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Daniela Molzbichler
SWS-Rundschau (
.Jg.) Heft /: –
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Für Hofstede existieren viele Manifestationen kultureller Unterschiede, er weist
jedoch speziell auf folgende vier hin: Symbole (dazu zählen etwa Gesten oder Fahnen),
Helden, Rituale (wie etwa Zeremonien) und Werte. Werte gehören zu den ersten Din-
gen, die ein Kind erlernt. Es sind Gefühle, die sich zwischen einem Plus- und Minuspol
orientieren, wie etwa folgende Fragen zeigen: Was ist gut oder böse? Was ist schön oder
hässlich? Hofstede ist überzeugt, dass besonders Werte für Unterschiede zwischen den
Kulturen verantwortlich sind und findet dafür wiederum vier verschiedene Dimensio-
nen. Dabei handelt es sich um Machtdistanz (Verhältnis zu Macht/ Ungleichheit), In-
dividualismus (Verhältnis zwischen Individuum und Gruppe), Maskulinität (Rollen-
verhalten von Mann und Frau) und Unsicherheitsvermeidung (Verhältnis zu Toleranz)
(Hofstede
).
Ende der
er-Jahre startete Hofstede eine umfangreiche empirische Untersu-
chung über kulturelle Unterschiede (die Gesamtergebnisse wurden erst
in Buch-
form veröffentlicht). In
Ländern und Länderregionen wurden . Personen aus
Berufssparten mit in Sprachen übersetzten Fragebögen zu arbeitsbezogenen
Wertvorstellungen befragt. Hofstede wollte im Unternehmen »Hermes« (mittlerweile
weiß man, dass es sich hierbei um IBM handelt) die Unternehmenskultur untersuchen.
Dabei ging er davon aus, dass die »nationalen Kulturen« die Unternehmenskultur be-
einflussen, und es somit in den internationalen IBM-Niederlassungen nicht ein und
dieselbe Unternehmenskultur gibt.
Hofstedes Studie ist eine der umfassendsten Erhebungen und Datenauswertun-
gen zum Themenbereich kultureller Unterschiede. Keine andere Studie in diesem Be-
reich hat so viele Nachfolgestudien, so viel Kritik und so viele NachahmerInnen vor-
zuweisen. Eine der bekanntesten Nachfolgestudien wurde von der Chinese Culture
Connection durchgeführt, die neben den vier Dimensionen Hofstedes (Macht und
Ungleichheit in einer Gesellschaft, Individualismus und Kollektivismus, Rollenver-
halten von Mann und Frau und Unsicherheitsvermeidung) eine fünfte Dimension
identifizierte. Diese Dimension (kurz- oder langfristige Orientierung in einer Gesell-
schaft) wurde von Hofstede in seine weiterführenden Arbeiten aufgenommen (Chi-
nese Culture Connection
).
Folgende Fragen/ Dimensionen bilden seither die Basis für Hofstedes
Arbeit und
werden mit dieser in Verbindung gebracht:
1. Wie wird in einer Kultur mit Macht, mit Ungleichheit umgegangen?
(Beispiel: Wie wird etwa Macht und Geld verteilt?)
2. Wird Individualismus oder Kollektivismus in einer Kultur bevorzugt?
(Beispiel: Welchen Stellenwert hat die Familie?)
3. Ist die Kultur eher maskulin oder eher feminin geprägt?
(Beispiel: Gibt es in diesem Zusammenhang eine klare geschlechtsspezifische
Rollenverteilung?)
4. Wie wird mit Unsicherheit umgegangen?
(Beispiel: Ist man eher tolerant oder intolerant gegenüber Fremden?)
5. Gibt es eine kurzfristige oder eine langfristige Orientierung?
(Beispiel: Geht man sparsam mit den vorhandenen Ressourcen um?)
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Kulturen in Konflikt? Vom Umgang mit Konflikten in interkulturellen Beziehungen
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Diese Dimensionen sind meines Erachtens positiv zu beurteilen: Sie reflektieren we-
sentliche Bereiche möglicher kultureller Verschiedenheit und deren Begreifen kann so-
mit auch das gegenseitige Verständnis vertiefen.
Hofstedes Studie ist eine der breitest angelegten Datenauswertungen, die es auf
dem Gebiet der Darstellung kultureller Unterschiede gibt. Positiv zu beurteilen ist vor
allem sein Bemühen, die kulturellen Verzerrungen bei der Fragebogenentwicklung, die
aufgrund der mentalen Programmierung der WissenschafterInnen nicht zu vermeiden
sind, mithilfe eines international zusammengesetzten ForscherInnenteams zu minimie-
ren. Weil sein Team jedoch »westlich« geprägt war, kam es dennoch zu Verzerrungen.
Äußerst problematisch erscheint mir die Studie aufgrund der Auswahl der Befrag-
ten. Da alle bei IBM angestellt waren und davon ausgegangen werden kann, dass es
auch eine bestimmte Firmenkultur gibt, sind sie als RepräsentantInnen für ein gesam-
tes Land eher kritisch zu beurteilen.
Kulturelle Unterschiede an nationalen Grenzen festzumachen, ist ebenfalls sehr
problematisch. Da Wissenschaft an bestimmte grundlegende Strukturen anknüpfen
muss, ist man jedoch nahezu verpflichtet, einen Bezugsrahmen festzulegen. Das bedeu-
tet beispielsweise, dass klare Trennlinien aufgrund von nationalen Grenzen, wie sie
Hofstede verwendet, in der empirischen Forschung zwar leichter zu verarbeiten sind;
sie sind jedoch künstlich geschaffen und müssen stets kritisch reflektiert werden.
Seine Definition der mentalen Programmierung, die zwar für einzelne zu »tech-
nisch« formuliert ist, erscheint mir hingegen für verschiedenste Untersuchungen (mit
Anwendung unterschiedlicher Methoden) im Bereich Interkulturalität nützlich. Posi-
tiv hervorzuheben sind vor allem nachfolgende Studien, die von WissenschafterInnen
mit einer »nicht (nur) westlich geprägten« mentalen Programmierung durchgeführt
wurden, wie etwa die Untersuchung der Chinese Culture Connection (
).
2.3 Gegenwärtige Ansätze, Diskussionen
und Streitpunkte im Bereich
von Kulturerfassung
Prinzipiell kann man mittlerweile das Feld der Kulturerfassungsansätze folgendermaßen
umschreiben: Es gibt unzählige Herangehensweisen, wie man Kultur erfassen und be-
greifen möchte. Grundsätzlich können wir heute zwischen so genannten »etischen«
und »emischen« Kulturerfassungsansätzen unterscheiden.
2
Während die etischen, dazu
zählt etwa Hofstede, mehrere Kulturen mit Hilfe von universal geltenden Kategorien/
Kriterien vergleichend untersuchen, und daraus Schlussfolgerungen ziehen, steht bei
emischen Kulturerfassungsansätzen meist eine Kultur im Mittelpunkt. »Der Forschen-
de strebt danach, die bestehenden Strukturen und Merkmale aufzudecken und zu ler-
nen, sie mit der einheimischen (meist impliziten) Logik zu verstehen« (Köppel
,
–). Selbstverständlich gibt es auch hier Überschneidungen. So
bemühen sich eini-
ge InterkulturalistInnen, etische und emische Herangehensweisen zu verbinden (siehe
etwa Schwartz/ Bilsky
, –).
2
Die Wurzeln von »emisch« (bedeutungsentscheidend) und »etisch« (nicht distinktiv) liegen in der
englischen Sprache.