weiser stehen auf den Straßen,
Weisen auf die Städte zu.
Und ich wandre sonder Maßen
Ohne Ruh' und suche Ruh'.
Einen Weiser seh' ich stehen
Unverrückt vor meinem Blick;
Eine Straße muß ich gehen,
Die noch keiner ging zurück.
Winterreise
Franz Schubert
Der Werwolf
Ein Werwolf eines Nachts entwich
Von Weib und Kind und sich begab
An eines Dorfschullehrers Grab
Und bat ihn: "Bitte beuge mich!"
Der Dorfschulmeister stieg hinauf
Auf seines Blechschilds Messingknauf
Und sprach zum Wolf, der seine Pfoten
Geduldig kreuzte vor dem Toten:
"Der Werwolf", sprach der gute Mann,
"des Weswolfs, Genitiv sodann,
dem Wenwolf, Dativ, wie mans nennt,
den Wenwolf, - damit hats ein End."
Dem Werwolf schmeichelten die Fälle,
er rollte seine Augenbälle.
"Indessen", bat er, "füge doch
zur Einzahl auch die Mehrzahl noch!"
Der Dorfschulmeister aber musste
gestehn, daß er von ihr nichts wußte.
Zwar Wölfe gäbs in großer Schar,
doch "wer" gäbs nur im Singular.
Der Wolf erhob sich tränenblind -
Er hatte ja doch Weib und Kind!
Doch da er kein Gelehrter eben,
so schied er dankend und ergeben.
Christian Morgenstern
Der Wilde Hans
Ach runzel nur die Knie, Marie
mußt sie ja dennoch spreiten
mein wilder Hans wird sie, Marie
von nun an stets begleiten.
Ach rümpf nur deine Stirn, Marie
die Mühe tut nicht lohnen
es wird in deinem Hirn, Marie
mein wilder Hans jetzt wohnen.
Ach roll nur mit den Ohren, Marie
kannst dich nicht lang betrügen
bist schon an ihn verlorn, Marie
mein wilder Hans wird siegen.
Ach sträube nur den Arm, Marie
folgst ihm ja doch zum Tänzchen!
mein wilder Hans ist warm, Marie
was machst du Hans? Alarm, Marie
Hans bleib, hier ist dein Schwarm, Marie
Hans! Hannes! Hansi! Hänschen
Robert Gernhardt
Des Menschen Seele
Gleicht dem Wasser:
Vom Himmel kommt es
Zum Himmel steigt es,
und wieder nieder
zur Erde muß es.
Ewig wechselnd.
Strömt von der hohen
Steilen Felswand
Der reine Strahl,
dann stäubt er lieblich
in Wolkenwellen
zum glatten Fels,
und leicht empfangen
wallt er verschleiernd,
leisrauschen
zur Tiefe nieder.
Ragen Klippen
Dem Sturz entgegen,
schäumt er unmutig
stufenweise
zum Abgrund.
Im flachen Bette schleicht er das Wiesental hin
Und in dem glatten See
Weiden ihr Anlitz
Alle Gestirne.
Wind ist der Welle
Lieblicher Buhler;
Wind mischt vom Grund aus
Schäumende Wogen.
Seele des Menschen,
wie gleichst du dem Wasser!
Schicksal des Menschen,
wie gleichst du dem Wind!
Goethe
Diagnose
Höchst ratsam ist die mitleidlose
und äusserst düstre Diagnose,
die nie des Doktors Ruf verdirbt:
Gesetzt den Fall, der Kranke stirbt,
am Schrecken gar, ihm eingejagt,
heissts gleich: Der Doktor hats gesagt!
Jedoch, wenn er ihn retten kann,
dann steht er da als Wundermann!
Eugen Roth
Die alten, bösen Lieder
Die alten, bösen Lieder,
Die Träume schlimm und arg,
Die laßt uns jetzt begraben,
Holt einen grossen Sarg.
Hinein leg ich gar Manches,
Doch sag ich noch nicht was;
Der Sarg muß sein noch größer
Wies Heidelberger Faß.
Und holt eine Totenbahre,
Von Brettern fest und dick:
auch muß sie sein noch länger
Als wie zu Mainz die Brück.
Und holt mir auch zwölf Riesen,
Die müssen noch stärker sein
Als wie der heilge Christoph
Im Dom zu Köln am Rhein.
Die sollen den Sarg forttragen
Und senken ins Meer hinab,
Denn solchem grossen Sarge
Gebührt ein grosses Grab.
Wißt ihr, warum der Sarg wohl
So groß und schwer mag sein?
Ich legt auch meine Liebe
Und meinen Schmerz hinein.
Heinrich Heine
Die Ameisen
'n Hamburg lebten zwei Ameisen,
Die wollten nach Australien reisen.
Doch in Altona, auf der Chaussee
Da taten ihnen die Füße weh,
Und da verzichteten sie weise
Dann auf den letzten Teil der Reise.
Ringelnatz
Die Behörde
Korf erhält vom Polizeibüro
ein geharnischt Formular,
wer er sei und wie und wo.
Welchen Orts er bis anheute war,
welchen Stands und überhaupt,
wo geboren, Tag und Jahr.
