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Energie und Infrastruktur
Energie und Infrastruktur
Die Krater von Kambodscha
Infrastrukturausbau als Teil der Entwicklungszusammenarbeit
Imke Pente
| Nur eine asphaltierte Spur, ansonsten unebene Lehmstraßen. Alle
paar Meter ein Krater im Boden – so scheppern wir im Minibus von Siem Reap
zur kambodschanischen Hauptstadt Phnom Penh.
Szenenwechsel: Rushhour im indonesischen Jakarta. Um mich herum hupt
eine schleichende Blechlawine. An der TransJakarta- Bushaltestelle wird die
Schlange der Wartenden immer länger. Ein Bus fährt vor, die Menschenmas-
sen schieben die vorderen Personen hinein. Nun bloß achtgeben auf den Spalt
zwischen Plattform und Bus, sonst stürzt man zwei Meter tief auf die Straße!
Erneuter Szenenwechsel. Ausflug mit dem Bus nach George Town, einem
UNESCO-Weltkulturerbe auf der malaysischen Insel Penang. Die geplante
Umsteigezeit von 20 Minuten verlängert sich auf 30, 40, 60, 90 Minuten.
Nächstes Mal nehmen wir wohl wieder ein Taxi.
Südostasiens Infrastrukturlücke
Die Asiatische Entwicklungsbank (ADB) bestätigt solche Beobachtungen: Süd-
ostasien steckt in einer Infrastrukturkrise. Während die Länder der Region sta-
bile Wachstumsraten von 5 bis 6 Prozent verzeichnen, hinken sie beim Ausbau
einer hochwertigen Infrastruktur hinterher. Der Vergleich mit anderen Welt-
regionen verdeutlicht das: Mit 0,27 Streckenkilometern pro 1000 Einwohner
ist das Schienennetz in den ASEAN-Staaten unterentwickelt; in Lateinameri-
ka ist das Netz fast zehnmal besser ausgebaut. Beim Straßenbau hat Südostasi-
en zuletzt zwar stark aufgeholt, aber zwischen städtischen und ländlichen Ge-
bieten liegen weiterhin Welten. Darüber hinaus haben knapp 30 Prozent der
ASEAN-Bevölkerung keinen Zugang zur Stromversorgung.
Dabei ziehen im asiatisch-pazifischen Raum täglich 120 000 Menschen vom
Land in die Stadt. Um eine so rasante Urbanisierung zu bewältigen, benötigen
Länder wie Indonesien, die Philippinen, Kambodscha und Vietnam moder-
ne, innovative Verkehrssysteme. Auch enden Handel und Arbeitsmärkte nicht
an den Landesgrenzen. Selbst wenn die Schaffung der ASEAN-Wirtschafts-
gemeinschaft nicht wie geplant Ende 2015 abgeschlossen sein dürfte: An der
weiteren Verflechtung der betroffenen Ökonomien besteht kein Zweifel. Der
„Action Plan on ASEAN Connectivity“ gibt dabei die Richtung beim grenz-
überschreitenden Infrastrukturausbau vor – mit einem Leuchtturmprojekt,
das Kunming im Süden Chinas über ein verzweigtes Schienennetz mit Singa-
pur verbinden soll, mit den Großstädten Bangkok, Yangon und Mandalay auf
der West- sowie Phnom Penh, Ho-Chi-Minh-Stadt und Hanoi auf der Ostachse.
Solche Megaprojekte bringen selbst erfahrenste Planungsingenieure ins
Schwitzen, und die sind in den Ländern meist Mangelware. Hinzu kommt der
enorme Finanzbedarf: Die ADB schätzt den Infrastruktur-Investitionsbedarf
der acht ASEAN-Mitglieder für das laufende Jahrzehnt auf fast 1,1 Billionen
Dollar. Umgerechnet auf das Bruttoinlandsprodukt müssten Länder wie In-
donesien, Malaysia und die Philippinen demzufolge pro Jahr über 6 Prozent,
Kambodscha, Laos und Myanmar sogar fast 10 Prozent ihres BIP aufwenden,
um den Bedarf zu decken.
Aus eigener Kraft können die Länder das nicht stemmen, internationale
Finanzierung ist notwendig – und die kommt in erster Linie aus China und
Japan. Peking und Tokio sind risikoberei-
ter und haben ihre Entwicklungspolitik an
die Außenwirtschaftsförderung angepasst,
sodass sie Finanzierungsinstrumente der
Entwicklungszusammenarbeit und der Ex-
portförderung flexibel miteinander kombi-
nieren können. Infrastrukturprojekte werden dazu mit einer Lieferbindung
verknüpft, sodass sie als Türöffner für chinesische und japanische Unterneh-
men dienen. Megaprojekte wie die Seidenstraße sind neue, integrale Bestand-
teile der chinesischen außenwirtschaftspolitischen Agenda.
Finanzierung plus Expertise
Ganz anders die deutsche Entwicklungszusammenarbeit: Abgesehen von erneu-
erbaren Energien spielt Infrastruktur eine untergeordnete Rolle, die Grenze zur
Außenwirtschaftsförderung wird scharf gezogen. Der wirtschaftliche Mehr-
wert für die heimische Wirtschaft spielt keine Rolle, und im Gegensatz zu ande-
ren OECD-Ländern wie Österreich, Frankreich und Spanien stellt Deutschland
seine Entwicklungsleistungen (mit Ausnahme der technischen Zusammenar-
beit) „lieferungebunden“ bereit. Die Folge ist eine Kommunikationskluft zwi-
schen Entwicklungspolitik und Privatwirtschaft. Dabei geben die lobenswerten
nachhaltigen Entwicklungsziele der UN eine Linie in der Entwicklungspolitik
vor, die an dieser Abgrenzung zweifeln lässt. Gemäß eines dreidimensionalen
Entwicklungsverständnisses – sozial, ökologisch und ökonomisch – erkennen
die Vereinten Nationen die Bedeutung von Investitionen in produktive Struktu-
ren für die Armutsbekämpfung ausdrücklich an. Zudem können sie einen we-
sentlichen Beitrag zur Dekarbonisierung im Sinne des Klimaschutzes leisten.
Infrastrukturausbau als Teil der Entwicklungszusammenarbeit sollte auf der
deutschen Prioritätenliste weiter nach oben rücken. Dabei sollte es nicht um
die Lieferung von Asphalt oder Schienen gehen. Deutschlands Mehrwert liegt
in der Bereitstellung von smarter Infrastruktur wie Mobilitätskonzepten sowie
Verkehrs- und Logistiksystemen. Zudem sollte die Bundesregierung die strikte
Trennung zwischen Entwicklungs- und Außenwirtschaftspolitik aufgeben. Ein
stärker vernetztes Denken über die Ressorts hinweg würde die flexible Kom-
bination aus Instrumenten der finanziellen Zusammenarbeit, der Exportförde-
rung sowie privater Finanzierung erleichtern und damit attraktive Finanzie-
rungspakete begünstigen.
Peking und Tokio begreifen
Infrastrukturprojekte als Tür
öffner für ihre Unternehmen
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Energie und Infrastruktur
Energie und Infrastruktur
Doch Finanzierung ist nicht alles. Zunächst müssen die Ideen in finanzier-
bare Projekte übersetzt werden. Deutschland sollte die Länder bei der Planung
der Infrastrukturprojekte unterstützen. Mit dieser Kombination aus Finan-
zierung plus Expertise würde Deutschland Hilfe aus einem Guss bereitstellen
und die wirtschaftliche Entwicklung nicht nur in den Partnerländern, sondern
auch in Deutschland selbst fördern. „Deutschland baut Metro in Jakarta und
rettet Indonesiens Hauptstadt vor dem Verkehrskollaps.“ Könnte so etwa eine
Schlagzeile aus dem Jahr 2020 klingen?
• •
Dr. Imke Pente verbrachte ihr Mercator-Jahr in Frankfurt a. M., Hamburg und Penang (Malaysia).
Mobil gegen Ebola
Transportierbare Laboratorien im Kampf gegen übertragbare Krankheiten
Johannes Diers
| Zwei weiße Kisten mit der Aufschrift „Biohazard“ stehen im
Schatten der untergehenden Sonne. Es riecht nach Chlor. Der Strom ist heute
wieder ausgefallen in Bamako, und das malische Laborteam hat sich entschieden,
die Geräte mit der Batterie eines laufenden Automotors zu betreiben. Im Labor
herrscht höchste Konzentration. In der her-
metisch abgeriegelten Handschuh-Box öffnet
ein Laborant vorsichtig nacheinander eini-
ge Probenröhrchen und gibt eine Substanz
dazu, die Viren inaktiviert. Jeder Schritt
ist durchdacht, jeder Schritt in der Hand-
schuh-Box wird kontrolliert und protokolliert. Alles wurde vorher wieder und
wieder trainiert. Nur ist es dieses Mal kein Training. Die Proben sind echt. Und
in der malischen Ebola-Krisenzelle wartet man dringend auf die Ergebnisse.