Ob ihm überhaupt erlaubt,
hier zu leben und zu welchem Zweck,
wieviel Geld er hat und was er glaubt.
Umgekehrten Falls man ihn vom Fleck
in Arrest verführen würde, und
drunter steht: Borowsky, Heck.
Korf erwidert darauf kurz und rund:
"Einer hohen Direktion
stellt sich, laut persönlichem Befund,
untig angefertigte Person
als nichtexistent im Eigen-Sinn
bürgerlicher Konvention
vor und aus und zeichnet, wennschonhin
mitbedauernd nebigen Betreff,
Korf. (An die Bezirksbehörde in -.)"
Staunend liests der anbetroffne Chef.
Morgenstern
Die Brücke am Tay
»Wann treffen wir drei wieder zusamm'?«
»Um die siebente Stund', am Brückendamm.«
»Am Mittelpfeiler.«
»Ich lösche die Flamm'.«
»Ich mit.«
»Ich komme vom Norden her.«
»Und ich von Süden.«
»Und ich vom Meer.«
»Hei, das gibt ein Ringelreihn,
Und die Brücke muß in den Grund hinein.«
»Und der Zug, der in die Brücke tritt
Um die siebente Stund'?«
»Ei der muß mit.«
»Muß mit.«
»Tand, Tand,
Ist das Gebilde von Menschenhand.«
Auf der Norderseite, das Brückenhaus -
Alle Fenster sehen nach Süden aus,
Und die Brücknersleut', ohne Rast und Ruh
Und in Bangen sehen nach Süden zu,
Sehen und warten, ob nicht ein Licht
Übers Wasser hin »ich komme« spricht,
»Ich komme, trotz Nacht und Sturmesflug,
Ich, der Edinburger Zug.«
Und der Brückner jetzt: »Ich seh einen Schein
Am anderen Ufer. Das muß er sein.
Nun Mutter, weg mit dem bangen Traum,
Unser Johnie kommt und will seinen Baum,
Und was noch am Baume von Lichtern ist,
Zünd' alles an wie zum heiligen Christ,
Der will heuer zweimal mit uns sein, -
Und in elf Minuten ist er herein.«
Und es war der Zug. Am Süderturm
Keucht er vorbei jetzt gegen den Sturm,
Und Johnie spricht: »Die Brücke noch!
Aber was tut es, wir zwingen es doch.
Ein fester Kessel, ein doppelter Dampf,
Die bleiben Sieger in solchem Kampf,
Und wie's auch rast und ringt und rennt,
Wir kriegen es unter: das Element.«
»Und unser Stolz ist unsre Brück';
Ich lache, denk ich an früher zurück,
An all den Jammer und all die Not
Mit dem elend alten Schifferboot;
Wie manche liebe Christfestnacht
Hab ich im Fährhaus zugebracht,
Und sah unsrer Fenster lichten Schein,
Und zählte, und konnte nicht drüben sein.«
Auf der Norderseite, das Brückenhaus -
Alle Fenster sehen nach Süden aus,
Und die Brücknersleut' ohne Rast und Ruh
Und in Bangen sehen nach Süden zu;
Denn wütender wurde der Winde Spiel,
Und jetzt, als ob Feuer vom Himmel fiel',
Erglüht es in niederschießender Pracht
Überm Wasser unten ... Und wieder ist Nacht.
»Wann treffen wir drei wieder zusamm'?«
»Um Mitternacht, am Bergeskamm.«
»Auf dem hohen Moor, am Erlenstamm.«
»Ich komme.«
»Ich mit.«
»Ich nenn euch die Zahl.«
»Und ich die Namen.«
»Und ich die Qual.«
»Hei!
Wie Splitter brach das Gebälk entzwei.«
»Tand, Tand,
Ist das Gebilde von Menschenhand.«
Th. Fontane
Die eine Klage
Wer die tiefste aller Wunden
Hat in Geist und Sinn empfunden,
bittrer Trennung Schmerz;
wer geliebt, was er verloren
lassen muß, was er erkoren,
das geliebte Herz,
der versteht in Lust die Tränen
und der Liebe ewig Sehnen
eins in Zwei zu sein,
eins im andren sich zu finden,
daß der Zweiheit Grenzen schwinden
und des Daseins Pein.
Wer so ganz in Herz und Sinnen
Konnt ein Wesen lieb gewinnen,
oh! den tröstets nicht,
daß für Freuden, die verloren,
neue werden nachgeboren:
Jene sinds doch nicht.
Das geliebte süsse Leben,
dieses Nehmen und dies Geben,
Wort und Sinn und Blick
Dieses Suchen und dies Finden
Dieses Denken und Empfinden
Gibt kein Gott zurück.
Karoline von Günderode.
Die Frage
Laß die heilgen Parabolen,
Laß die frommen Hypothesen -
Suche die verdammten Fragen
Ohne Umschweif uns zu lösen.
Warum schleppt sich blutend, elend,
Unter Kreuzlast der Gerechte,
Während glücklich als ein Sieger
Trabt auf hohem Roß der Schlechte?
Woran liegt die Schuld? Ist etwa
Unser Herrgott nicht allmächtig?
Oder treibt er selbst den Unfug?
Ach, das wäre niederträchtig.
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