Schnell, akkurat, präzise
Fieber, Erbrechen und Durchfall sind typische Symptome vieler tropischer Er-
krankungen. Aber eben auch von Ebola. Die endgültige Diagnose, ob es sich
um Ebola handelt, kann nur durch ein Speziallabor gestellt werden. Was aber,
wenn es Tage dauert, bis die Proben in einem solchen Labor sind, weil die Pa-
tienten in einem abgelegenen westafrikanischen Dorf leben? Die Krankheit
breitet sich unter Umständen bis zum Eintreffen der Ergebnisse weiter aus.
Und was, wenn die Laboruntersuchung fälschlicherweise die Diagnose
Ebola ergibt? Ein Patient, der eigentlich „nur“ Malaria hat, wird sich nun mit
hoher Wahrscheinlichkeit in einer Isolierstation mit Ebola anstecken. Umge-
kehrt führt das Nichtentdecken der Erkrankung dazu, dass der Patient seine
Mitpatienten, Pflegepersonal und Ärzte infiziert, weil er nicht isoliert wird.
Das zeigt, wie wichtig eine schnelle und akkurate Diagnostik für den einzel-
nen Patienten und die Gemeinschaft ist.
Eine Antwort sind schnell verlegbare Laboratorien. Doch das genügt nicht.
Das lokale Personal muss vernünftig ausgebildet und mit der Bedienung des
Labors vertraut sein. Es muss geübt im sicheren Umgang mit hochinfektiösen
Proben und in der korrekten Analyse der Ergebnisse sein. Ein solches mobi-
les Labor kann beim ersten klinischen Verdacht in Kisten verpackt zum po-
tenziellen Infektionsherd gefahren werden, es lässt sich in einem Zelt oder
einem Zimmer innerhalb weniger Stunden einrichten und in direkter Nach-
barschaft zum Isolationszentrum betreiben.
Zeitlich und räumlich kommt die Diagnosestellung so näher zu Patienten
und Ärzten, und die Verbreitung des Virus wird eingedämmt. Mobile Labora-
torien eines vom Institut für Mikrobiologie
der Bundeswehr entwickelten Typs haben
eine wichtige Rolle im Kampf gegen Ebo-
la in den von der Krankheit am stärksten
betroffenen Ländern Westafrikas gespielt.
Während des Kollegs habe ich für die GIZ
die Einrichtung eines solchen schnellverlegbaren Labors in Mali begleitet. Wie
dieses Labor funktioniert und welches Konzept dahinter steht, war mir aus
meiner Ausbildung an der Sanitätsakademie in München bekannt.
In diesem Labor – mit dessen Hilfe sich neben Ebola auch viele andere
gefährliche Erreger diagnostizieren lassen – haben wir seit Dezember 2014
zwei Gruppen malischer Laboranten ausgebildet, die im Bedarfsfall und auf
Wunsch des malischen Gesundheitsministeriums schnell an den Ort eines
möglichen Krankheitsausbruchs verlegt werden können. Die Feuertaufe meis-
terte die erste Gruppe im Dezember 2014 mit Bravour: Auf dringende Anfra-
ge der malischen Ebola-Krisenzelle untersuchte sie verdächtige Proben von
zwei Patienten. Innerhalb von nur fünf Stunden konnte der malische Team-
leiter die gute Nachricht an die Krisenzelle zurückmelden: In beiden Proben
wurde kein Ebola-Virus nachgewiesen.
Nicht zu beseitigen
Im April 2015, Bamako lag mittlerweile unter dem für die Trockenzeit so ty-
pischen Schleier aus rotbraunem Wüstenstaub, war klar, dass meine nächste
Etappe Malis Nachbarland Guinea sein würde – das Ursprungsland des Ebo-
la-Ausbruchs in Westafrika. Für die Mérieux-Stiftung und das französische
Außenministerium sollte ich mir die medizinischen Laboratorien im Land
anschauen, um mit dem guineischen Gesundheitsministerium die wichtigs-
ten künftigen Herausforderungen zu ermitteln.
In Guinea ist das Ebola-Virus zum Zeitpunkt des Abfassens dieses Arti-
kels weiter aktiv, und unter Experten besteht weitgehende Einigkeit, dass die
Krankheit in Westafrika „endemisch“ bleiben wird – immer wieder auflodern,
immer wieder eingedämmt werden wird, um dann mit etwas Abstand woan-
ders wieder aufzutreten. Diese kleinen Ausbrüche im Voraus zu erkennen,
wird in Zukunft wichtig sein, wenn wir verhindern wollen, dass die Krank-
heit noch einmal solche Ausmaße erreicht wie nach ihrem Ausbruch im De-
zember 2013 in Waldguinea.
Innerhalb von fünf Stunden
konnte der malische Team
leiter den Befund melden
Was, wenn es Tage dauert, bis
die Proben in einem Spezial
labor angekommen sind?